St. Leonhard in Passeier. Warum Rafting am freien Tag, Kartenspiele auf dem Trainingsplatz und gegenseitiges Abwerfen auch sportlich einen Sinn haben.

Eines wollte Fabian Hürzeler von vornherein klarstellen. Beim Wildwasser-Rafting, das am Montag etliche Spieler seines Kaders mit großer Freude mitmachten, handelte es sich nicht um eine von oben verordnete „Teambuilding-Maßnahme“. Vielmehr sei diese Aktivität lediglich ein Angebot für den von ihm als frei deklarierten Tag im Rahmen des Trainingslagers in St. Leonhard in Passeier in Südtirol. „Wir kommen nicht alle zusammen und schreien: U-U-A-A – jetzt haben wir ein Teamevent“, sagte der Cheftrainer des FC St. Pauli.

„Es müssen nicht alle mitmachen, Wenn es am Ende doch so ist, war das eine Sache der Jungs selbst“, sagte der 30 Jahre alte Coach weiter, der schon vorher betont hatte, dass er nichts davon hält, so etwas der Mannschaft aufzuoktroyieren. Nur mal raus aus dem täglichen Ablauf und den Kopf freibekommen, das sollten die Spieler dann schon. Konsequenterweise blieb Hürzeler selbst dem munteren Treiben in der Gischt denn auch fern.

St. Paulis Trainer verzichtete auf das Rafting

Am Tag nach dem 7:1 (5:1)-Testspielsieg gegen den österreichischen Erstligisten Austria Lustenau in der prallen Nachmittagssonne war die wilde Fahrt in den Fluten der Passer auf jeden Fall eine willkommene Erfrischung. Auch die eine oder andere Kenterung tat am Ende der Freude keinen Abbruch.

Hürzeler hält andere Maßnahmen in der täglichen Arbeit für wesentlich zielführender, um seine Spieler noch weiter zu einer Einheit zusammenzuschweißen. So streut er immer wieder kreative Wettbewerbe mit kleinen, jeweils neu zusammengestellten Gruppen in seine Einheiten ein.

Kürzlich kam dabei sogar ein klassisches Kartenspiel zum Einsatz. Dabei legte Hürzeler die Karten auf einer Bierzeltbank aus, aufgeteilt in vier Gruppen rannten die Spieler einzeln mit Ball am Fuß zur Bank, suchten dort nach einer passenden Karte und liefen wieder zurück. „Es ging darum, eine kleine Straße in der richtigen Farbe zusammenzubekommen“, klärte Mittelfeldspieler Marcel Hartel auf. „Es war ein bisschen Spaß in der Warmmachphase, bevor es richtig losging.“

Hürzeler will Handlungsschnelligkeit fördern

Auf konkrete Nachfrage ist es Hürzeler aber wichtig zu betonen, dass es sich auch hierbei um mehr als nur eine Gute-Laune-Maßnahme handelte. „Es ist relativ simpel erklärt: Wahrnehmen, entscheiden und dann dementsprechend handeln. Es geht viel um Entscheidungsschnelligkeit und Handlungsschnelligkeit. Das brauchen wir auch gegen einen tief stehenden Gegner“, sagt er.

„Das ist die erste Erklärung. Die zweite ist, dass wir auch Abwechslung reinbringen wollen. Die Spieler sollen nicht wissen, was heute auf dem Trainingsplan steht. Sie sollen auf den Platz kommen und total fokussiert sein“, sagt er weiter. Immer wieder würde er die Profis extrem fordern mit „Provokationsregeln, Zonenbestimmungen und Zeitregeln“. „Sie sollen sich nicht ausruhen können. Der Kopf spielt eine enorme Rolle im Fußball, das wollen wir fördern“, unterstreicht er.

Hürzelers Staff soll kreative Ideen entwickeln

Doch woher hat Hürzeler nun all die lustigen, aber doch sinnvollen Wettbewerbe und Spielchen neben den Passübungen und Torschüssen? „Ich habe einen super Staff um mich herum, dem ich extrem viel Eigenverantwortung gebe. Ich möchte auch, dass sie selbst mit Ideen auf mich zukommen und etwas entwickeln. In diesem Fall des Kartenspiels kam die Idee von Thomas, unserem neuen Athletiktrainer“, berichtet Hürzeler und spricht den vom Zweitliga-Absteiger Jahn Regensburg ans Millerntor gewechselten Thomas Barth (42) an.

„Ich möchte auch, dass sie sich mit der Materie beschäftigen. Das Thema gebe ich vor, sie sollen das dann mit Leben füllen. Deshalb bin ich sehr froh, dass sich Thomas als Athletiktrainer sofort integriert hat und von ihm neue Ideen kommen. Er ist ein super Energiegeber, das ist mir auch sehr, sehr wichtig“, adelt St. Paulis Cheftrainer den neuen Mann in seinem Coachingteam.

Wer dieser Tage auf dem Platz in St. Leonhard beim Training der vier Torhüter zuschaut, wird schnell feststellen, dass auch Torwarttrainer Marco Knoop (44) immer wieder seine Kreativität spielen lässt. So ging es kürzlich darum, dass jeweils zwei der Keeper im Strafraum von rechts nach links und zurück laufen oder springen und noch eine Rolle vorwärts einstreuen mussten mussten, während die beiden anderen versuchten, ihre Kollegen von der Seite mit einem Ball abzuwerfen. Große, aufblasbare Figuren dienten den Läufern als Schutz, bis sie sich aus dieser Deckung wagten.

St. Paulis Torhüter werfen sich gegenseitig ab

Der Spaß war bei allen Beteiligten riesig, gezielt war die Übung dennoch, schließlich spielt im Konzept von Trainer Hürzeler auch die Einbindung der Torhüter in den Spielaufbau eine große Rolle. Feste und gezielte Abwürfe auf Mitspieler sind dabei von großer Bedeutung. Und eines scheint sicher: Kartenspiele und Abbacken werden nicht die letzten spaßigen Ideen gewesen sein.