St. Leonhard in Passeier. St. Paulis Neuzugang aus Freiburg soll Leistungsträger Paqarada ersetzen. Eines hat er schon jetzt mit ihm gemeinsam.

Wie es zugeht, wenn ein vergleichsweise junger Spieler zum ersten Mal in einer – wie er es selbst ausdrückt – „Herren-Mannschaft“ mitspielt, bekam Philipp Treu am Freitagvormittag in der ersten Einheit des Trainingslagers des FC St. Pauli in St. Leonhard zu spüren.

Nach einem Zweikampf im Strafraum mit Luca Günter (21) fiel der 22 Jahre alte Außenverteidiger und wollte einen Strafstoß haben. Prompt eilte Eric Smith (26) auf ihn zu und gab ihm noch mal einen kleinen, aber wirksamen Schubser, als er gerade wieder aufstehen wollte.

Kollege Smith ließ sich zu einem Schubser hinreißen

„Ich habe den Kontakt angenommen von Luca, würde ich mal sagen. Wir hatten neulich im Testspiel gegen Randers eine Szene von Elias Saad, in der er nicht den Kontakt angenommen hatte. Eric hat geschmunzelt, als er mich noch mal runtergeschubst hat. Das war völlig okay so“, berichtete Treu später in seinem ersten Mediengespräch seit seinem Wechsel von der zweiten Mannschaft des SC Freiburg zum FC St. Pauli.

Eine höchst erfolgreiche Saison mit dem Freiburger U-23-Team hat der auf beiden Seiten einsetzbare Außenverteidiger hinter sich. In der Dritten Liga mischte die Truppe, deren Kapitän Treu sogar war, bis zum Ende oben mit, hatte bis zum letzten Spieltag die Chance auf die Meisterschaft und wurde schließlich hinter der SV Elversberg Zweiter.

Zweitliga-Aufstieg mit Freiburg II war nicht möglich

Die DFL-Statuten lassen einen Aufstieg einer Reservemannschaft in die Zweite Liga bekanntlich nicht zu, daher musste Treu eben den Club wechseln, um eine Liga nach oben zu kommen.

Wer mit Philipp Treu spricht, merkt sehr schnell, warum der in Heidelberg geborene und aufgewachsene Außenverteidiger im Freiburger U-23-Team die Kapitänsrolle ausfüllte und warum ihm der ehemalige St. Paulianer Johannes Flum (35), der dieser Youngster-Truppe quasi als „Elder States­man“ angehörte, auf mittlere Sicht auch eine Führungsrolle bei St. Pauli zutraut.

Ex-St.-Paulii-Profi Flum traut Treu eine Führungsrolle zu

Treu hat in seiner Zeit in Freiburg sein Abitur erfolgreich bestanden, er spricht überlegt und klar, zeigt, dass er auch Humor hat. Vor allem aber folgt er einem klaren, ambitionierten, aber dennoch nicht illusorischen Karriereplan.

„Peu à peu“ möchte er die Schritte auf der Leiter nach oben steigen, statt einen womöglich zu großen Sprung zu wagen und dann Gefahr zu laufen abzustürzen. Das war auch der Grund, warum er dem Angebot von Freiburgs Bundesligatrainer Trainer Christian Streich eine Absage erteilte und sich stattdessen für den FC St. Pauli entschied.

„Von der Dritten Liga in eine Bundesligamannschaft, die auch international spielt, ist schon ein sehr großer Schritt“, sagt Treu, der noch weitere Anfragen hatte, unter anderem von Drittliga-Konkurrent Dynamo Dresden, der aber auch die Rückkehr in die Zweite Liga verpasste.

Christian Streich wollte Treu zu Freiburgs Profis holen

Ohnehin hatte sich kein Cheftrainer eines anderen Clubs derart intensiv um Treu bemüht wie St. Paulis Fabian Hürzeler. „Beim Gespräch mit ihm hat mich beeindruckt, wie intensiv er sich vorher meine Spiele angeschaut hatte. Er wusste genauestens Bescheid über meine Stärken und Schwächen. Er hat die Spiele gezeigt und mir gesagt, was ich in seinem System besser machen könnte. Da habe ich gemerkt, wie er mich besser machen will.“

Dazu kam die Art des Fußball, den Hürzeler von seinem Team verlangt. „Es gibt in der Zweiten Liga nicht so viele Teams, die so viel Wert auf spielerische Lösungen legen. Das hat auch mit den Ausschlag gegeben, dass ich mich für St. Pauli entschieden habe. Andere Teams kloppen den Ball von hinten nur weit nach vorn. Da bekommt man als Außenverteidiger einen steifen Nacken“, sagt er.

Kyereh riet Treu zum Wechsel ans Millerntor

Dazu fragte Treu natürlich auch bei Johannes Flum und Daniel-Kofi Kyereh, der vor einem Jahr für rund 4,5 Millionen Euro von St. Pauli nach Freiburg gewechselt war, nach, was er denn so am Millerntor zu erwarten habe.

„Beide haben mir regelrecht etwas vorgeschwärmt. Das hat mich beeindruckt“, berichtet er und nennt konkret das „familiäre Umfeld“, das er so ähnlich auch in Freiburg erfahren und zu schätzen gelernt habe. „Und natürlich haben sie von der Atmosphäre und dem Flair im Millerntor-Stadion erzählt. Da habe ich schon große Augen gemacht.“

Als Kind war Treu Balljunge auf dem Betzenberg

Die erste Dienstreise in der Zweiten Liga aber wird Treu, der in Hamburg dank der Mithilfe von Teammanager Jonas Wömmel bereits eine Wohnung gefunden hat, an einen anderen stimmungsvollen und ihm aus früheren Jahren sehr wohl bekannten Ort führen – auf den Betzenberg. Wie es der Zufall so wollte, hat der Spielplan der DFL für den FC St. Pauli das Auswärtsspiel beim 1. FC Kaiserslautern am ersten Spieltag der neuen Saison in nur noch drei Wochen vorgesehen.

Bis vor acht Jahren spielte er im Dress der „Roten Teufel“, ehe er im Alter von 14 Jahren ins Internat von RB Leipzig wechselte. „Ich weiß noch genau, wie ich als kleiner Lautern-Bubi Balljunge auf dem Betzenberg war und die Großen bewundert habe. Da träumt man schon davon, eines Tages auch hier in diesem großen Stadion zu spielen“, sagt er.

Treu hat bei St. Pauli die Nummer 23 von Paqarada übernommen

Dass er auf der linken Außenbahn beim FC St. Pauli Nachfolger des zum 1. FC Köln gewechselten Leistungsträgers Leart Paqarada sein wird, wenn er sich denn gegen seinen Konkurrenten Lars Ritzka durchsetzen sollte, belastet Treu nicht.

„Es sind schon große Fußstapfen, die er hier hinterlassen hat – auch als Kapitän. Aber ich habe meinen eigenen Stil, ich möchte mich nicht mit Paqarada vergleichen, sondern der Philipp Treu sein – auch wenn wir dieselbe Trikotnummer haben“, sagt er.

Letzteres habe daran gelegen, dass er die Zwei mit dabei haben wollte. Die habe er schon in seiner ganzen Karriere auf dem Rücken gehabt. Bei aller nüchternen Zielstrebigkeit, die Treu ausstrahlt, ist eben auch ein bisschen Aberglaube dabei.

Defensivspieler Hauke Wahl (29) nahm am Freitag nicht am Teamtraining teil, stattdessen absolvierte er eine Einheit auf dem Radergometer. Mittelfeldspieler Jackson Irvine (30) beendete vorzeitig das Training am Vormittag mit leichten Wadenbeschwerden.