Hamburg. In den verbleibenden beiden Spielen geht es für den Rückrundenmeister noch um einiges. Was Arminia Bielefeld damit zu tun hat.

Im allgemeinen Frust über das 0:0 gegen Fortuna Düsseldorf und das damit verbundene Ausscheiden aus dem Rennen um den Aufstiegsrelegationsplatz der Zweiten Liga ist ein Erfolg des FC St. Pauli nahezu unbemerkt geblieben: Durch die Niederlagen von Darmstadt 98 und des 1. FC Heidenheim am Sonntag steht das Team von Trainer Fabian Hürzeler schon jetzt vorzeitig als Rückrundenmeister der Zweiten Liga fest.

FC St. Pauli war vorherige Saison Hinrundenmeister

Selbst wenn St. Pauli in den beiden verbleibenden Spielen am Freitag (18.30 Uhr) bei Holstein Kiel und am Pfingstsonntag (15.30 Uhr) gegen den Karlsruher SC keinen einzigen Punkt mehr zu den jetzt schon ergatterten 37 hinzufügen würde, könnten die in der aktuellen Rückrundentabelle direkt dahinter stehenden Teams aus Heidenheim, Paderborn, Düsseldorf und Darmstadt (alle 28) nicht mehr vorbeiziehen.

Damit hat sich der FC St. Pauli zwar in der zweiten Saison in Folge als beste Mannschaft der Liga in einer Halbserie profiliert, nachdem in der Spielzeit 2021/22 die Hinrunde mit 36 Punkten gewonnen worden war. Doch zum Aufstieg in die Bundesliga hat es in beiden Fällen nicht gereicht.

Kiezkicker können Zweitligarekord aufstellen

Neben der Auszeichnung als bestes Rückrundenteam kann die Mannschaft vom Millerntor, wenn sie sich noch zweimal aufrafft, ihr schon mehrmals gezeigtes Leistungspotenzial abzurufen, noch einige Rekorde aufstellen. An erster Stelle zu nennen ist dabei der Zweitliga-Punktrekord für eine Halbserie seit der Einführung der Drei-Punkte-Regel zur Saison 1995/96.

Diese Bestmarke teilen sich bisher mit 41 Punkten gleich drei Clubs. Der SC Freiburg (2006/07) und Hertha BSC (2010/11) stellten diese Marke jeweils in der Rückrunde auf. Fortuna Düsseldorf legte in der Hinrunde 2011/12 diese Bilanz hin.

Drei Clubs schafften 41 Punkte in einer Halbserie

Mit einem Sieg und einem Unentschieden würde sich St. Pauli zu diesem illustren Kreis als viertes Team gesellen. Bei zwei Erfolgen zum Saisonabschluss wäre die Kieztruppe sogar alleiniger Rekordhalter. Gleiches gilt auch für den Spitzenwert an Siegen innerhalb einer Halbserie. Diese halten Freiburg und Hertha aus den genannten Spielzeiten mit je 13 Dreiern. Der FC St. Pauli (bisher 12) kann noch auf 14 kommen.

Interessanter Fakt am Rande: Dem SC Freiburg erging es 2006/07 ähnlich wie St. Pauli jetzt. Die 41 Rückrundenpunkte reichten nach lediglich 19 Zählern in den ersten 17 Spielen am Ende nur zu Platz vier und damit nicht zum Aufstieg. Hertha BSC stieg dagegen im Frühjahr 2011 mit dem Ligarekord von 74 Zählern direkt auf, Düsseldorf fiel 2012 noch auf Platz drei zurück, setzte sich aber gegen Hertha in der Relegation durch.

Hürzeler setzt auf Comeback-Qualitäten

„Ich bin grundsätzlich sehr optimistisch, dass wir bis zum Spiel in Kiel die Enttäuschung über das 0:0 gegen Düsseldorf aus den Köpfen der Spieler wieder herausbekommen“, sagte jetzt Fabian Hürzeler. „Wir haben ja auch schon nach den beiden unnötigen Niederlagen gegen Braunschweig und beim HSV gezeigt, dass wir reagieren und wieder aufstehen können. Das erwarte ich von meiner Mannschaft jetzt auch in Kiel.“

Demnach scheint also die Einstellung des eigenen Teams kein Hinderungsgrund für eine weitere Rekordjagd zu sein, auch wenn das ganz große Ziel Aufstieg nicht mehr erreichbar ist.

Nach eigener Aussage legt Hürzeler selbst nicht viel Wert auf derartige Rekordwerte oder Serien. Nicht zu leugnen aber ist, dass die schon jetzt erreichten Marken dazu gedient haben, sich als Novize in der Profibranche eindrucksvoll zu profilieren. Auch wenn bei einer überaus erfolgreichen Halbserie noch nicht von einem nachhaltigen Qualitätsbeweis gesprochen werden kann, ist das Ganze weit mehr als ein Strohfeuer.

TV-Tabelle: St. Pauli knapp vor Kiel

Nicht zuletzt geht es in den verbleibenden Spielen auch noch darum, sich möglichst viel Kapital aus der medialen Vermarktung, kurz Fernsehgeld genannt, zu sichern. Hier hat das Nordduell bei Holstein Kiel sogar eine immens wichtige Bedeutung. In der relevanten Fünf-Jahres-Wertung sind St. Pauli und Kiel aktuell Tabellennachbarn. Genauer gesagt liegt St. Pauli in der TV-Tabelle der Zweiten Liga auf Rang acht, hat aber nur einen knappen Punktevorsprung (173:167) vor den neuntplatzierten Holsteinern.

Fällt St. Pauli in der sportlichen Tabelle am Saisonende noch auf Rang sechs hinter Paderborn und Düsseldorf zurück und klettert Kiel hier vom ebenfalls neunten Platz nach oben, tauschen die beiden Nordrivalen ihren Platz im TV-Geld-Ranking. Statt den derzeit prognostizierten rund 10,9 Millionen Euro bekäme St. Pauli laut dem Portal fernsehgelder.de in diesem negativen Fall nur noch 10,3 Millionen Euro überwiesen. Die Differenz entspricht immerhin etwa dem Jahresgehalt eines überdurchschnittlichen Zweitligaspielers.

St. Pauli würde von Bielefelds Abstieg profitieren

Andererseits kann St. Pauli mit einem interessierten Auge auch darauf schielen, wie es Arminia Bielefeld in den kommenden Wochen ergeht. Verabschieden sich die sportlich abstiegsgefährdeten Ostwestfalen, die in der TV-Tabelle Platz fünf belegen, am Ende tatsächlich in die Dritte Liga, rücken die hinter ihnen platzierten Clubs jeweils einen Rang nach oben. Für St. Pauli würde dies konkret bedeuten, künftig 11,8 Millionen Euro zu bekommen, sofern man auch vor Kiel bleibt.

Ein zuletzt im Raum stehender Lizenzentzug für den wahrscheinlichen Bundesligaabsteiger Hertha BSC würde die Berliner ebenfalls aus der TV-Geld-Verteilung der Zweiten Liga entfernen und alle anderen Clubs noch einmal einen Platz nach oben rücken lassen.

Kurzum: Auch ohne Aussicht auf den Bundesligaaufstieg hat der FC St. Pauli in der Restsaison neben der allgemeinen Stimmungslage in der Sommerpause noch einiges zu gewinnen – aber eben auch zu verlieren.