Hamburg. Das Duell der Tabellennachbarn entscheidet darüber, wer noch auf den Relegationsplatz hoffen darf. Was die Trainer erwarten.

Es hat schon so etwas von Endspielcharakter, und das liegt nicht allein an der exklusiven und attraktiven Anstoßzeit an diesem Sonnabend um 20.30 Uhr. Vielmehr geht es im längst ausverkauften Millerntor-Stadion darum, wer von den beiden bisher punktgleichen und nur um ein Tor getrennten Teams des FC St. Pauli und von Fortuna Düsseldorf weiter im Rennen um den dritten Tabellenplatz in der Zweiten Liga bleibt.

Realistisch betrachtet wird sich nur der Sieger dieses Duells weiter als ernsthafter Jäger des HSV fühlen dürfen, der derzeit ebenjenen Relegationsplatz belegt und sich erst am Sonntag (13.30 Uhr) beim abstiegsbedrohten, aber mit dem neuen Trainer Joe Enochs angreifenden SSV Jahn Regensburg beweisen muss.

Der Sieger sitzt dem HSV dicht im Nacken

Diese Spielansetzung allein sorgt schon für eine gewisse Brisanz, denn am Sonnabend kurz vor 22.30 Uhr wird der HSV zwangsläufig nur noch einen Punkt Vorsprung auf Rang vier haben, wenn es am Millerntor einen Sieger gibt. Welchen mentalen Einfluss dies auf die zuletzt zweimal sieglose HSV-Mannschaft bei ihrem sonntäglichen Auftritt im Regensburger Jahnstadion haben wird, bleibt zunächst einmal Spekulation.

St. Paulis Trainer Fabian Hürzeler nahm jedenfalls am Donnerstagmorgen bei der turnusmäßigen, überaus gut besuchten Pressekonferenz die Frage nach dem möglichen Druck, unter den man den HSV mit einem Sieg gegen Düsseldorf setzen könne, zum Anlass, ein bisschen gegen den Stadtrivalen zu sticheln. „Ich weiß ja nicht, wie sehr Hamburg das unter Druck setzt. Ich weiß auch nicht, ob sie überhaupt Zweite Liga gucken“, sagte Hürzeler mit einem verschmitzten Lächeln.

Hürzeler stichelt gegen den HSV

Der 30-Jährige nahm damit einen Satz seines HSV-Kollegen Tim Walter auf, der nach der 0:2-Niederlage beim 1. FC Kaiserslautern Mitte April auf die Frage, ob er sich tags darauf St. Paulis Spiel gegen Braunschweig anschauen werde, gesagt hatte: „Ich gucke nie Zweite Liga.“

Hürzeler hatte sich zudem nach dem 3:4 im Stadtderby beim HSV vor drei Wochen von Tim Walter provoziert gefühlt. Einen sonst üblichen Handschlag nach der Pressekonferenz gab es damals nicht. Dafür aber eben jetzt die kleine verbale Retourkutsche Richtung Volkspark.

Gleichzeitig aber ließ Hürzeler keinen Zweifel daran, dass die volle Konzentration seines Teams der Aufgabe am Sonnabend gilt. Diese wird, wenn man seinen Worten glaubt, überaus anspruchsvoll.

Respekt vor Sturmduo Kownacki und Ginczek

Jedenfalls schwärmte der Coach über den Gegner: „Die Mannschaft hat eine extrem reife Spielanlage, ist unheimlich widerstandsfähig, hat eine große Erfahrung und ist personell gut besetzt. In der Offensive haben sie mit David Kownacki und Daniel Ginczek zwei Superstürmer. Dazu haben die Düsseldorfer einen Trainer, der sich im Hinblick auf die gegnerische Mannschaft immer etwas einfallen lässt.“

Den angesprochenen Ex-HSV-Trainer Daniel Thioune habe er bisher noch nicht richtig kennengelernt, berichtete Hürzeler. Bei den bisherigen Aufeinandertreffen St. Paulis mit Thiounes Teams seit Sommer 2020 war Hürzeler nur Co-Trainer. Da habe es jeweils nur einen kurzen Handschlag gegeben. Was ja – siehe oben – mehr ist als ein aktives Ignorieren. Eines hat Hürzeler bei Thioune aber sofort bemerkt: „Er hat eine sehr tiefe Stimme.“

Düsseldorfs Trainer Thioune lobt St. Pauli

Mit diesem Bass sagte Thioune am Donnerstag in Düsseldorf zur Ansetzung am Sonnabendabend: „Sport 1 und Sky haben alles richtig gemacht, als sie dieses Spiel als potenziell interessant gekennzeichnet haben.“

Auch der 48-Jährige hat die große sportliche Bedeutung und den Ausscheidungscharakter des Verfolgerduells im Blick. „Beiden Teams bietet sich die Chance, im Rückspiegel des HSV aufzutauchen. St. Pauli steht vor uns, und wir wollen noch ein bisschen klettern.“

Hürzeler: „Mannschaft hat einen Maßstab gesetzt“

Bei diesem Vorhaben aber sieht auch Thioune eine schwierige Aufgabe für sein Team. „Ich habe mit viel Respekt und staunend beobachtet, wie stark St. Pauli aus der Winterpause gekommen ist. Das hat mich beeindruckt.“

Dazu zählte natürlich auch St. Paulis jüngster Auftritt beim in dieser Form unerwarteten 3:0-Sieg beim Tabellenführer Darmstadt 98 am vergangenen Sonnabend. „Da hat unsere Mannschaft einen Maßstab gesetzt, was sie läuferisch, kämpferisch und auch spielerisch kann. Daran müssen wir uns auch messen. Jetzt gilt es, Konstanz in den Leistungen zu zeigen“, forderte Hürzeler am Donnerstag im Hinblick auf das Spiel gegen Düsseldorf.

Daschner hat erstes Angebot von St. Pauli abgelehnt

„Die Jungs sollen den Druck ruhig spüren. Wenn wir diese große Herausforderung jetzt auch meistern, sind wir definitiv ein Topteam in der Liga. Wenn nicht, werden wir weiter unsere Schritte gehen, um irgendwann ein Topteam zu sein.“

Unterdessen hat Stürmer Lukas Daschner, der mit acht Treffern und sieben Torvorlagen bester Scorer des FC St. Pauli in der laufenden Saison ist, das erste Angebot des Vereins für eine Vertragsverlängerung laut Fachmagazin „Kicker“ abgelehnt. Wie berichtet buhlt vor allem der VfL Bochum um seine Dienste. Auch Hertha BSC soll Interesse am 24-Jährigen haben.

Beide Bundesligaclubs schweben allerdings in akuter Abstiegsgefahr. „Falls sich für ihn eine Erstligaoption ergibt, wird es für uns sicher schwierig“, sagte St. Paulis Sportchef Andreas Bornemann jetzt dem Abendblatt. Wobei die Option Bundesliga ja auch für St. Pauli weiter nicht ganz ausgeschlossen ist – mindestens bis Sonnabend.