Hamburg. Der neue Trainer verlor mit dem FC St. Pauli erstmals zwei Spiele. Sportpsychologin Frauke Wilhelm erklärt, worauf es nun ankommt.
„Es darf keine schwarze Wolke über dem Trainingsplatz hängen“, sagt Frauke Wilhelm (50), „das ist ganz wichtig.“ Kurzer Check: Nein, nichts Dunkles zu sehen über der Kollau am Donnerstag. Und auch während der Woche nach der Derbypleite gegen den HSV waren schwarze Wolken über dem Trainingsgelände des FC St. Pauli eher selten. Auch im übertragenen Sinn, den die Hamburger Sportpsychologin natürlich meint.
„Die Stimmung war anfangs nicht so optimal“, räumt Trainer Fabian Hürzeler das Erwartbare ein, „aber wir haben es geschafft, die Köpfe der Spieler wieder nach oben zu bekommen und uns auf das nächste Spiel zu fokussieren.“ Das steht am Sonnabend (13 Uhr/Sky) an, das Millerntor ist ausverkauft. Es kommt in Bundesligaabsteiger Arminia Bielefeld eine Mannschaft, die dagegen kämpft, nicht in die dritte Liga durchgereicht zu werden.
Hürzelers Aufgabe: Positiv nach vorne schauen
Bis dahin den Frust vom unglücklichen 3:4 gegen den Stadtrivalen und damit dem wahrscheinlichen Ende aller Aufstiegsträume zu verdrängen und positiv nach vorne zu schauen, war die große Aufgabe von Hürzeler und seinem Staff. „Es ist normal, dass es nach Niederlagen einen Rückzug ins Einzelne gibt, im Frust separieren wir uns“, weiß Frauke Wilhelm, „die Frage ist, was passiert danach.“
Wenn ein Mannschaftsgefüge fragil ist, dann kann sich das Thema Auseinanderfallen in der Woche fortsetzen, Cliquen bilden sich, es wird in der Kabine weniger gesprochen. „Bei zu wenig offizieller Kommunikation gibt es inoffizielle Kommunikation, das kann eine Mannschaft auseinanderbringen“, sagt die Psychologin: „In schwierige Zeiten wird die Kommunikation weniger, aber wir müssen stattdessen mehr reden. Das können Trainer und Führungsspieler anregen.“
Große Gefahr: Cliquenbildung in der Kabine
Frauke Wilhelm arbeitete zwischen 2018 und 2019 für den FC St. Pauli und schaut deshalb noch mit Sympathie und Interesse ans Millerntor. Derzeit ist sie als Programmmanagerin Sportpsychologie bei dem in München ansässigen Internationalen Fußball Institut tätig, einer privaten Ausbildungsstätte, die unterschiedliche Aspekten der Trainer- und Managerfortbildung vermittelt. Gerade geht in Hamburg unter Wilhelms Leitung der erste Lehrgang „Sportpsychologische Kompetenzen“zu Ende. „In den vergangenen zehn Jahren ist das Bewusstsein für dieses Thema im Fußball enorm gewachsen“, weiß die ehemalige Leistungsturnerin, „vor allem die jungen Trainer stehen dem viel offener gegenüber.“
Das mag auch daran liegen, dass viele der jungen Trainer bereits selbst als talentierte Spieler in Nachwuchsleistungszentren mit Psychologen in Kontakt gekommen sind. „Viele junge Spieler wissen inzwischen mehr von Sportpsychologie als ihre Trainer“, ahnt Frauke Wilhelm. Bei Hürzeler, der im NLZ von Bayern München fußballerisch groß geworden ist, war in seinem kürzlich abgeschlossenem Pro-Trainer-Lehrgang der Umgang mit Frust- und Krisensituationen auch ein Lehrinhalt. „Der Fußballlehrer bereitet einen definitiv auf solche Szenarien vor“, sagt er: „Das Wichtigste ist, Mensch zu bleiben. Die Spieler checken relativ schnell, wenn du versuchst, irgendetwas künstlich zu machen.“
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Sein Umgang mit der ersten „Krisensituation“ seiner Laufbahn entspricht tatsächlich zu großen Teilen den Handlungsempfehlungen der Sportpsychologie, um Enttäuschung zu verarbeiten und neue Motivation für den Rest der Saison zu schaffen. Dazu gehören viele Einzelgespräche, das Hervorheben der positiven Dinge und das Einschwören auf neue Ziele. „Spieler schätzen es sehr, wenn sie sich unter einem Trainer entwickeln, sie schauen über die Saison hinaus“, sagt Frauke Wilhelm, „es muss eine Entwicklungsperspektive geben und das Handlungsziel, sich zu verbessern.“
„Mit maximaler Ausbeute aus der Saison gehen“
Oder, wie es Fabian Hürzeler immer wieder sagt: „Wir sind in einem Prozess. Deshalb werden wir die Spieler weiter maximal fordern und gut vorbereiten. Wir werden nichts anders machen. Jedes Spiel zahlt auf die Entwicklung ein.“ Auch und gerade die nächste Partie gegen Bielefeld: „Es ist für den einzelnen Spieler, die Mannschaft, den Verein und die Fans wichtig, dass wir da maximal reingehen und mit der maximalen Ausbeute aus der Saison rausgehen.“