Das Verhalten vieler Übungsleiter hat mit Sportsgeist nichts mehr zu tun. Eine Verschärfung der Sanktionen würde helfen.
Wer wann was zu wem gesagt hat auf dem Spielfeld und am Rande dessen während und nach dem Stadtderby im Volksparkstadion, das konnte auch zwei Tage nach dem 4:3-Erfolg des HSV über den FC St. Pauli nicht zweifelsfrei rekonstruiert werden.
Festzuhalten gilt, dass die Sympathien zwischen den beiden Hamburger Fußball-Zweitligisten nach den Wortgefechten von Freitagabend nicht gewachsen sind. Man könnte das Ganze als normale Derby-Folklore abtun, wenn das Gebaren der beiden Trainerteams nicht einen Trend bestätigt hätte, der sich im Männerfußball in längst übel aufstoßender Weise verfestigt hat.
Meinung: Das Verhalten vieler Trainer hat mit Sportsgeist nichts mehr zu tun
Fremdschämen ist das Wort, das das Gefühl optimal beschreibt, was Sportsleute, denen Werte wie Fair Play und Respekt noch etwas bedeuten, beim Fußballschauen regelmäßig befällt. Wie die Besatzungen vieler Trainerbänke bei jedem kritischen Schiedsrichterpfiff aufspringen; wie sie wild gestikulierend aufeinander einbrüllen, manchmal gar handgreiflich werden; wie sie nach Siegen triumphierend in Richtung der Besiegten jubeln und nach Niederlagen die Größe nicht besitzen, dem Sieger aufrichtig zu gratulieren – all das sind Verhaltensweisen, die mit dem, was man Sportsgeist nennt, nichts mehr zu tun haben.
Da werden vor brisanten Fußballspielen pflichtschuldig Appelle zum gewaltfreien Umgang der Fans untereinander heruntergebetet, und dann benehmen sich die Protagonisten so, als könne bald nur noch eine Mauer zwischen den Coachingzonen für einen friedlichen Ablauf sorgen. Ohne Frage: Emotionen gehören zum Sport, zu einem dermaßen geldgetriebenen wie Fußball, wo Trainer von Abertausenden Fans beleidigt und provoziert werden, vielleicht mehr noch als sonstwo. Dennoch sollten Coaches auf höchstem Niveau dem charakterlich gewachsen sein, sie sollten gutes Verhalten vorleben. Das Vorbild, das sie stattdessen liefern, pflanzt sich fort bis in die untersten Ligen. Wer mal bei Jugendspielen am Rand gestanden hat, weiß, was gemeint ist.
Zeitstrafen oder Punktabzug wären sinnvolle Sanktionen
Das Schlimme ist, dass das Fehlverhalten nicht nur eher schlichte Charaktere betrifft, sondern auch Menschen wie Bayerns Thomas Tuchel oder Freiburgs Christian Streich, die man als intelligente Trainerelite in Deutschland bezeichnen darf. Wer oft in anderen Sportarten unterwegs ist, dem fällt dieses schlimme Fußballerverhalten umso deutlicher auf. Was also hilft? Wahrscheinlich nur eine drastische Verschärfung der Sanktionen, zum Beispiel das Einführen einer Zeitstrafe gegen die eigene Mannschaft oder sogar ein Punktabzug für besonders krasse Fälle.
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Vielleicht schlägt aber auch das Karma zurück bei jenen, die es nicht anders lernen. Sollte HSV-Cheftrainer Tim Walter, der häufig nach außen eine unhanseatische Arroganz ausstrahlt, mit erneutem Nichtaufstieg bestraft werden, könnten selbst HSV-Mitglieder wie der Autor dieser Zeilen eine gewisse ausgleichende Gerechtigkeit nicht verhehlen.