Sandhausen. Das Team vom Millerntor hat nach dem 5:0 in Sandhausen nur noch acht Punkte Rückstand auf Platz drei und jagt den HSV.

Jackson Irvine hatte schon so eine Vorahnung gehabt, was am Sonntag auf dem holprigen Rasen im frühlingshaften Sandhausen passieren könnte. „Ich habe schon in der Kabine eine solche Energie gespürt. Die Jungs waren bereit, in diesem schwierigen Auswärtsspiel alles zu geben. Nachdem wir die ersten Kontersituationen überstanden hatten, haben wir das Spiel dominiert“, sagte der australische Nationalspieler des FC St. Pauli.

Das Ergebnis dieser Überlegenheit war denn auch beeindruckend. Als Schiedsrichter Deniz Aytekin fast pünktlich abpfiff, stand ein 5:0 (4:0)-Sieg für St. Pauli auf der Anzeigetafel des Stadions am Hardtwald. Und das war in dieser Höhe auch verdient.

Damit setzt das Team vom Millerntor unter Trainer Fabian Hürzeler seine Rekordjagd unbeirrt fort. Acht Siege stehen seit Rückrundenbeginn nun zu Buche. Eine solche Serie gab es im Profifußball für St. Pauli noch nie.

St. Paulis 5:0 mit der höchste Auswärtssieg

Ganz nebenbei reihte sich das Resultat auch noch in die höchsten Auswärtssiege des Vereins in der Zweiten Liga ein. Ein 5:0 hatte es zuletzt in der Saison 2009/10 bei Alemannia Aachen gegeben. Außerdem steht in der Statistik ein 6:1 bei Rot-Weiß Oberhausen in der Spielzeit 1987/88. Beide Male stiegen die Hamburger in die Bundesliga auf.

Damit ist genau das Thema angesprochen, das spätestens jetzt tatsächlich eines ist. Mit 41 Punkten und nur noch acht Zählern Rückstand auf Platz drei erscheinen Aufstiegshoffnungen nicht mehr so fürchterlich utopisch. Im Gegenteil: Das Momentum spricht für St. Pauli und auch ein immer größeres Selbstbewusstsein sowie Selbstverständnis im Spiel.

Dass jetzt ausgerechnet der HSV auf diesem Relegationsplatz steht, macht die ganze Angelegenheit noch ein bisschen pikanter. Allein an den beiden vergangenen Spieltagen hat St. Pauli fünf Punkte auf den Rivalen gutgemacht. Neun Matches sind noch zu absolvieren, eines davon ist das Stadtderby am 21. April im Volkspark.

Smith gefällt Rolle als HSV-Jäger

„Uns gefällt es, der Jäger zu sein. Natürlich ist es etwas Spezielles, dass es jetzt der HSV ist, den wir jagen. Hoffentlich werden wir sie kriegen“, sagte in einem Anflug von Siegesfreude und Euphorie der zentrale Defensivspieler Eric Smith. „Wenn wir so wie heute spielen, sind wir wirklich schwer zu schlagen“, sagte er weiter treffend und mit einem breiten Lächeln auf den Lippen.

Sein Trainer hingegen verzichtete auf derartige Kampfansagen generell und vor allem in Richtung des Stadtnachbarn. „Wenn die Spieler diese Rolle des Jägers gut finden, ist das okay. Für mich zählt jetzt nur der Test gegen Hannover und das nächste Heimspiel gegen Regensburg. Wir schauen wirklich nur von Spiel zu Spiel. Die ganzen Rechenthematiken überlasse ich anderen“, sagte Hürzeler, der ein weiteres Mal betonte, trotz aller Erfolgsserien „kein Fan von Statistiken“ zu sein.

Nur in einem Punkt hatte er davon eine Ausnahme gemacht. „Ich habe zu Cello (Marcel Hartel, die Red.) vor dem Spiel gesagt, dass er hier in Sandhausen noch nie gewonnen hat. Er sagte daraufhin: Okay, das wird heute geändert“, berichtete der Coach. Gesagt, getan – Hartel trug seinen Teil bei.

Daschner schwärmt von St. Paulis Offensive

„Es war die beste erste Halbzeit von uns in dieser Saison. Es waren viele Torchancen, gut herausgespielte Szenen und ein Standardtor dabei. Alles, was man sich so als Trainer und auch Fan wünscht“, schwärmte Stürmer Lukas Daschner, der selbst nach einem hübschen Zusammenspiel mit dem aufgerückten Smith das 2:0 (24.) erzielt hatte.

„Es hat richtig Spaß gemacht. Wir hatten super Kombinationen dabei und unser Spiel aufgezogen. Immer mit ein, zwei Kontakten haben wir es dem Gegner schwer gemacht, Zugriff zu bekommen“, sagte Daschner, der nun sieben Saisontore aufweist.

Mit ihm gleichgezogen hat derweil Co-Kapitän Irvine, der diesmal nicht per Kopf, sondern erst mit dem linken Fuß zum 4:0 (45.+3) nach einem Freistoß von Leart Paqarada und schließlich mit dem rechten zum 5:0-Endstand (88.) aus kurzer Distanz auf Vorlage des eingewechselten Lars Ritzka traf.

Irvine bedankt sich für perfekte Vorlagen

„Wenn man solche exzellenten Vorlagen bekommt, fällt es auch mir leicht, mit dem Fuß zu treffen“, sagte der Australier nach dem Spiel, ehe er sich zusammen mit Landsmann Connor Metcalfe auf dem Weg zum Frankfurter Flughafen machte, um noch am Abend nach Sydney zu fliegen.

Die Nationalmannschaft ruft. „Es ist gut, dass wir uns jetzt ein bisschen erholen können“, sagte Ir­vine und löste angesichts des Reiseprogramms Verwirrung aus: „Mental frischen wir uns nach diesen acht Spielen jetzt etwas auf, sehen unsere Familie und freuen uns auf die Spiele im Nationalteam.“

Den Torreigen eingeleitet hatte Außenbahnspieler Manolis Saliakas, der ein Sinnbild für den Glauben an die eigene Stärke seit Beginn der Rückrunde ist. Aus gut 20 Metern hatte er auf das Tor geschossen und dabei das Glück, dass Erik Zenga den Ball unhaltbar für Keeper Patrick Drewes zum 1:0 (19.) abfälschte.

St.-Pauli-Gegner Sandhausen sieht Rot

Nach dem 2:0 verging nur eine Minute, bis Oladapo Afolayan seine Freiheiten auf der linken Seite zum 3:0 (25.) nutzte, wobei er Ex-HSV-Profi Dennis Diekmeier wie eine Slalomstange aussehen ließ.

Und Sandhausen zerlegte sich selbst. Alexander Esswein (45.+1) wurde von Spitzenschiedsrichter Deniz Aytekin wegen groben Foulspiels an Afolayan mit Rot des Platzes verwiesen. Doch auch mit elf Mann hätte der SVS gegen diesen HSV-Jäger St. Pauli wohl nichts entgegenzusetzen gehabt.

Die Statistik

  • SV Sandhausen: Drewes – Diekmeier, Zhirov, Höhn, Okoroji – Zenga (27. Mehlem) – Esswein, D. Kinsombi, C. Kinsombi (46. Sicker) – Al Ghaddioui (46. Pulkrab), Kutucu (65. Dumic).
  • FC St. Pauli: Vasilj –Medic, Smith, Mets – Saliakas (81. Dzwigala), Irvine, Hartel, Paqarada (81. Ritzka) - Metcalfe (62. J. Eggestein), Daschner (73. Maurides), Afolayan (73. Fazliji).
  • Tore: 0:1 Saliakas (19.), 0:2 Daschner (24.), 0:3 Afolayan (25.). 0:4 Irvine (45.+3), 0:5 Irvine (88.).
  • Schiedsrichter: Aytekin (Nürnberg).
  • Zuschauer: 7642.
  • Gelb: Kutucu (4), Höhn (4).
  • Rot: Esswein (45.+1 wegen groben Foulspiels).
  • Torschüsse: 5:15; Ecken: 3:9; Ballbesitz: 29:71 Prozent; Laufleistung: 107:118 Kilo­meter.