Hamburg. Der Kiezclub zeigte beim 1:0 gegen den Erzrivalen alte Kiezclub-Tugenden und sorgte für einen schönen Geburtstag für Fabian Hürzeler.

Sein 30. Geburtstag wird Schmerzen für Fabian Hürzeler nach sich ziehen. So viel stand am Sonntagnachmittag bereits fest. Inwiefern der Cheftrainer des FC St. Pauli, der am Abend Freunde und Familie zum Feiern eingeladen hatte, an diesem Montagmorgen unter Kopfschmerzen leidet, bleibt abzuwarten.

FC St. Pauli: Besonderers Geschenk für Trainer Hürzeler

Wie sehr er während der 90 Minuten plus Nachspielzeit beim 1:0 (1:0)-Heimerfolg seines Teams gegen den Erzrivalen Hansa Rostock litt, verriet sein müdes Gesicht. Und die Qualen des jüngsten Trainers im deutschen Profifußball sind damit nicht ausgestanden. Der Pay-TV-Sender „Sky“ hatte Hürzeler, dessen Arme großflächig mit Tinte verziert sind, als Geschenk einen Gutschein für die älteste Tätowierstube in Deutschland am Hamburger Berg überreicht.

Die Einzelkritik zum Sieg gegen Rostock:

Sobald sich der auch in seinem fünften Pflichtspiel siegreiche Coach unter die Nadel begibt, bieten sich Motive zweier seiner Akteure aus dem Rostock-Spiel an, die für sich betrachtet bereits als Körperkunst durchgehen und maßgeblich für den Triumph der nun besten Rückrundenmannschaft der Zweiten Liga waren.

Kunstwerk eins: der schwebende Jackson Irvine. In der Luft stehend nickte der Kapitän mit dem markanten Schnäuzer nach optimaler Flanke des erneut überzeugenden Oladapo Afolayan zum Tor des Tages ein (26.). „Ich habe eben irgendwo die Bezeichnung ,Airvine‘ für ihn gehört. Die finde ich ziemlich zutreffend“, sagte Hürzeler später, was insofern amüsant ist, dass der seit Monaten für den Australier geläufige Spitzname nun erst zu seinem Chef durchgedrungen – und passender denn je ist.

Irvine bewiest einmal mehr seine Kopfballstärke

Denn Irvine ist mit seinem fünften Saisontor, dem fünften per Kopf, neben dem fast in Vergessenheit geratenen Stürmer Johannes Eggestein nun teamintern der treffsicherste Akteur. „Ich bin sicher, wenn ihr in den Archiven nachseht, findet ihr auch noch ein Tor von mir per Fuß“, scherzte der 29-Jährige.

Ehe er ganz ernst wurde und Sätze formulierte, die als Warnung an die Konkurrenz zu verstehen sind. „Wir haben uns heute gut durchgekämpft, können ab und an aber noch präziser sein. Es schadet jedoch gar nicht, dass wir noch Luft nach oben besitzen. Denn wir bleiben hungrig, weiter in der Tabelle zu klettern, schauen gar nicht von Spiel zu Spiel, sondern von Platz zu dem Platz, den wir erobern wollen“, sagte der Abräumer, nachdem der siebte Rang von Holstein Kiel erobert worden war. Dann humpelte er, ganz Hürzeler-like, mit schmerzverzerrtem Gesicht und übersäuerter Muskulatur davon.

Geburtstagskind Hürzler fand bei St. Pauli auch kritische Worte

Tattoo-Fan Irvine lieferte zudem auch den Tipp für das zweite Motiv auf Hürzelers Haut: den „Weltklasse“-Vasilj (siehe Artikel unten) bei seiner Rettungstat gegen John Verhoek (78.).

Aber die Kiezkicker mussten nicht nur Schmerzen überstehen, sie konnten – und können vor allem zunehmend – auch austeilen. Die harte Gangart der Rostocker, die immer wieder provozierten, nahmen die Hamburger an und gingen selbst bissig in die Zweikämpfe. „Wir sind auf einem guten Weg, selber die Intensität anzunehmen und auch zu suchen. Auch dadurch hat man als Defensivspieler nicht das Gefühl, dass wir viel zulassen. So macht sogar Abwehrarbeit wieder Spaß“, sagte Leart Paqarada.

Sah sein Übungsleiter ähnlich und lobte, „dass wir in der zweiten Halbzeit nur einen Torschuss zugelassen haben“. Was ihn schmerzte, war die „Art und Weise“, wie der Geburtstagssieg teilweise eingefahren werden musste. Es war kein stringent starker Auftritt von St. Pauli, das exakt ein Jahr zuvor letztmalig einen Spieltag als Zweitligatabellenführer abgeschlossen hatte.

St. Pauli kann jetzt auch schmutzige Siege einfahren

Zu Beginn gab es Schwierigkeiten mit dem Rostocker Pressing, während einer dominanten Phase bis zur Halbzeit vergab Lukas Daschner zwei Hochkaräter, kurz vor der Pause waren Glück und Vasilj nötig, um den Ausgleich zu verhindern. Nach dem Seitenwechsel waren die Entlastungsangriffe dann rar gesät. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass Hansa kaum in der Lage war, Nadelstiche zu setzen, und spielerisch die eindeutig unterlegene Mannschaft war.

Und so kann Irvines Kletterpartie durchaus eine realistische Chance eingeräumt werden. St. Pauli kann’s souverän, St. Pauli kann’s aber auch schmutzig. Von Emotionen ließen sich die Hamburger nur positiv beeinflussen, aber nie übermannen. „Es war intern bei uns vorher Thema in der Kabine, welche Bedeutung dieses Spiel auch für die Fans hat. Nach dem verkorksten Hinspiel hatten wir auch etwas gut zu machen“, sagte Paqarada. Das erste Aufeinandertreffen im Herbst im Ostseestadion endete mit 0:2. Es war die wohl bisher schwächste Leistung St. Paulis in dieser Saison.

Das tat damals sehr weh, weil die Chancenlosigkeit eklatant war. Nun schmerzte dieser 30. Geburtstag von Hürzeler aber noch jemand anderen so richtig. Ausgerechnet beim Erzrivalen verloren, wurden die Rostocker Fans, die sich in der Halbzeit in orangefarbene, auf links gedrehte – eine bemerkenswerte Ironie – Bomber­jacken gehüllt und Knallkörper nebst bengalischen Feuern gezündet hatten, auch noch von Afolayan aufs Korn genommen, der sagte: „Ich finde es sehr nett von ihnen, dass sie zum Geburtstag unseres Trainers ein Feuerwerk gezündet haben.“ Autsch.

Schema:

  • FC St. Pauli: Vasilj – Medic, Smith, Mets – Saliakas, Irvine, Hartel, Paqarada – Metcalfe (55. Otto), Daschner (90.+1 Fazliji), Afolayan (82. Maurides).
  • Hansa Rostock: Kolke – Malone (46. Ingelsson), van Drongelen, Roßbach – Ananou (86. Munsy), Fröde (46. Rhein), Dressel, Schumacher – Pröger (73. Pröger), Duljevic (46. Fröling) – Verhoek.
  • Tor: 1:0 Irvine (26.).
  • Schiedsrichter: Brand (Unterspiesheim).
  • Zuschauer: 29.205 (ausverkauft).
  • Gelbe Karten: Mets (1), Saliakas (6) – Schumacher (7), Verhoek (5), Dressel (4), Ingelsson (10), van Drongelen (3).
  • Statistiken: Torschüsse: 16:10, Ecken: 4:4, Ballbesitz: 49:51 Prozent, Zweikämpfe: 116:111.