Hamburg. Das Millerntor soll auch gegen die Rostocker eine Festung bleiben. Warum sich auch die Hamburger Polizei wehrhaft gibt.
„Niemand siegt am Millerntor!“ ist ein besonders beliebter Choral der Fans des FC St. Pauli. Lautstark schallt der Gesang durch die Arena, wenn sich sicher andeutet, dass wieder ein Gegner die Punkte auf dem Kiez lässt. In bislang zehn Heimspielen dieser Saison ist St. Pauli ungeschlagen, hat mit nur sechs Gegentoren die wenigsten aller Clubs auf eigenem Rasen kassiert. So erfolgreich soll es auch im Heimspiel am Sonntag (13.30 Uhr/Sky) gegen Hansa Rostock bleiben.
„Die Fans sind ein wichtiger Faktor. Die Unterstützung ist schon ein Mehrwert hier“, sagt Cheftrainer Fabian Hürzeler. Die Brust ist breiter, die Bereitschaft in kritischen Situationen größer. „Das ist aber auch zu Hause eine Menge Arbeit, das Vertrauen brauchen die Spieler auch“, sagt Hürzeler, „deshalb sind wir froh, dass es so ist.“ Die Festung Millerntor ist die Basis für den Erfolg der Kiezkicker.
Provokationen? Hamburger Polizei mit verstärkten Kräften dabei
Apropos Festung: Auch die Hamburger Polizei gibt sich wehrhaft und abwehrbereit, sie stellt sich darauf ein, mit verstärkten Kräften die Fans beider Seiten zu trennen. Es gibt einen Stadtplan mit einem roten Bereich, der für Rostocker tabu ist und im Wesentlichen das Heiligengeistfeld, das Stadion mit Ausnahme des Gästeblocks im Norden sowie den Bereich südlich der Budapester Straße umfasst. Vom U-Bahnhof Feldstraße ist das Heiligengeistfeld bis zur Höhe der Nordtribüne grüner Bereich, der für die Gäste vorgesehen ist. St.-Pauli-Fans sollten es vermeiden, an der Station Feldstraße auszusteigen, wenn sie mit der U-Bahn kommen. „Die Fantrennung ist das A und O“, sagt Hamburgs Polizeisprecherin Sandra Levgrün: „Nur dann sind wir in der Lage, vor allem die Sicherheit unbeteiligter Dritter zu gewährleisten.“
Das angespannte Verhältnis – um es freundlich auszudrücken – zwischen vielen Anhängern von Hansa und St. Pauli ist über die Jahre durch zahlreiche Zwischenfälle immer wieder eskaliert. Für die Hansa-Ultras ist es „das wichtigste Spiel des Jahres“. Provokationen sind normal, diesmal haben die Mecklenburger die Mitfahrer in einem Sonderzug aufgerufen, „alle in Bomberjacken“ zu kommen, einem alten Symbol von Neonazis.
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Zum ersten Mal seit 2009 hat Hansa sein Gästekontingent ausgeschöpft, knapp 2600 Tickets wurden verkauft, die Partie gilt als Sicherheitsspiel. Alkohol im Stadion gibt es also nicht, die Ordnungskräfte wurden verstärkt, und die Hamburger Polizei wird durch Hundertschaften aus Schleswig-Holstein, Berlin und der Bundespolizei unterstützt. „Dass das Spiel für die Fans etwas Besonderes ist, das ist jedem Spieler bewusst. Das, was drum herum ist, das werden aber andere regeln“, sagt Hürzeler, „wir Trainer und die Mannschaft tun gut daran, uns auf das Sportliche zu konzentrieren, weil wir da genug Aufgaben vor uns haben.“
Trainer Hürzeler lobt Hansa Rostock für unglaubliche Kompaktheit
Nämlich weiterhin unbedingt abwehrbereit gegenüber gegnerischen Angreifern zu sein. Ob die zuletzt angeschlagenen Eric Smith (Adduktoren) und Afeez Aremu (Schlag auf die Achillessehne) dabei helfen können, wird sich erst an diesem Sonnabend nach den beiden finalen Trainingseinheiten entscheiden. Nach vier Siegen in Hürzelers ersten vier Spielen als Chef an der Seitenlinie scheint die größte Abstiegsgefahr gebannt, und insgeheim wächst die Einschätzung, dass nach einem weiteren Erfolg nun gegen den FC Hansa wohl nichts mehr nach unten passieren kann.
Hürzeler weiß jedoch genau, dass bei seiner Erfolgsserie längst nicht alles perfekt war, sondern auch das Spielglück dazu beigetragen hat, das in der Hinrunde viel zu oft gefehlt hatte. „Wir schauen immer, an welchen Stellschrauben wir drehen müssen“, sagt Deutschlands jüngster Profitrainer, der am Spieltag seinen 30. Geburtstag feiert: „Bei mir tritt keine Gelassenheit ein.“
Er lobt Hansa für deren „unglaubliche Kompaktheit“, das schnelle Umschalten nach Ballgewinn und die „intensiven Zweikämpfe“. Es wird also keinen Hurra-Fußball geben, sondern ein vorsichtiges Lauern auf die Chancen: „Wir müssen versuchen, das Spiel kontrolliert aufzuziehen, dürfen nicht ungeduldig werden.“
Rostocks Trainer Glöckner fordert „Leidenschaft, Kampf und Mentalität“
Sein Rostocker Kollege Patrick Glöckner war 2017 ein halbes Jahr als Co-Trainer von Olaf Janßen am Millerntor tätig, er weiß deshalb, dass „die volle Wucht des Stadions“ auf seine Mannschaft zukommt. „Es geht um Leidenschaft, Kampf und Mentalität“, sagt er, „am Ende geht es darum, wer den größeren Willen hat, sein Spiel durchzudrücken.“
Das wird im übertragenen Sinn auch außerhalb des Stadions gelten. Um 9.38 Uhr kommt der Zug aus Rostock am Hauptbahnhof an. Dort stehen zwei S-Bahn-Züge bereit, um Hansa-Fans zu den Landungsbrücken zu fahren, von wo aus sie einen begleiteten Marsch über die Glacischaussee zum Stadion antreten können – wenn sie wollen. Wenn dort jedoch eine verfassungsfeindliche politische Gesinnung zum Ausdruck gebracht wird, wird der Marsch gestoppt und aufgelöst. Vier Juristen sollen das in „Echtzeit“ bewerten. Für die polizeilichen Abwehrkräfte gilt also sozusagen das Motto: Niemand hetzt am Millerntor.