Benidorm. St. Paulis neuer Trainer möchte kurzfristig Spieler abgeben und plant schon jetzt ohne einen, der zu Saisonbeginn noch erste Wahl war.
Franz Roggow hatte gerade mit einem Schuss genau in den linken Torwinkel getroffen, als Fabian Hürzeler am Montagmittag um 12.01 Uhr mit einem Ruf die neunte und damit letzte Übungseinheit des FC St. Pauli im Trainingslager in Benidorm an der Costa Blanca beendete. Zusammenpacken, Mittagessen und ab in den Bus zum Flughafen in Alicante hieß es danach für den Tross, um per Chartermaschine gemeinsam mit dem Bundesligateam von Werder Bremen wieder gen Heimat zu fliegen.
Zuvor hatte Hürzeler in einer Abschlussrunde mit den mitgereisten Medienvertretern Bilanz seines ersten Trainingslagers als Cheftrainer eines Profiteams gezogen und sich zu den aktuell brennendsten Fragen rund um seine Mannschaft geäußert.
„Die Bedingungen waren top, das Wetter war top, das Hotel war top, das Essen war gut. Ich fand den Platz sehr gut und sehr belastbar“, fasste er zusammen und fand auch für seine Spieler lobende Worte: „Kompliment, wie sie mitgezogen haben. Es war eine intensive Woche. Ich habe ein positives Klima im ganzen Team gespürt.“
FC St. Pauli: Viele Startelfpositionen sind noch offen
Neben den Einheiten und dem Testspiel gegen den FC Lugano (7:2) auf dem Trainingsplatz, der zur Hotelanlage Melia Villaitana gehört, nahmen Hürzeler und sein Trainerteam die Profis auch noch mit etlichen Video- und Theoriesitzungen in Anspruch. „Die Jungs haben es aufgenommen, haben nachgefragt und versucht, das umzusetzen“, sagte er weiter.
Knapp drei Wochen vor dem Wiederbeginn der Zweiten Liga und dem ersten Rückrundenspiel beim 1. FC Nürnberg am 29. Januar (13.30 Uhr) ist auf vielen Positionen noch offen, wer dort in der Startelf stehen wird. Der Kampf um die Plätze ist in vollem Gange, entsprechend haben die meisten Spieler noch große Hoffnungen, dass sie am Ende zu den Auserwählten zählen.
Klar ist aber auch schon jetzt, dass es Frustrierte geben wird. Gegen Lugano setzte Hürzeler 24 verschiedene Spieler ein, dabei fehlten noch der neu verpflichtete Innenverteidiger Karol Mets, Außenverteidiger Luca Zander, der zuvor angeschlagene Stürmer Etienne Amenyido und auch der bisherige Stammtorwart Nikola Vasilj.
St. Paulis neuer Trainer Hürzeler will Kader verkleinern
Angesichts dieser Fakten ist nicht überraschend, dass Trainer Hürzeler klar feststellt: „Im Moment ist der Kader zu groß für unsere Verhältnisse. Wir planen schon, den einen oder anderen abzugeben. Wir müssen sehen, ob Spieler unzufrieden sind mit ihrer Situation und wie sich das in den nächsten Tagen entwickelt.“ Genau 31 Akteure umfasst derzeit der gesamte Profi-Kader.
Konkrete Namen, die für einen vorzeitigen oder eventuell auch nur zwischenzeitlichen Abschied in Betracht kommen, wollte Hürzeler nicht nennen. „Ich bin kein Trainer, der irgendwen vom Hof scheucht. Wir versuchen, den Kader so bestmöglich zusammenzustellen, dass wir der Meinung sind, den größtmöglichen Erfolg zu haben“, formulierte er bemüht diplomatisch.
Dennis Smarsch rutscht in St. Paulis Torwarthierarchie weit ab
Klar zu erkennen ist aber, dass Torwart Dennis Smarsch in seinen Planungen für die Rückrunde gar keine Rolle mehr spielt. Obwohl Nikola Vasilj fehlte, saß Smarsch gegen Lugano durchgehend nur auf der Bank, während Sascha Buchert 90 und Sören Ahlers 30 Minuten zwischen den Pfosten standen. Hürzeler erläuterte im Fazit-Gespräch: „Wir hatten geplant, dass Niko und Sascha je 60 Minuten spielen. Da Niko abgereist ist, wollten wir, dass Sascha 90 Minuten bekommt und Sören 30.“
Zudem kündigte er an, dass Vasilj am kommenden Sonnabend (14 Uhr) im Test bei Borussia Mönchengladbach das komplette Spiel bestreitet. „Für die letzten 30 Minuten gegen Lugano hatten wir die Wahl zwischen Sören und Dennis, da haben wir uns für Sören entschieden. Ich bin froh, vier Torhüter zu haben. Aber es kann nicht jeder spielen“, sagte Hürzeler weiter. Für Smarsch, der zu Saisonbeginn nach dem Fingerbruch von Vasilj sogar noch erste Wahl war, ist diese Entwicklung ein maximaler Rückschlag.
Mehrere St.-Pauli-Profis kommen für Leihe in Betracht
Im Kreise der Feldspieler wird es schon schwieriger, Kandidaten für einen Abschied ausfindig zu machen. Nach der Verpflichtung von Mittelstürmer Maurides Roque Junior dürften sich die Einsatzzeiten für David Otto und Igor Matanovic auf Sicht noch weiter reduzieren. Im Mittelfeld könnte Carlo Boukhalfa ein Anwärter sein, der andernorts auf mehr Spielpraxis hoffen darf. Und in der Abwehr käme womöglich Marcel Beifus für ein halbjähriges Leihgeschäft in Betracht.
Die Eigengewächse Jannes Wieckhoff, Niklas Jessen, Lennart Appe und Roggow werden unterdessen, wenn sie nicht bei den Profis zum Zuge kommen, in der U-23-Mannschaft benötigt, um den Abstieg aus der Regionalliga zu verhindern. Auf jeden Fall kommt auf Sportchef Andreas Bornemann in den kommenden Tagen die Aufgabe zu, mit passenden Alternativarbeitgebern für die entsprechenden Spieler handelseinig zu werden.
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Seit der Verpflichtung von Co-Trainer Peter Nemeth („seine Akribie ist unfassbar gut“) vor zwei Wochen kann Fabian Hürzeler die Cheftrainerrolle nun auch so umsetzen, wie er sich das vorstellt. „Ich gehe jetzt mehr in die Beobachtungsrolle. Das hat viele Vorteile. In der Rolle ist es weniger emotional, es ist viel inhaltlicher und sachlicher. Dadurch kann ich auch Peter ein Feedback geben“, beschreibt Hürzeler die Veränderung gegenüber seinem bisherigen Job als Co-Trainer. „Wenn mir etwas auffällt, gehe ich aber auch richtig rein. Grundsätzlich werde ich immer derselbe leidenschaftliche Trainer sein. Ich werde mich nicht verändern, das kann ich auch gar nicht“, sagt er. Seinem Team hat er nach dem Trainingslager für diesen Dienstag freigegeben, ehe es am Mittwoch wieder auf dem Rasen an der heimischen Kollaustraße sportlich zur Sache geht.