Benidorm. Der Stürmer des Kiezclubs erlebte in der Hinrunde eine persönliche Achterbahnfahrt. Neuer Innenverteidiger vor Unterschrift.

Frisch geduscht und mit einem freundlichen Lächeln kommt Johannes Eggestein am Mittwochmittag zum Gespräch mit dem Abendblatt. Von Erschöpfung nach der intensiven Vormittagseinheit, die mit einem Spiel drei gegen drei auf große Tore abgeschlossen wurde, lässt sich der Stürmer des FC St. Pauli nichts anmerken, bestätigt aber: „Das ging schon gut zur Sache.“ Dennoch sollte am dritten Tag des Trainingslagers in Benidorm (Spanien) am Nachmittag noch eine weitere Einheit auf dem Platz folgen.

Das große Ziel, sich aus der bedrohlichen Situation als Tabellen-15. nach dem Wiederbeginn der Zweiten Liga am letzten Januar-Wochenende möglichst schnell zu befreien, steht über allem und erfordert in der Vorbereitungsphase eben einen weit überdurchschnittlichen Aufwand, der auch mal schmerzhaft sein kann.

FC St. Pauli: Eggestein konnte die hohen Erwartungen noch nicht erfüllen

Der 24 Jahre alte Eggestein war vor einem halben Jahr als prominentester Sommerzugang zum Kiezclub gekommen, entsprechend hoch waren die Erwartungen an den langjährigen Spieler von Werder Bremen, der schon 46 Spiele in der Bundesliga vorzuweisen hat. Sein erstes Halbjahr bei St. Pauli verlief jedoch wie eine Achterbahnfahrt. „Meine Hinserie spiegelt so ein bisschen die Mannschaftsleistung wider. Am Anfang haben wir gut gespielt, dadurch kamen auch die Offensivspieler zu mehr Aktionen vorne“, erinnert er sich.

Dies führte für Eggestein selbst zu seinem ersten Treffer für St. Pauli in Hannover und zu einem Doppelpack gegen den 1. FC Magdeburg. „Dann kam eine Phase, in der wir als Mannschaft Probleme hatten und die Euphorie vom Anfang weg war. Wir haben es nicht geschafft, das wieder hinzubekommen, haben viel unentschieden gespielt und sind nicht recht vom Fleck gekommen, sondern eher immer weiter ein Stück heruntergerutscht sind“, stellt er fest.

Dies ging einher mit einer zunehmenden persönlichen Formschwäche. „Es war eine Zwischenzeit von fünf, sechs Spielen, in denen ich eine Pause brauchte, weil ich in der vergangenen Saison in Antwerpen nur wenig Spielanteile hatte. Ich kann zugeben, dass es nach den zehn Startelfeinsätzen in Folge zu Beginn ein bisschen ermüdend war für mich“, sagt er in einer erfrischenden Offenheit.

Dass in die angesprochene Pause, die Trainer Timo Schultz ihm danach verordnete, ausgerechnet der 3:0-Derbysieg gegen den HSV fiel, war für den ehemaligen Werderaner besonders ärgerlich. „Ich habe es aber auch von draußen genossen“, sagt er über seine 90-minütige Zuschauerrolle auf der Ersatzbank, freut sich aber auch schon auf das Rückspiel im April.

Eggestein ist St. Paulis erfolgreichster Torschütze in der Hinrunde

Am Ende konnte Eggestein im letzten Spiel der Hinrunde mit zwei Treffern und einer Torvorlage beim 4:4 in Karlsruhe seinem Team immerhin entscheidend zu einem Punkt verhelfen und seine persönliche Halbzeitbilanz auf fünf Tore ausbauen

Damit ist er teamintern Spitzenreiter, was aber vor allem ein Beleg dafür ist, dass die St.-Pauli-Mannschaft keinen echten Torjäger hat. Dass nicht einmal die vier Treffer beim KSC zu einem Sieg auf fremdem Platz reichten, wurmt Eggestein noch heute und war wohl der letzte Tropfen, der zur Ablösung von Schultz führte.

„Als Spieler hat man so ein Gefühl, dass es vielleicht zum Trainerwechsel kommen kann. Von daher hat es mich nicht so sehr überrascht, dass es so gekommen ist, nur der Zeitpunkt. Ich dachte, es kommt, wenn überhaupt, eher schneller nach dem letzten Hinrundenspiel“, erzählt Eggestein über seine Gedanken rund um die Ablösung von Schultz, dem er ausdrücklich attestiert „in den vergangenen Jahren sehr gute Arbeit geleistet zu haben.“ Letztlich aber gebe die aktuelle Situation meist mehr Ausschlag als die Vergangenheit.

Eggestein hat neue interne Konkurrenz beim FC St. Pauli

Von Nachfolger Fabian Hürzeler erwartet Eggestein jetzt einen neuen Impuls. „Er hatte schon bisher seinen Anteil an den Dingen, die gut gelaufen sind, vor allem im taktischen Bereich“, sagt er über den bisherigen Co-Trainer und begrüßt die Tatsache, dass so ein Stück Kontinuität gewahrt wurde. „Ich finde es sehr spannend, mit so einem jungen Trainer zu arbeiten. Bisher läuft es gut.“ Dabei hat Eggestein festgestellt, dass Hürzeler seit seiner Berufung zum Cheftrainer etwas mehr Abstand zu den Spielern hält als in seiner vorherigen Position. „Auf dem Platz wird er jetzt etwas lauter, wenn ihm etwas nicht gefällt.“

Ganz neu ist hingegen auch für Eggestein der Ende Dezember zum Team gestoßene Mittelstürmer Maurides Roque Junior (28). Der bullige 1,88-Meter-Mann erhöht zweifellos die Konkurrenzsituation im Angriff, könnte aber gerade für Eggestein ein geeigneter Sturmpartner sein, der in dieser Form bisher gefehlt hat. „Ich denke, seine Robustheit und Kopfballstärke brauchen wir auch. Mit der Zeit wird er sich auch unserem System noch besser anpassen. Wir beide hatten aber auch schon die eine oder andere gute Kombination“, berichtet er und hofft, dass er selbst von Maurides profitieren kann: „Ich mag es ja, um einen zentralen Stürmer herumzuspielen und meine Freiräume zu suchen.“

FC St. Pauli vor Verpflichtung von neuem Innenverteidiger

Angesichts der neuen Optionen im Sturm durch Maurides aber auch den flinken Elias Saad ist Eggestein optimistisch, dass sich das Team alsbald aus der Abstiegsgefahr befreien kann. „Zudem ist extrem viel Zug im Training. Wir alle haben richtig Bock, aber haben ja auch etwas gutzumachen. Wir Spieler stehen auch in der Verantwortung, es lag ja nicht nur an einer Person. Wir tragen eine Mitschuld“, gibt er ehrlich zu.

Unterdessen steht der FC St. Pauli nach Abendblatt-Informationen vor der Verpflichtung eines neuen Innenverteidigers. Dieser soll bereits am Mittwoch seinen Medizincheck in Hamburg absolviert haben und schnellstmöglich ins Trainingslager nachreisen. Der FC St. Pauli reagiert damit auf die Schambeinentzündung von David Nemeth, der in Benidorm nur leichte Läufe absolviert. Ein Comeback ist für den Österreicher nicht absehbar.

Außenverteidiger Luca Zander konnte nach überwundenem Magen-Darm-Infekt wieder auf dem Radergometer trainieren. Darauf beschränkte sich auch Stürmer Etienne Amenyido wegen muskulärer Probleme.