Benidorm. Die Hamburger zeigten in den 120 gespielten Minuten eine starke Leistung gegen den Schweizer Erstligisten. Zwei Profis trafen doppelt.

Es waren hochrangige und aufmerksame Beobachter, die am Sonnabendnachmittag den 7:2 (5:2)-Testspielsieg des FC St. Pauli unter dem am 23. Dezember offiziell zum Cheftrainer ernannten Fabian Hürzeler (29) in Benidorm gegen den Schweizer Pokalsieger und Erstligavierten FC Lugano verfolgten. St. Paulis Präsident Oke Göttlich stand ebenso am Spielfeldrand des Trainingsplatzes in Spanien wie die Aufsichtsratsmitglieder Inga Schlegel und Philipp Niebuhr sowie Bernd von Geldern, Geschäftsleiter Wirtschaft, und Vermarktungschef Martin Geisthardt mit einigen Vertretern der wichtigsten Sponsoren.

FC St. Pauli: Lugano mit harter Zweikampfführung

Sie alle sahen in dem auf 120 Minuten angesetzten Match einen nicht nur ungewöhnlich hohen Erfolg gegen einen individuell durchaus gut besetzten Gegner, sondern vor allem eine beherzt und engagiert auftretende St.-Pauli-Mannschaft, in der unter den 24 eingesetzten Spielern kein einziger krass abfiel.

Dass Hürzeler nach seinem ersten Spiel in offizieller Cheftrainerfunktion nach diesem Kantersieg nicht in Euphorie ausbrach, hatte durchaus triftige Gründe. „Ich bin vor allem dann begeistert, wenn wir hinten zu null spielen. Wir hatten eine Phase im Spiel, in der wir es nicht geschafft haben, über unsere defensive Stabilität Sicherheit zu gewinnen. Da sind wir wild und passiv geworden“, kritisierte er mit Recht das Geschehen rund um den Spielabschnitt, in dem der Gegner aus dem Tessin innerhalb von nur sechs Minuten zu seinen beiden Treffern kam. Ähnliche Muster hatte die St.-Pauli-Mannschaft mehrmals in der so unbefriedigenden Zweitliga-Hinrunde gezeigt und sich so um mögliche Siege gebracht – etwa beim 2:2 in Fürth und auch zuletzt beim 4:4 in Karlsruhe.

Diesmal waren die beiden Gegentreffer ein hilfreiches Warnsignal mit Hallowach-effekt, richteten aber keinen größeren Schaden an, weil die Kiezkicker schon in den ersten 24 Minuten vier Treffer erzielt und eine zuletzt so oft vermisste Konsequenz und Effektivität in der Offensive an den Tag gelegt hatten.

St. Pauli: Trainer Hürzeler gefällt Wille der Mannschaft

Insgesamt aber fand Hürzeler lobende Worte für die Leistung in dem von ihm zum „Härtetest“ erklärten Spiel. „Mir hat der Wille der Mannschaft gefallen. Die Spieler haben auch in der letzten Minute umgeschaltet und sind im Sprint wieder hinter den Ball gekommen. Das ist für mich das Wichtigste. Zudem haben wir die Dinge, die wir im Training geübt haben, gut bis sehr gut umgesetzt“, sagte er.

Auffällig ist, dass der neue Cheftrainer das Team insgesamt etwas defensiver ausrichtet, ballführende Spieler des Gegners durch noch konsequenteres und kollektives Anlaufen zu Fehlern und Ballverlusten zwingen und so ein schnelles Umschalten ermöglichen will. „Es muss die Botschaft an die Mannschaft sein, dass wir auch so Torchancen kreieren können und nicht nur aus einer Ballbesitzphase heraus“, sagte Hürzeler dazu.

Besonders profilierten sich die Doppeltorschützen Lukas Daschner und Adam Dźwigała, die beide in der aktuellen Kon­stellation keine unumstrittenen Stammspieler sind. Vor allem der Pole Dźwigała hat durch die Verpflichtung des Esten Karol Mets, der noch nicht eingesetzt wurde, und die Rückkehr von Jakov Medić nach auskurierter Schulterverletzung erhebliche Konkurrenz bekommen. Seine defensiv stabile Leistung und seine beiden erfolgreichen Torschüsse von der Strafraumgrenze waren aber ein Statement dafür, dass er den Kampf im internen Wettbewerb angenommen hat.

Daschner wiederum brachte die gegnerische Abwehr durch seine manchmal in­stinktiven und unberechenbaren Bewegungen mehrmals in Verlegenheit und holte so auch noch den Strafstoß heraus, der im Nachschuss von David Otto zum zwischenzeitlichen 3:0 führte.

Verlierer des Trainingslagers ist Stürmer Amenyido

Ein Verlierer des Trainingslagers ist unterdessen Stürmer Etienne Amenyido, der wegen muskulärer Probleme einige Trainingseinheiten verpasste und im Test gegen Lugano nicht eingesetzt wurde, um kein Risiko einzugehen.

Er wird in den drei verbleibenden Wochen bis zum ersten Zweitliga-Rückrundenspiel am 29. Januar beim 1. FC Nürnberg um einen Platz im Team kämpfen müssen. Noch schwieriger dürfte es Torwart Dennis Smarsch haben, der gegen Lugano nicht eine Spielminute erhielt, obwohl der bisherige Stammkeeper Nikola Vasilj wegen eines familiären Trauerfalles bereits aus Benidorm abgereist war.

FC St. Pauli: Burchert zeigt starke Paraden gegen FC Lugano

Stattdessen hütete Sascha Burchert 90 Minuten lang das St.-Pauli-Tor und zeigte einige starke Paraden in Eins-gegen-eins-Situationen, ehe er für die finale halbe Stunde von Sören Ahlers, der bisherigen Nummer vier, abgelöst wurde. Alles deutet derzeit darauf hin, dass Smarsch in den Planungen für die Rückrunde keine Rolle mehr spielt, während sich der immer wieder laut von hinten coachende Burchert zunehmend profiliert, nach Abendblatt-Informationen aber die Nummer zwei hinter Vasilj bleibt.

Unabhängig vom hohen Testspielsieg hatte Trainer Hürzeler seinen Spielern für Sonntag freigegeben. Viele nutzten dies, um zum Beispiel beim Padeltennis ähnlich viel Freude wie am Vortag beim 7:2-Sieg gegen Lugano zu haben. Von einer organisierten Teambuildingmaßnahme hielt Fabian Hürzeler nicht viel. „Das muss von den Spielern selbst kommen“, sagte er dazu. Schließlich gibt er ihnen sonst schon genug Vorgaben mit auf den Weg.

Schema:

  • FC St. Pauli, 1. Halbzeit: Burchert – Saliakas, Dzwigala, Smith, Beifus, Ritzka – Aremu, Hartel – Metcalfe, Otto, Daschner. 2. Halbzeit: Burchert (91. Ahlers) – Wieckhoff, Medic (91. Roggow), Appe, Fazliji, Paqarada – Boukhalfa, Irvine (106. Medic) – Eggestein, Maurides (91. Matanovic), Saad.
  • Tore: 1:0 Dzwigala (10.), 2:0 Daschner (11.), 3:0 Otto (20.), 4:0 Daschner (24.), 4:1 Aliseda (43.), 4:2 Arigoni (49.), 5:2 Dzwigala (58.), 6:2 Eggestein (69.), 7:2 Roggow (120.).