Hamburg. Nach vier Amtszeiten scheidet der 64-Jährige aus dem Kontrollgremium aus. Welche Entlassung ihm besonders wehgetan hat.
Es ist an diesem Dienstag gerade einmal zehn Tage her, dass Roger Hasenbein nicht mehr Aufsichtsratsmitglied des FC St. Pauli ist. Nach 15 Jahren ist damit eine Ära zu Ende gegangen, nach vier Amtsperioden hatte sich der 64-Jährige nicht mehr zur Wahl stellen dürfen. So sieht es die Satzung des mitgliedergeführten Vereins vor.
Hasenbein selbst, der zuvor schon acht Jahre Fansprecher im Verein war, brauchte eine gewisse Zeit, um diese schwerwiegende Veränderung auch seines Lebens zu realisieren, wie er im Abendblatt-Podcast Millerntalk verrät, bei dem er jetzt in der letzten Ausgabe dieses Jahres zu Gast war. „Es war schon ein bisschen komisch, im Auditorium zu sitzen und nicht selbst an Mikro zu gehen“, beschreibt er die Stunde auf der Mitgliederversammlung am 17. Dezember, in der sich die vier Kandidatinnen und neun Kandidaten auf der Bühne vorstellten. „Final realisiert habe ich das Ganze, als die Ergebnisse der Wahl vorgelesen wurden und mein Name nicht mehr gefallen ist“, sagt er.
FC St. Pauli: Zeit im Aufsichtsrat war eine prägende Zeit für Hasenbein
Emotional auf den Einschnitt vorbereiten habe er sich in den Tagen vor der Versammlung nicht können. Zu sehr war diese Phase auch im Aufsichtsrat von der Spannung geprägt, wie die Mitglieder auf die Freistellung von Cheftrainer Timo Schultz reagieren würden und ob die Lage eventuell eskaliert. „Es gab ganz viele Stimmen, Stimmungen und letztendlich auch Ankündigungen, sodass wir alle nicht richtig einschätzen konnten, was jetzt wirklich passiert“, berichtet er . „Ich hätte mir meinen Abgang auch lieber etwas ruhiger und entspannter vorgestellt.“
Und ja, die Trennung von Timo Schultz hat er selbst auch nicht mal eben so locker und nüchtern zur Kenntnis genommen. „Es ist immer ein Unterschied, wie gut man den Menschen kennt und wie sehr man den Menschen mag. Ich kenne Timo seit 2005. Ich kann alle Emotionen verstehen. In dem Moment, wo uns die Entscheidung mitgeteilt wurde, hat das auch bei mir ein extremes Magengrummeln und Magenschmerzen verursacht und auch eine gewisse Wehmut“, gibt er zu.
„Andererseits aber gab es auch Ergebnisse einer Analyse. Man muss diese akzeptieren und dann letztlich als Funktionär auch dahinterstehen. Profisport ist ein brutales Geschäft und es ist manchmal ein sehr dreckiges Geschäft, in dem unsere Ideale leider noch nicht so zählen.“
Warum Hasenbein die Entlassung von Thomas Meggle besonders wehtat
Die Freistellung von Schultz war allerdings für Hasenbein längst nicht das erste Erlebnis, bei dem er in die Trennung von einem liebgewonnenen St. Paulianer in gewisser Weise involviert war. „Mein erstes ,Lowlight’ in dieser Hinsicht war die Entlassung von Thomas Meggle“, sagt er.
Der frühere Profi und Trainer des Clubs war im Dezember 2014 im Zuge der Verpflichtung von Ewald Lienen als Trainer zum Sportchef befördert worden. Knapp zwei Jahre später musste er diesen Posten räumen: „Dazusitzen und mitzuentscheiden, dass ein guter Freund seinen Job verliert, war knüppelhart. Vielleicht hatte ich aber jetzt bei Timo ein bisschen mehr Distanz, weil ich so etwas schon mal erlebt hatte.“
Die Freundschaft mit Meggle blieb dennoch bestehen und hält heute seit mehr als 20 Jahren. „Nicht umsonst hat Meggi ja beim letzten Heimspiel gegen Kiel, als ich im Stadion verabschiedet wurde, die Laudatio gehalten. Er kennt mich von allen Menschen, mit denen ich beim und rund um den FC St. Pauli gearbeitet habe, mit am besten“, sagt Hasenbein.
Jetzt, da er nicht mehr im Amt ist, kann er ein bisschen aus dem Nähkästchen plaudern, wie es im Aufsichtsrat so zugeht. „Mir sind meine Ex-Kollegen hoffentlich nicht böse, wenn ich sage, dass auch kontrovers diskutiert wird. Da sitzen sieben Charakterköpfe, und das heißt, dass jeder seine Meinung hat. Und die müssen nicht immer zusammenpassen. Da geht es auch mal hoch her, und es kann auch schon mal ein bisschen emotionaler und lauter werden“, erzählt er, stellt aber auch klar: „Entscheidend ist der gegenseitige Respekt, der immer da war, und vor allem auch das gemeinsame Ziel, zur bestmöglichen Entscheidung für den Verein zu kommen.“
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Auch das Verhältnis zum Präsidium war „nicht immer Friede, Freude, Eierkuchen“, wie er es offen formuliert. „Von Teilen der Mitgliedschaft und der Fanszene wurde uns ja unterstellt, wir würden mit dem Präsidium kuscheln. So weit war es nicht. Aber es ist natürlich viel angenehmer, in einer kooperativen, freundschaftlichen Atmosphäre schwerwiegende und für den Verein zukunftsweisende Entscheidungen zu treffen, als wenn alle zerstritten sind“, sagt er. Auch solche Phasen hat es beim FC St. Pauli in der Vergangenheit ja schon gegeben.
FC St. Pauli wird weiter auf Roger Hasenbein zählen können
Mit dem Ende seines Aufsichtsratsmandats wird Roger Hasenbein das Kapitel FC St. Pauli in seinem Leben natürlich längst nicht beenden. Viel zu groß ist seine intensive, emotionale Bindung an den Verein und auch an den Stadtteil, in dem er weiter als Straßensozialarbeiter tätig sein wird. „Nach einer kleinen Pause wird es wieder den einen oder anderen Platz im Verein für mich geben“, ist er überzeugt. Auf jeden Fall wird er künftig dem Spendenbeirat von „Kiezhelden“, der sozialen Plattform des FC St. Pauli, angehören.
Und schließlich tritt er selbst immer noch im Trikot des FC St. Pauli gegen den Ball – im Team der Ü-50-Senioren, wo er es inzwischen mit teilweise deutlich jüngeren Gegnern zu tun bekommt. Dafür ist Hasenbein auch auf dem Platz immer noch einer der kommunikativsten Akteure. „Manchmal zu kommunikativ, meinen ab und zu die Schiedsrichter“, sagt er mit einem Schmunzeln.