Hamburg. Der Sportchef ist das erste Opfer der Krise des FC St. Pauli. Ein Nachfolger soll noch in dieser Woche vorgestellt werden.

Es dauerte bis zum Dienstag um 14 Uhr, als das, was sich schon am Abend zuvor deutlich abgezeichnet hatte, endlich offiziell war. Oke Göttlich, der Präsident des FC St. Pauli, informierte bei einer einberufenen Mannschaftssitzung die Profis des Zweitliga-Tabellenletzten darüber, dass sich der Club von Sportchef Thomas Meggle (41) trennt. Kurz danach wurden auch die im Trainingszentrum an der Kollaustraße seit dem Morgen wartenden Medienvertreter über Meggles „Freistellung mit sofortiger Wirkung“ informiert.

Das Ganze war ein über Stunden dauernder Eiertanz, denn schon nach der Präsidiumssitzung am Montag vor dem Zweitligaspiel gegen den 1. FC Nürnberg (1:1) war nicht mehr zu verheimlichen, dass die Führung des Kiezclubs eine Entscheidung gegen eine weitere Zusammenarbeit mit seinem „Geschäftsleiter Sport“ getroffen hatte.

St. Paulis Trennungsgrund klingt kurios

Daher wirkte es geradezu lächerlich, dass es am Dienstag bis kurz nach 14 Uhr immer noch offiziell hieß, es gebe im Moment nichts zu verkünden, Göttlich und Meggle seien aber auch nicht zu sprechen. Gleichzeitig aber wurden die bereits seit dem späten Montagabend in den Medien verbreiteten Meldungen über Meggles bevorstehendes Aus auch nicht dementiert.

Es liegt nahe, dass am Dienstag noch lange über die genauen Formulierungen der offiziellen Trennungsmitteilung verhandelt wurde. Am Ende kam dabei heraus: „Die Gründe für die Entscheidung liegen in unterschiedlichen Auffassungen über die strategische Ausrichtung des Clubs.“ Dieser Satz lässt viel Raum für Interpretationen und Spekulationen. Er wirft mehr Fragen auf, als er Antworten gibt. Hat sich etwa das Präsidium von dem Ziel verabschiedet, sportlich möglichst erfolgreich zu sein? Oder hat Meggle vom Präsidium gefordert, ohne Rücksicht auf den Etat ab sofort Topstars verpflichten zu dürfen? Beides ist kaum anzunehmen.

Lienen und Meggle waren sich nicht grün

Vielmehr dürfte ein schon länger schwelender Konflikt eine entscheidende Rolle gespielt haben. Auch wenn sie sich nach außen immer als gut verstehende Einheit präsentiert haben, waren sich Sportchef Meggle und Cheftrainer Ewald Lienen keinesfalls grün. Das Verhältnis hatte schon unmittelbar nach der Verpflichtung Lienens als Cheftrainer und der Versetzung Meggles vom Trainer zum Sportchef am 16. Dezember 2014 einen Riss erhalten. Lienen hatte damals in der Pressekonferenz gesagt, er betrachte Meggle nicht als seinen Vorgesetzten. Meggle hat diese Aussage – auch um die interne Ruhe nicht zu gefährden – nie kommentiert.

Der sportliche Erfolg in den ersten eineinhalb Jahren unter Trainer Lienen überdeckte das Spannungsverhältnis, öffentlich lobten sich beide gegenseitig mehrfach. In dieser Zeit bewies Meggle bei den meisten Spielertransfers ein glückliches Händchen. Mit dem Verkauf von Marcel Halstenberg zu RB Leipzig für 3,5 Millionen Euro setzte er sogar eine Rekordmarke für den FC St. Pauli.

Kommentar: Meggle war das schwächste Glied

Bei der Kaderplanung für die laufende Saison war er allerdings weniger erfolgreich. Von den insgesamt sieben Neuzugängen waren nur Aziz Bouhaddouz und Vegar Eggen Hedenstad von Anfang in der Zweiten Liga vollwertig einsetzbar, worüber Lienen wenig erfreut gewesen sein soll. „Wir haben die Kaderplanung immer gemeinsam gemacht. Es ist hier kein FC Meggle, der Spieler einkauft, von denen der Trainer nichts weiß“, hatte Meggle dazu vor zwei Wochen im Abendblatt gesagt.

Meggle besitzt ungewöhnlichen Vertrag

Wer beim FC St. Pauli künftig die Aufgaben des Sportchefs übernimmt, will die Vereinsführung erst im Laufe dieser Woche auf einer Pressekonferenz bekannt geben. Dabei gilt die interne Lösung, dass der kaufmännische Geschäftsführer Andreas Rettig das Amt ausübt, als unwahrscheinlich, auch wenn er die Kompetenz dafür schon nachgewiesen hat. Ebenso dürfte es sich nicht um einen Mann handeln, der in diesem Job ähnlich unerfahren ist, wie Meggle es beim Amtsantritt noch war.

Finanziell dürfte den Club die Trennung von Meggle nicht allzu hart treffen. Vor knapp einem Jahr war dessen Vertrag, der bis zum 30. Juni 2017 lief, entfristet worden. „Mit der Entscheidung dokumentieren wir erneut den ungewöhnlichen, anderen Weg des FC St. Pauli, der auf Kontinuität und Vertrauen in Führungspersonen setzt“, hatte Präsident Göttlich damals gesagt. Diese Worte sind heute Schall und Rauch. Tatsächlich aber hatte die Entfristung auch eine ganz normale Kündigungsfrist zur Folge.

Für Thomas Meggle, der als Spieler erstmals 1997 sowie danach noch in den Jahren 2000 und 2005 zum FC St. Pauli kam, 2010 Co-Trainer, 2013 U-23-Trainer und 2014 Cheftrainer wurde, endet nun erst einmal wieder die Tätigkeit beim Kiezclub. Am Ende bleibt die Frage, wie sicher Ewald Lienen seinen Trainerposten hat, wenn nicht alsbald wenigstens der zweite Saisonsieg gelingt. Zunächst wurde das Trainerteam mit Stuttgarts bisherigem Scout Olaf Janßen als neuen Assistenten verstärkt. Die Freistellung von Sportchef Meggle jedenfalls muss nicht die letzte personelle Entscheidung des Präsidiums und Aufsichtsrats gewesen sein, um die aktuelle sportliche Krise zu überwinden.