Berlin. Schultz-Nachfolge: Sportchef Bornemann hat nach der knappen Niederlage bei Union Berlin Einblicke in den Zeitplan gewährt.
Gleichgültig war Fabian Hürzeler ganz und gar nicht, dass er das erste Spiel als Cheftrainer in spe mit dem FC St. Pauli verloren hatte. „Uns war es schon wichtig, dass wir mit der Prämisse ins Spiel gehen zu gewinnen“, stellte er nach der 2:3 (1:1)-Niederlage am frühen Mittwochnachmittag bei Union Berlin fest.
„Ich bin über das Ergebnis enttäuscht“, sagte der 29-Jährige weiter. „Ich nehme aber mit, dass wir auch gegen so einen Bundesligisten bestehen können, wenn wir intensiv anlaufen und aus der Kompaktheit heraus agieren. Das ist sehr positiv“, sagte der Noch-Interims-Trainer. „Im Umkehrschluss heißt das aber, dass wir Probleme bekommen, wenn nur einer sprintet und nicht alle zusammen. Insgesamt haben es meine Jungs gegen diesen Topgegner vor allem in der ersten Halbzeit auch spielerisch gut gemacht.“
Bleibt Hürzeler Trainer beim FC St. Pauli?
Ähnlich sah es auch Sportchef Andreas Bornemann. „Es war ein sehr guter Test. Ich fand vor allem unsere erste Halbzeit sehr gut von der Struktur her. Die Spielidee war gut zu erkennen, auch die Umsetzung war gut“, analysierte er. „Die Mannschaft hat sehr viel davon umgesetzt, was geplant und besprochen war.“
Diese Worte klangen wie weitere gute Argumente dafür, dass aus der Interimslösung Hürzeler schon in den kommenden Tagen auch eine Dauerlösung wird. „Die Ziellinie ist nicht mehr so weit entfernt, was die Entscheidung angeht. Die Tendenz, kann man sagen, ist so, dass es nicht ganz so überraschend wäre, wenn am Ende die Entscheidung für Fabi fallen würde. Es gehören aber noch ein paar Dinge dazu“, sagte Bornemann. Rund um Weihnachten soll Klarheit herrschen.
Wer also am 27. Dezember als verantwortlicher Trainer auf dem Trainingsplatz steht, wird der neue Cheftrainer sein. Derzeit spricht wenig dafür, dass dies jemand anderes als Hürzeler sein wird. „Vielleicht können wir auch schon vor Weihnachten Klarheit schaffen.“
Chefcoach? Hürzeler gibt sich cool
Hürzeler selbst geht weiter zumindest äußerlich sehr gelassen mit der noch unklaren Situation um. „Ich bin sehr, sehr entspannt. Es ist ein Privileg, hier arbeiten zu dürfen. Das habe ich auch meinem Staff gesagt. Ich bin sehr positiv gestimmt, wie alle in den letzten Wochen mitgezogen haben. Es ist meine Aufgabe, alle in ein Boot zu holen. Ich werde für den Verein immer alles tun, egal in welcher Funktion. Das liegt einfach in mir.
Zu dem, was Hürzeler gegenüber dem freigestellten Cheftrainer Timo Schutz verändert hat, gehörte die Auswahl der Standardschützen. So durfte sich Außenverteidiger Manolis Saliakas als Eckenschütze von beiden Seiten profilieren, und Franz Roggow trat den Freistoß aus dem Mittelfeld, der zur zwischenzeitlichen 2:1-Führung durch Johannes Eggestein (57.) führte. „Wir wollen mal ausprobieren, wer neben Marcel Hartel noch gute Ecken schlägt. Wir haben mit Manos einen, der sehr scharf die Bälle reinbringen kann. Er schlägt ja auch gute Flanken“, sagte Hürzeler dazu. „Franz hat auch einen guten linken Fuß. Das zeigt er auch im Training.“
St. Pauli wählte bewusst starke Testspielgegner
Ganz bewusst hatte sich der FC St. Pauli schon vor der Freistellung von Cheftrainer Timo Schultz dafür entschieden, sich in der langen Winterpause mit anspruchsvollen Gegnern zu messen. Union Berlin war jetzt das erste von mindestens drei Teams aus der 1. Bundesliga im umfangreichen Testspielprogramm.
Es folgen am dritten Tag des Trainingslagers in Benidorm (2. bis 9. Januar) das Match gegen Werder Bremen (4. Januar) und am 14. Januar die Auswärtspartie bei Borussia Mönchengladbach. Zudem soll es noch ein zweites Spiel in Spanien am 8. Januar geben, für den der Gegner noch nicht feststeht.
Den Abschluss bildet am 21. Januar im Millerntor-Stadion die Generalprobe vor dem Rundenrundenstart. Seit Mittwoch steht fest, dass an jenem Tag von 13.30 Uhr an der dänische Erstliga-Siebte, Pokalsieger und Europa-League-Teilnehmer FC Midtjylland seine Visitenkarte abgeben wird. Acht Tage später ist St. Pauli dann in der Liga beim 1. FC Nürnberg gefordert.
Auch wenn die Unterbrechung des Spielbetriebs in diesem Winter länger ist als etwa im vergangenen Sommer, ist ein munterer Kick auf dem Dorf gegen ein überfordertes Amateurteam nicht vorgesehen. Die Matches sollen jetzt, auch wenn die als Gegner verpflichteten Bundesligisten selbst einiges ausprobieren, kein munteres Scheibenschießen, sondern ernstzunehmende Herausforderungen sein. Daher auch mindestens drei der Spiele in den großen Stadion und nicht auf Trainingsanlagen.
Allerdings hatte die Atmosphäre am Mittwoch im Stadion an der Alten Försterei in Berlin-Köpenick doch nur wenig mit dem zu tun, was hier bei Punkt-, Europacup- und Pokalspielen los ist. Einige St.-Pauli-Profis hatten die Stimmung ja in der vergangenen Saison im DFB-Pokal-Viertelfinale erlebt, als ihr Team mit 1:2 verlor, aber lange sehr ordentlich mitgehalten und hatte und auch in Führung gegangen war.
FC St. Pauli zeigte Reaktion nach Rückstand
Jetzt aber tummelten sich lediglich rund 969 Zuschauende auf den Rängen der Haupttribüne, darunter rund 150 St.-Pauli-Anhänger. Die anderen drei Tribünen blieben komplett leer. Von Hexenkessel also keine Spur. Es herrschte auch angesichts vieler Kinder, die offenbar im Anschluss an den letzten Schultag vor den Weihnachtsferien an die Alte Försterei gekommen waren, eher eine entspannte Familienatmosphäre.
Am Ende war das Ergebnis eher zweitrangig. Bedeutender war schon eher, dass das St.-Pauli-Team auch ohne WM-Teilnehmer Jackson Irvine, Neuzugang Maurides Roque Junior, der noch körperliche Defizite hat, Stürmer Etienne Amenyido, die Außenverteidiger Luca Zander und Jannes Wieckhoff und Mittelfeldspieler Niklas Jessen sich lange dem Bundesliga-Fünften Paroli bot.
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Dazu gehörte auch, dass sich das Team vom 0:1-Rückstand durch einen Kopfball von Theoson-Jordan Siebatcheu (42.) nicht entmutigen ließ und das Spiel sogar durch die Tore des früheren Unioners Marcel Hartel (45.+1/Foulelfmeter) und Johannes Eggestein (57.) per Kopf nach einem Freistoß von Franz Roggow. Zum Sieg reichte dies allerdings nicht. Dem auf Berliner Seite eingewechselten Tim Skarke gelang der 2:2-Ausgleich. Das Siegtor für Berlin erzielte schließlich per Kopf Kevin Behrens (86.).
Trainer Fabian Hürzeler hatte sein Team für die zweiten 45 Minuten fast komplett durchgewechselt, nur die Verteidiger Adam Dzwigala und Marcel Beifus waren auf dem Feld geblieben.
- FC St. Pauli, 1. Halbzeit: Vasilj – Saliakas, Dzwigala, Smith, Beifus, Paqarada – Aremu – Metcalfe, Hartel – Otto, Daschner.
- 2. Halbzeit: Burchert – Dzwigala (80. Hartel), Appe, Fazliji, Beifus, Ritzka – Boukhalfa, Roggow – Eggestein, Matanovic, Saad.
- Tore: 1:0 Siebatcheu (42.), 1:1 Hartel (45./Foulelfmeter), 1:2 Eggestein (57.), 2:2 Skarke (67.), 3:2 Behrens (86.)