Karlsruhe/Hamburg. Das kuriose 4:4 in Karlsruhe beendet St. Paulis schwache Hinrunde noch halbwegs versöhnlich. Oder etwa doch nicht?
Als der ICE 70 am Sonnabend um 22.14 Uhr mit 31 Minuten Verspätung den Hamburger Hauptbahnhof erreichte, war die letzte Zweitliga-Auswärtsreise der Hinserie und auch des Jahres 2022 für die Spieler des FC St. Pauli beendet. Aus Karlsruhe hatten sie mit dem wilden 4:4 (3:3) wenigstens einen Punkt mitgebracht, der ihnen ein Überwintern auf dem 15. Tabellenrang und eben nicht auf einem Abstiegsplatz sicherte.
Der ersehnte Befreiungsschlag mit dem ersten Auswärtssieg seit dem 26. Februar (3:1 in Ingolstadt) aber war erneut nicht geglückt, obwohl der Gegner zuvor sechs Pflichtspiele in Folge verloren hatte.
St. Pauli sieht einen Punkt für die Moral
Ebenso wie Trainer Timo Schultz, der später davon sprach, „sauer und stolz“ auf seine Mannschaft zu sein, taten sich auch die Spieler schwer, das letzte Punktspiel des Jahres klar einzuordnen. Zu extrem waren die negativen, aber auch positiven Aspekte des Torspektakels. „Wir haben die Bälle im Spielaufbau einfach zu leicht verloren, so konnte Karlsruhe schnell umschalten“, kritisierte Marcel Hartel und ärgerte sich vor allem über die Entstehung des zwischenzeitlichen 1:3. „Da schlafen wir beim Einwurf. Das darf so überhaupt nicht passieren, dass wir da nicht wach genug sind. Das wird sofort bestraft“, sagte der Mittelfeldspieler.
Auf der anderen Seite hob er hervor: „Nach einem 0:2 und einem 1:3 so zurückzukommen, ist positiv. Wir nehmen mit, dass wir niemals aufgeben und genug Torchancen hatten, um auch das Spiel zu gewinnen, wenn wir hinten die Tore nicht so leicht herschenken, wie wir es machen.“
Ähnlich sah es auch Lukas Daschner, der nach seinem Treffer zum 1:1 gegen Tabellenführer Darmstadt 98 erneut erfolgreich war, diesmal mit dem Tor zum 4:4-Endstand. „Wir haben in der Saison des Öfteren schon bewiesen, dass wir Moral haben. Mentalität war nie etwas, was man bei uns anzweifeln konnte“, sagte er. Aber auch ihm war anzumerken, dass er über die zu einfachen Gegentore verärgert war. „Wir haben sogar vorher analysiert, dass Karlsruhe da vorn einen Einwurf immer schnell ausführt“, berichtete er im Hinblick auf den dritten Gegentreffer.
Eggestein macht St. Pauli froh
Größter Lichtblick im trüben Karlsruhe war aus St. Paulis Sicht zweifellos die sportliche Wiederauferstehung Johannes Eggesteins als torgefährlicher Stürmer. Die ersten beiden Treffer gingen auf sein Konto, vor allem beim zweiten zum 2:3 bewies der 24-Jährige mit seinen Körpertäuschungen und einem präzisen Abschluss, welche Qualität er besitzt, wenn er flach und in Strafraumnähe angespielt wird.
Der langjährige Bremer hatte seit dem 14. August auf einen Torerfolg warten müssen. Da war ihm beim 3:0 gegen Magdeburg ebenfalls ein Doppelpack gelungen. Zwischenzeitlich hatte St. Paulis prominentester Sommereinkauf sogar seinen Stammplatz verloren. Er war da auch körperlich nicht mehr auf der Höhe, nachdem er zuvor eine Saison lang bei Royal Antwerpen praktisch nur zu Kurzeinsätzen gekommen war.
Jetzt funktionierte das Sturmduo Eggestein/Daschner wie erhofft, wie auch das von beiden per Doppelpass herausgespielte Tor zum 4:4 bewies. „Die beiden brauchen diese Kombinationen, weil sie nicht so sehr das Endtempo haben. Da musst du Lösungen auf engen Räumen finden und zum Torabschluss. Das haben heute beide gut gemacht“, sagte Schultz. „Für mich war es sehr positiv, nach langer Zeit mal wieder getroffen zu haben. Dazu die Vorlage. Das gibt mir sehr viel Selbstvertrauen. Das kann ich so zugeben“, befand Eggestein selbst. „Für uns als Mannschaft war das Spiel natürlich ein wilder Ritt.“
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St. Pauli glaubt noch an Siege
Trainer Schultz erkannte in dem kuriosen Match im Wildparkstadion auch ein Spiegelbild der gesamten Hinserie. „Meine Mannschaft hat ein riesiges Statement abgeliefert, nämlich niemals aufzugeben, immer dranzubleiben und dabei Fußball zu spielen.“ Gleichzeitig beklagte er, dass diesmal auch vier eigene Tore nicht zum Sieg reichten. „Wir sind die Remiskönige der Liga“, stellte er fest.
Tatsächlich haben wie St. Pauli auch Fürth und Kaiserslautern achtmal Unentschieden gespielt, aber häufiger als nur dreimal gewonnen, was der absolute Minuswert in der gesamten Liga ist. „Wir haben gute Spieler, sie haben ihre Qualitäten. Wir müssen aber auch erkennen, dass es über 17 Spiele zu wenig ist und wir uns in der Rückserie steigern müssen“, stellte Schultz klar.
Tabellenspitze 2. Bundesliga
1. Darmstadt 98 30 / 48:24 / 64
2. Heidenheim 30 / 61:31 / 60
3. HSV 30 / 60:41 / 56
4. SC Paderborn 30 / 61:37 / 50
5. FC St. Pauli 30 / 47:35 / 50
6. Fortuna Düsseldorf 30 / 51:40 / 50
7. Kaiserslautern 30 / 43:38 / 44
„Natürlich bin ich von der Hinrunde enttäuscht. Wir haben uns vor der Saison mehr vorgenommen. Ich glaube, man kann nicht glücklich darüber sein, wie wir dastehen. Wir wollen schnellstmöglich den Blick nach vorn richten und dürfen den Glauben nicht verlieren, dass wir Spiele gewinnen können“, sagte Marcel Hartel, der in den anstehenden dreieinhalb trainingsfreien Wochen „den Kopf wieder gut freibekommen“ will, ehe es am 9. Dezember wieder auf den Platz an der Kollaustraße geht.
Die Statistik
- Karlsruhe: Gersbeck – Thiede, Kobald, Franke, Heise (77. Sebastian Jung) – Breithaupt (46. Ballas) - Gondorf, Wanitzek – Choi (78. Nebel) – Kaufmann (66. Batmaz), Schleusener (90. Rapp). – Trainer: Eichner
- St. Pauli: Vasilj – Dzwigala, Smith, Beifus – Saliakas (85. Zander), Aremu (81. Metcalfe), Paqarada – Irvine, Hartel – Daschner (81. Amenyido), Johannes Eggestein (71. Otto). – Trainer: Schultz
- Schiedsrichter: Florian Lechner (Hornstorf)
- Tore: 1:0 Schleusener (12.), 2:0 Wanitzek (16.), 2:1 Eggestein (24.), 3:1 Schleusener (31.), 3:2 Eggestein (35.), 3:3 Smith (43.), 4:3 Kaufmann (50.), 4:4 Daschner (61.)
- Zuschauer: 21.487
- Gelbe Karten: Franke (5) – Dzwigala
- Torschüsse: 9:18
- Ecken: 3:6
- Ballbesitz: 42:58 Prozent