Karlsruhe. Pyro, Rückschläge, Comebacks – das Zweitligaspiel des FC St. Pauli hatte einiges zu bieten. Das Ende überraschte allerdings.

Völlig erschöpft sanken die Spieler des FC St. Pauli in die Knie. Mit einem 4:4 beim Karlsruher SC verabschiedete sich das Team vom Millerntor in die WM- und Winterpause der Zweiten Liga. Ein total verrücktes Fußballspiel hatten die 21.487 Zuschauenden BBBank Wildparkstadion gesehen, in dem der FC St. Pauli einen 1:3- und einen 3:4-Rückstand aufholte und immerhin noch einen Punkt ergattern konnte, was ihn je nach Ausgang der Sonntagsspiele vor dem Absturz in die Abstiegszone bewahren könnte.

„Es war ein wilder Ritt“, beschrieb Doppeltorschütze Johannes Eggestein das Spiel. „Ich bin sauer und stolz auf meine Mannschaft“, fasste St. Paulis Trainer Timo Schultz seine Gefühle zusammen. Er ärgerte sich über die vier Gegentreffer und freute sich, dass sein Team auch im Rückstand und „auf diesem Rübenacker“ immer wieder spielerische Lösungen fand, um zu den eigenen Treffern zu kommen.

Trainer Schultz hatte seine Startformation gegenüber dem 0:0 gegen Kiel vier Tage zuvor auf zwei Positionen umgebaut. Mittelfeldspieler Afeez Aremu und Lukas Daschner rotierten zurück in die erste Elf, dafür mussten Connor Metcalfe und David Otto wieder auf die Bank.

Pyro-Verzögerung bei St. Pauli in Karlsruhe

Doch bevor der Ball überhaupt rollte, mussten alle Spieler fast eine Viertelstunde warten. Die Ultra-Fans des KSC hatten unmittelbar vor dem geplanten Anpfiff auf der Südtribüne in großen Mengen Pyrotechnik entzündet. Aufgrund der ohnehin nebligen und nahezu windstillen Wetterlage dauerte es extrem lang, bis sich der Qualm endlich einigermaßen verzogen hatte. Mit genau 14 Minuten Verspätung konnte Schiedsrichter Florian Lechner das Match der zuletzt so kriselnden Teams endlich anpfeifen konnte.

St. Pauli hatte seit dem 3:0 in Stadtderby gegen den HSV aus vier Spielen nur zwei Punkte geholt und dabei genau ein Tor geschossen. Der KSC hatte gar die letzten fünf Ligaspiele in Folge verloren, dazu war das Pokalaus beim SV Sandhausen gekommen.

Tabellenspitze 2. Bundesliga
1. Darmstadt 98 30 / 48:24 / 64
2. Heidenheim 30 / 61:31 / 60
3. HSV 30 / 60:41 / 56
4. SC Paderborn 30 / 61:37 / 50
5. FC St. Pauli 30 / 47:35 / 50
6. Fortuna Düsseldorf 30 / 51:40 / 50
7. Kaiserslautern 30 / 43:38 / 44

St. Pauli dominiert, aber Karlsruhe trifft

In der Anfangsphase war St. Pauli deutlich überlegen und musste sich wie schon so oft in den vergangenen Wochen über eine vergebene Großchance ärgern. In diesem Fall war auch viel Pech dabei, als Marcel Hartel nach einem Kopfballzuspiel von Daschner den Ball per Seitfallzieher an die Latte des KSC-Tores schoss (6. Minute).

Offenbar führte die Feldüberlegenheit zu Übermut. Anders ist jedenfalls kaum zu erklären, dass Aremu die Idee hatte, vor dem eigenen Strafraum, dem Ex-St.-Paulianer Kyoung-Rok Choi den Ball durch die Beine zu spielen. Dies misslang so gründlich, dass den Ball von Choi zu Mikkel Kaufmann sprang, der wiederum Fabian Schleusener bediente. Der KSC-Torjäger schoss flach zum 1:0 (12.) ein. Es war die erste Offensivaktion der Badener.

Und auch der zweite KSC-Torschuss landete im Netz. Diesmal kam Spielmacher Marvin Wanitzek nach einer missglückten Abwehraktion von Eric Smith im Strafraum frei zum Schuss – 2:0 (16.).

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Jetzt begann St. Paulis wilde Achterbahnfahrt

Es war der Auftakt zu einer verrückten ersten Halbzeit, in der noch vier weitere Tore fallen sollten. Nach einer ewig langen Überprüfung entschied Schiedsrichter Lechner, dass Johannes Eggesteins Treffer zum 1:2 (23.) zählte. Er stand ganz knapp nicht im Abseits. Dafür träumte die St.-Pauli-Defensive bei einem Einwurf komplett, sodass Schleusener aus kurzer Distanz nach Vorlage von Wanitzek an den Ball kam und zum 3:1 (31.) für den KSC einschob. „Das darf uns so nicht passieren, zumal wir wussten, dass Karlsruhe die Einwürfe in der gegnerischen Hälfte immer sehr schnell ausführt“, sagte später Marcel Hartel selbstkritisch.

Doch auch davon ließ sich das St.-Pauli-Team nicht entmutigen, spielte weiter Kombinationsfußball und wurde belohnt. Zunächst nutzte Eggestein ein Zuspiel von Manolis Saliakas zum 2:3 (35.), ehe eine Ecke von Hartel von Innenverteidiger Marcel Beifus per Kopf weitergeleitet wurde. Am zweiten Pfosten lauerte Smith und drückte den Ball zum 3:3 (43.) mit dem Fuß über die Torlinie.

Ganze vier Torschüsse hatte St. Pauli in diesen ersten 45 Minuten zugelassen, drei davon landeten im Netz. Auf der anderen Seite hatten die in weiß spielenden Braun-Weißen neun Versuche für ihre drei Treffer gebraucht.

St. Pauli in Karlsruhe: Das Ende überraschte

Die Nachlässigkeiten in der Defensive stellte St. Pauli aber auch in der zweiten Halbzeit nicht ein und kassierte durch Mikkel Kaufmann nach einem Konter durch einen Schrägschuss aus halbrechter Position prompt das 3:4 (50.). Das Momentum, das nach dem Ausgleich kurz vor der Pause auf Seiten der Hamburger lag, war damit schon wieder verloren. Vier Gegentore hatte St. Pauli in der gesamten Saison noch in keinem Spiel kassiert.

Doch auch auf diesen Nackenschlag gab es eine Antwort – und zwar in spielerisch anspruchsvoller Art. Per Hacke spielte Daschner Eggestein an, bekam den Ball zurück und überwand mit einem Rechtsschuss KSC-Torhüter Marius Gersbeck zum 4:4 (61.). „Die beiden Tore und die Torvorlage geben mir natürlich sehr viel Selbstvertrauen“, sagte Eggestein später, der mit jetzt mit Saisontoren erfolgreichster St.-Paulianer ist. Zuletzt hatte er am vierten Spieltag beim 3:0 gegen Magdeburg getroffen.

Dass es danach mehr als eine halbe Stunde keine Tore mehr gab, war das Überraschendste an diesem irren Match zum Jahresausklang. „Wir nehmen mit in die Winterpause, dass wir eine tolle Moral in der Mannschaft haben“, sagte Torschütze Lukas Daschner.

Die Statistik

  • Karlsruhe: Gersbeck – Thiede, Kobald, Franke, Heise (77. Sebastian Jung) – Breithaupt (46. Ballas) - Gondorf, Wanitzek – Choi (78. Nebel) – Kaufmann (66. Batmaz), Schleusener (90. Rapp). – Trainer: Eichner
  • St. Pauli: Vasilj – Dzwigala, Smith, Beifus – Saliakas (85. Zander), Aremu (81. Metcalfe), Paqarada – Irvine, Hartel – Daschner (81. Amenyido), Johannes Eggestein (71. Otto). – Trainer: Schultz
  • Schiedsrichter: Florian Lechner (Hornstorf)
  • Tore: 1:0 Schleusener (12.), 2:0 Wanitzek (16.), 2:1 Eggestein (24.), 3:1 Schleusener (31.), 3:2 Eggestein (35.), 3:3 Smith (43.), 4:3 Kaufmann (50.), 4:4 Daschner (61.)
  • Zuschauer: 21.487
  • Gelbe Karten: Franke (5) – Dzwigala
  • Torschüsse: 9:18
  • Ecken: 3:6
  • Ballbesitz: 42:58 Prozent