Hamburg. St.-Pauli-Coach Timo Schultz kündigt vor dem Heimspiel gegen Holstein Kiel eine umfassende Analyse im Winter an.
Platz 17 nach 15 Spielen, allerhöchste Abstiegsgefahr bei zehn Punkten nach nur einem Sieg und sieben Unentschieden – vor zwei Jahren hatte der FC St. Pauli im ersten Cheftrainerjahr von Timo Schultz eine miserable erste Halbserie gespielt. Jetzt steht der Club nach ebenfalls 15 Partien mit 15 Zählern auf Relegationsrang 16, wieder allerhöchste Abstiegsgefahr. „Nein, vergleichbar ist die Situation nicht“, sagt Schultz dennoch voller Überzeugung: „Das Fundament der Mannschaft ist viel stabiler und gesicherter, als es vor zwei Jahren der Fall war.“
Das mag so sein. Damals hatte er im Sommer als ehemaliger Nachwuchstrainer gerade mit frischem Elan und neuen Ideen bei den Profis begonnen und war selbst noch ein Lehrling in der Zweiten Liga. „Möglicherweise haben wir die Mannschaft mit unseren Ideen überfordert, wir mussten auch selbst noch viel lernen“, sagt Schultz auch mit Blick auf die jungen Co-Trainer Loic Favé und Fabian Hürzeler zu den Problemen vor zwei Jahren. „Ähnlich ist jetzt aber, dass wir wieder gut rausfiltern können, wo unsere Probleme sind und wir diese konkret angehen können.“
Das Herausfiltern wird nach dem Schlusspfiff des letzten Hinrundenspiels am kommenden Sonnabend gegen 14.50 Uhr in Karlsruhe beginnen. Zuvor steht auch noch das letzte Heimspiel des Jahres an diesem Dienstag (18.30 Uhr/Sky) gegen Holstein Kiel an. Diesem Jahresfinale gilt zunächst die alleinige Aufmerksamkeit der sportlichen Leitung und des Trainerteams. „Wir werden nach vorne spielen, mutig und aggressiv sein“, verspricht Schultz. „Das wird für uns auch der Schlüssel zum Erfolg sein.“
St. Pauli hat Personalnot in der Abwehr
Ein Heimsieg ist im „kleinen Nordderby“ Pflicht, um nicht noch tiefer im Tabellenkeller zu landen. „Wir sehen die Tabelle auch. Wir wissen, dass wir Ergebnisse und Punkte brauchen“, erklärt der Cheftrainer, der aber zum Ende der Hinrunde (noch) nicht alles umschmeißen wird: „Das wird unsere Arbeit mit den Jungs nicht verändern.“
Es gibt auch kaum noch Alternativen. Durch die Rote Karte für Betim Fazliji (23) in Düsseldorf fehlt nach den verletzten Jakov Medic (24) und David Nemeth (21) ein weiterer Innenverteidiger. Der junge Marcel Beifus (20) wird also wieder in den Kader rücken. Ob er spielt, ist noch offen. Denkbar ist auch eine Rückkehr zur Viererkette mit Eric Smith (25) neben Adam Dzwigala (27) sowie einer Raute im Mittelfeld. „Die Systemfrage sollten wir nicht zu hoch hängen“, meint Schultz, „es geht darum, intensiv zu spielen und den Gegner zu stressen.“
Die KSV aus der schleswig-holsteinischen Landeshauptstadt kommt mit breiter Brust nach dem Auswärtssieg in Karlsruhe nach Hamburg. Platz acht, 23 Punkte, nur eines der letzten sechs Spiele verloren. Wenn das Jahresfinale gelingt, traut man sich eventuell sogar noch einen Blick nach ganz oben zu. „Wir sind, glaube ich, schon seit Wochen in einer ordentlichen Verfassung“, sagte Trainer Marcel Rapp. „Wir sollten aber sehr vorsichtig sein, weil St. Pauli eine Mannschaft ist, die oft unter Wert geschlagen wurde.“
Transfers: Macht es St. Pauli wie vor zwei Jahren?
Genau das ist das Problem der Kiezkicker, für das spätestens in der Winterpause eine Lösung gefunden werden muss. Bis dahin hüllen sich Sportchef Andreas Bornemann und Präsident Oke Göttlich öffentlich in Schweigen, um nicht von der Konzentration auf den Sport abzulenken. Dass aber Göttlich nicht zufrieden ist mit der Entwicklung und weiß, dass im Fußball am Ende Ergebnisse mehr zählen als schöne Statistiken, ist spätestens seit seinem kritischen Interview im „Kicker“ vor fünf Wochen bekannt.
Vor zwei Jahren legte Bornemann in der Winterpause kräftig personell nach. Damals war die Herbstserie wegen der Corona-Pandemie schon nach dem 13. Spieltag beendet, für eine Aufholjagd mit neuen Spielern standen also vier Partien mehr zur Verfügung als jetzt.
Fünf neue Profis holte der FC St. Pauli damals im Dezember. Omar Marmoush, Eric Smith, Torwart Dejan Stojanovic und Adam Dzwigala waren Volltreffer, der erfahrene Norweger Tore Reginiussen half in der Abwehr. Dazu kam, nicht zu vergessen, nach langer Verletzung Guido Burgstaller von Januar an erstmals richtig zum Einsatz und erzielte 20 Tore. Diese personellen Änderungen brachten den Klassenerhalt.
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Holt St. Pauli gleich zwei Stürmer?
Mit Bornemann ist Schultz ohnehin in regelmäßigem Austausch, weil beide im Trainingszentrum an der Kollaustraße arbeiten. „Es ist doch klar, dass nach so einer Hinserie auch noch mal eine größere Analyse gemacht wird“, erklärt der Trainer: „Dass wir den einen oder anderen größeren Hebel umlegen müssen, ist uns schon bewusst.“ Zumal die namhafte Konkurrenz im Abstiegskampf ebenfalls nachlegen wird. Präsidium, Aufsichtsrat, alle die zu entscheiden haben, werden mit ins Boot geholt.
Ein, zwei treffsichere Stürmer müssen auf jeden Fall kommen, eventuell ein Innenverteidiger, je nachdem, wie lange Nemeth und Medic noch fehlen. Idealerweise gehen die Nachbesserungen so gut auf wie Anfang 2021. „Wir haben vor zwei Jahren schon gezeigt, dass wir das gut und auch in aller Konsequenz machen“, sagt Schultz: „Dementsprechend bin ich sehr optimistisch, dass wir das wieder ganz gut hinkriegen werden.“
Die voraussichtlichen Aufstellungen:
- St. Pauli: Vasilj – Saliakas, Dzwigala, Smith, Paqarada – Aremu – Irvine, Daschner, Hartel – Amenyido, Otto.
- Kiel: Schreiber – M. Schulz – Wahl, Lorenz – Erras – Reese, Holtby, Kirkeskov – Skrybski, Bartels – Wriedt.