Hamburg. Wahrscheinlicher als große Namen aus großen Ligen ist aber eine Überraschungslösung aus einer kleineren Liga. Die Überlegungen.

Am vergangenen Sonnabend beim Spiel gegen Darmstadt 98 wurde Pierre-Michel Lasogga im Millerntor-Stadion des FC St. Pauli gesehen. Der wird doch nicht … Tuschel, tuschel. Immerhin ist der 30-Jährige vereinslos, ablösefrei, und die Kiezkicker brauchen doch einen klassischen Mittelstürmer.

Die offensichtliche Abschlussschwäche der braun-weißen Angreifer in dieser bisherigen Saison führt zu den absurdesten Gerüchten, die von den sportlich Verantwortlichen hinter vorgehaltener Hand als „Klamauk“ abgetan werden. Co-Kapitän Jackson Irvine ist sogar überzeugt, dass die Angreifer im Kader gut genug sind, „unser Schicksal zu drehen“: „Wir sehen die Qualität jeden Tag im Training, sie haben das volle Vertrauen.“

FC St. Pauli: Torjäger besonders teuer

Dass man dennoch auf der Suche nach einem Zielspieler für den gegnerischen Strafraum ist, will Sportchef Andreas Bornemann aber gar nicht mehr dementieren: „Wir gucken permanent auch über die Saison hinaus. Wir planen die Entwicklung des Kaders langfristig.“

Torjäger sind nun mal eine seltene und teure Spezies. Im Sommer hatte sich der FC St. Pauli ernsthaft mit dem Franzosen Aurélien Scheidler aus Dijon beschäftigt und war bereit, über eine Million Euro für den 24-Jährigen auszugeben. Der italienische Zweitligist SSC Bari machte jedoch das Rennen. Dort kam Scheidler bislang dreimal als Einwechselspieler zum Einsatz und schoss ein Tor. Möglicherweise hat St. Pauli viel Geld gespart.

Medic und Nemeth fallen aus

Ein Ziel der Kaderplanung im Sommer war, die Abhängigkeit von ein, zwei Spielern zu vermeiden. Dass Guido Burgstaller in der vergangenen Rückrunde nur noch viermal getroffen hatte, wurde als ein Grund für den verpassten Bundesligaaufstieg ausgemacht. Die Verteilung der Verantwortung auf mehrere Spieler und auch mehr Torgefahr bei Standards war dabei ein Ansatz. Diese sollten insbesondere Jakov Medic und Zugang David Nemeth bringen. Jetzt fallen beide mit langfristigen Verletzungen aus.

St. Pauli hat in Leart Paqarada und Manolis Saliakas auf den Außenbahnen zwei der besten Flankengeber der Liga, aber niemanden, der die Bälle zentral verarbeiten kann. Als Zielspieler war Igor Matanovic vorgesehen, der sein Potenzial aber nicht auf den Platz bekommt und nur dritte Wahl bei Trainer Timo Schultz ist.

Etienne Amenyido oft verletzt

Lukas Daschner spielte zuletzt zentral vorne, fällt damit aber als torgefährlicher Aufbauspieler aus der zweiten Reihe aus. Irvine und Marcel Hartel ließen in den vergangenen beiden Partien jeweils eine Großchance aus. „Da hat ein Mittelfeldspieler nicht getroffen und nicht ein Stürmer“, sagte Irvine. Der schnelle Etienne Amenyido war oft verletzt und sucht noch seinen Rhythmus und Sicherheit.

Viele Pläne sind nicht aufgegangen. Die Fehler und das Personalien-Pech nun erfolgreich zu korrigieren wird die schwierige Aufgabe für die kommenden Wochen. Die Rasterfahndung läuft: Wo sind Angreifer, die keinen Stammplatz haben und spielen möchten? Davie Selke von Hertha BSC dürfte gehen, aber der kostet …

FC St. Pauli: Blick in kleinere Ligen wohl wahrscheinlicher

Wahrscheinlicher ist ohnehin wieder der Blick in kleinere Ligen wie zuletzt recht erfolgreich praktiziert – Schottland, Skandinavien, Griechenland. Oder Türkei. Da ist Serdar Dursun (31) bei Fenerbahce Istanbul in dieser Saison nur noch Ersatz. Ein gebürtiger Hamburger mit hoher Identifikation zu seiner Heimatstadt, den St. Pauli schon vor zwei Jahren verpflichten wollte – „damals hat er sich entschlossen, seine erfolgreiche Saison bei Darmstadt 98 in der Türkei zu vergolden“, sagt Bornemann, „das kann man ihm nicht verdenken“.

  • Ex-St.-Pauli-Profi Leon Flach (21) hat mit Philadelphia Union das Finale um die Meisterschaft in der nordamerikanischen Major League Soccer erreicht. Am Sonnabend (22 Uhr MEZ) trifft Union in L. A. auf LAFC mit Gareth Bale.