Hamburg. Aus Chocó stammen viele Stars, obwohl es keine professionellen Strukturen gibt. Das soll sich bis 2027 ändern – nach Hamburger Vorbild.

In Chocó sind die Menschen stolz auf ihre Fußballer. Die Liste derer, die es aus der ärmsten Region Kolumbiens in die glamouröse Profifußball geschafft haben, liest sich prominent. Stürmer Jhon Cordoba erzielte mehr als 50 Tore in der Bundesliga für Mainz 05, den 1. FC Köln und Hertha BSC. Jackson Martinez stürmte für den FC Porto und die Nationalmannschaft, die der Torjäger bei der WM 2014 in Brasilien zum Gruppensieg schoss. Tolle Erfolge trotz der Tatsache, dass es in Chocó keinen Proficlub gibt. Das soll sich aber ändern und der FC St. Pauli spielt dabei eine ganz besondere Rolle.

Chocó Unido soll nach Vorbild des FC St. Pauli wachsen

„Ich bin sehr beeinflusst von der Geschichte des FC St. Pauli", sagte Juan José Chalela, hauptberuflich Spielerberater und Mitgründer von Chocó Unido in einer Reportage der ARD Sportschau und fügte an: „St. Pauli ist ein Verein mit Identität und Kultur, der die Menschen eines Bezirks stolz hinter sich vereint. Das hat mich inspiriert. Ich habe mich mit meinen Freunden zusammengetan und entschieden, etwas Ähnliches in Kolumbien zu starten", sagte er.

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Der Fußball rollt eigentlich ständig irgendwo in Chocó. Egal ob auf der Straße, in Gärten oder auf provisorischen Bolzplätzen. „Hier spielen die Kinder und Frauen Fußball, Leute, die im Büro arbeiten. Wir spielen Fußball auf Sand, barfuß, auf Kunstrasen, bei Sonne und bei Regen. Es ist der Sport, der durch die Venen aller Menschen hier fließt", berichtete Hernan Canola, der Sportdirektor von Choco Unido.

In der Region ist der Sport jedoch weit mehr als nur ein Hobby und Leidenschaft. Für viele junge Menschen ist mit dem Sport die Hoffnung auf ein besseres Leben verbunden, schließlich leben dort zwei von drei Menschen unterhalb der Armutsgrenze und haben weniger als drei Euro pro Tag zur Verfügung.

Drogenkartell erschwert Aufbau eines Proficlubs in Kolumbien

Zudem tobt in der Stadt, die in etwa so groß ist wie Offenbach, ein bitterer Bandenkrieg. Das Drogenkartell kontrolliert die Regenwaldregion, verordnet den Bürgern Ausgangssperren und verbietet Aktivitäten wie Fußball. Wer sich nicht daran hält, riskiert Strafen. Ein Leben als permanente Extremsituation. „Es geht weit über den Sport hinaus. Nicht nur der Sport kommt zum Stillstand, auch der Handel. Studierende sind betroffen und viele Menschen, die damit nichts zu tun haben. Einfach weil die Leute aus ihrer Machtposition sagen, soundso viele Tage keine Aktivität. Akzeptiert die Maßnahmen", berichtet Canola.

Trotz der Widrigkeiten glaubt man den Aufbau eines Profifußballclubs. „Die Fußballer in Chocó wachsen wild. Genauso lebendig wie unsere Vegetation sind unsere Spieler. Sie brauchen nur jemanden mit technischer und organisatorischer Erfahrung, damit sie ihren Traum vom Profifußball verwirklichen können. Überall auf der Welt spielen Fußballer aus Chocó, obwohl wir hier keinen einzigen Proficlub haben", sagte Oswaldo Moreno Blandon, Vorsitzender der Fußballschule "Los Papecitos".

Das Jugendprogramm von Chocó Unido kommt gut an. Inmitten von Sozialwohnungen trainiert Hernan Canola zweimal pro Woche mit Kindern und Jugendlichen aus der Gegend. „Ich stehe um fünf Uhr auf, um acht Uhr fange ich mit den Fußball-Aktivitäten an. Das geht dann so bis 16 oder 17 Uhr. Den Rest des Tages denke ich aber auch über Fußball nach. Also praktisch 25 von 24 Stunden", scherzte Canola.

Die Leidenschaft und das Engagement von Canola trägt bereits Früchte. In der Saison 2018/19 wurde Chocó Unido in der einzigen Liga der Region Meister. Das gefiel den etablierten Vereinen gar nicht, zumal viele gute Spieler zu dem 2918 gegründeten Verein abwanderten. Seit dem kooperiert Chocó mit den anderen Clubs und spielt vor allem bei nationalen Turnieren mit. Und das zahlt sich aus.

Bereits zehn Spieler von Unido sind zu größeren Vereinen in Kolumbien gewechselt. Das soll in Zukunft noch viel mehr werden. „Es würde so vielen Jugendlichen die Tür öffnen, ihren Traum zu verwirklichen. Wir haben das Talent, aber oft mangelt es an den Möglichkeiten, weil ein Proficlub fehlt", so Innenverteidiger Cesar Mosquera Garcia.

Chocó Unido müsste sich eine Lizenz kaufen

Bis es einen professionellen Erst-oder Zweitligaclub gibt, steht aber noch viel Arbeit an. Zumal die ersten beiden kolumbianischen Ligen eine "geschlossene Gesellschaft" sind. Einfach so sportlich aufsteigen? In den aktuellen Fußball-Strukturen nicht möglich. Die derzeit einzige Möglichkeit wäre, einem der 36 Proficlubs die Lizenz abkaufen.

Das würde umgerechnet rund drei Millionen Euro kosten. Dieses Geld will man mit Spielertransfers aufbringen. „Träume sind zum träumen da. Eines Tages werden sie wahr werden. Denke groß und etwas Großes wird passieren. Denke an etwas Gutes und etwas Gutes wird passieren. Wenn du klein denkst, wirst du gar nichts erreichen", sagte Fußballschulen-Chef Oswaldo Moreno Blandon.

Und genau das denkt auch Sportchef Canola. In fünf Jahren soll es endlich einen Proficlub geben. „Da liegt etwas vor uns, dass wir gerade nur erahnen können. Dieses Etwas könnte sehr groß sein. Groß für alle hier in einer Region, die vergessen worden ist. Vom Staat von der Gesellschaft. Niemand hat die Menschen hier gesehen, die so viel und doch so wenig haben."

Und wer weiß: Vielleicht wird es ja eines Tages mal ein Freundschaftsspiel gegen den FC St. Pauli geben. Träumen ist bei Chocó Unido nicht verboten.