Hamburg. Kiezclub lässt viele Torchancen liegen und gerät durch ein Traumtor in Rückstand. Mangelnde Effizienz bleibt der Kritikpunkt.

Am Ende stützten sich die Spieler des FC St. Pauli vor Erschöpfung auf ihre Knie oder ginge in die Hocke. Mit einer kämpferisch und spielerisch ansprechenden Leistung hatten sie dem SV Darmstadt 98, dem Tabellenführer der Zweiten Liga ein 1:1 (0:0) abgerungen.

Auch nach dem Rückstand früh in der zweiten Halbzeit hatte sich das Team vom Millerntor nicht entmutigen lassen und kam durch Lukas Daschner zum verdienten Ausgleich. Daschner verpasste mit einem Kopfball an den Pfosten sogar noch den Siegtreffer und einen Doppelpack für sich.

St. Pauli hadert mit der Chancenverwertung

„Vom Gefühl her hätte der Rückstand gar nicht sein müssen. Wir hatten zuvor Riesenchancen und hätten selber in Führung gehen müssen“, sagte Kapitän Leart Paqarada, der den geringen Ertrag trotz des „riesigen Aufwands“ monierte. „Zum Glück haben wir eine richtig gute Reaktion gezeigt und uns endlich mal belohnt mit dem Treffer.“

Ähnlich klang auch sein Co-Kapitän Jackson Irvine, der kurz nach dem Abpfiff nicht so richtig fassen konnte, dass dieses Spiel nicht gewonnen wurde. „Wir haben alles gegeben, mehr geht nicht. Es war von allem etwas dabei: Kampf, Herz, Mentalität und Kreativität. Aber wir hätten aber mehr Tore erzielen müssen“, sagte der Australier, dem der verpasste Sieg wehtue. „Wir müssen mit dieser Kritik umgehen“, ergänzte Torschütze Daschner zum Dauerthema mangelnde Effizienz.

Ein letzter Kommentar zu dieser Debatte von Trainer Timo Schultz: „Wir müssen in der ersten Hälfte Tore erzielen. Wenn wir solche Spiele gewinnen wollen, dann reicht es so nicht. Es ärgert mich, dass wir uns nicht belohnt haben. Ich komme mir dumm vor, mich jede Woche zu wiederholen.“

Warum St. Pauli die Startelf nicht veränderte

St. Paulis Trainer Timo Schultz hatte seine Startformation gegenüber dem ernüchternden 0:2 bei Arminia Bielefeld exakt eine Woche zuvor nicht verändert. „Ich habe Vertrauen in diese Spieler, die auch in Bielefeld viel richtig gemacht haben“, begründete Schultz vor dem Spiel seine Entscheidung. „Ich habe aber auch noch einige Jungs auf der Bank, die darauf brennen zu spielen und die auch reinkommen werden.

Für die Defensive bedeutete diese Kontinuität, dass zum vierten Mal in Folge, inklusive des Pokalspiels in Freiburg, Eric Smith als zentraler Spieler der Dreier-Abwehrkette fungierte. Neben ihm agierten Adam Dzwigala und Betim Fazliji. Als Außenverteidiger kamen erneut Manolis Saliakas und Leart Paqarada dazu, die beim gegnerischen Ballbesitz die Abwehrreihe zu einer Fünferkette verwandelten.

St. Pauli schon zum dritten Mal gegen Tabellenführer

Kurioserweise war Darmstadt 98 bereits die dritte Mannschaft, die sich im Millerntor-Stadion als Tabellenführer vorstellte – nach dem SC Paderborn, dem St. Pauli ein 2:2 abgetrotzt hatte, und gut zwei Wochen zuvor dem Stadtrivalen HSV, der 3:0 bezwungen wurde.

Es waren gerade einmal sieben Minuten gespielt, als Fazliji fast seinen eigenen Torwart bezwungen hätte. Doch Nikola Vasilj lenkte die völlig missglückte Kopfballabwehr mit einer Hand gerade noch auf die Latte des eigenen Tores und in der Folge zur Ecke, die dann ungefährlich blieb.

St. Pauli braucht dringend einen Stürmer

Auf der Gegenseite wurde wieder einmal St. Paulis Sturmproblem offenkundig. Der aussichtsreich im Strafraum angespielte Etienne Amenyido ließ den Ball gleich meterweit vom Fuß springen und klärte damit unfreiwillig die Situation, kurz danach verpasste Lukas Daschner allein vor dem Tor das Zuspiel von Marcel Hartel, der sich links stark gegen Patric Pfeiffer durchgesetzt hatte (15. Minute). Viel besser hätte man eine Torchance nicht herausspielen können.

Darmstadts Torhüter Marcel Schuhen (l., neben Ex-HSV-Profi Patric Pfeiffer) brachte St. Pauli das eine oder andere Mal zum Verzweifeln.
Darmstadts Torhüter Marcel Schuhen (l., neben Ex-HSV-Profi Patric Pfeiffer) brachte St. Pauli das eine oder andere Mal zum Verzweifeln. © Witters

Und so bot St. Pauli zum wiederholten Mal in einer ersten Halbzeit eine sehenswerte Partie mit guten Kombinationen nach vorn, doch der Abschluss blieb viel zu harmlos. Das traf auch auf St. Paulis beste Chance der ersten Halbzeit zu, als der australische WM-Fahrer Jackson Irvine von Amenyido per direkter Weiterleitung freigespielt wurde, den Ball durch die Beine von Torwart Marcel Schuhen schieben wollte, aber am Keeper scheiterte. (39.).

Danach brachten auch Paqarada (42.) und Amenyido (43.) den Ball nicht im Tor unter. 11:3 Torschüsse standen zur Pause für St. Pauli zu Buche. Und auch in allen anderen statistischen Werten waren die Hamburger vorn. Nur nach Toren stand es eben nur 0:0.

Darmstadt setzte St. Pauli plötzlich unter Druck

Ein völlig anderes Bild bot sich indes in den ersten Minuten der zweiten 45 Minuten. Plötzlich übernahm Darmstadt vehement das Kommando und demonstrierte nun auch offensiv, warum das Team die Liga anführt. Und nachdem Amenyido nach Musterflanke von Saliakas den Ball in die Arme von Schuhen geköpft hatte, führte ein Konter der Hessen zum 0:1. Der links freigespielte Frank Ronstadt düpierte mit zwei Wacklern Gegenspieler Irvine und zirkelte den Ball rechts oben ins St.-Pauli-Tor.

St. Paulis Trainer Schultz reagierte auf den Rückstand mit einem Dreierwechsel, was sich sofort auszahlte. Denn prompt fiel nach einer Kombination über links der 1:1-Ausgleich. Über Paqarada und die gerade eingewechselten Johannes Eggestein und Connor Metcalfe kam der Ball frei vor die Füße von Lukas Daschner, der den Ball sicher im Netz unterbrachte (69.).

Die Balleroberung von St. Paulis Leader Jackson Irvine (r., neben Darmstadts Vorlagenkönig Tobias Kempe) führte zum 1:1-Ausgleich.
Die Balleroberung von St. Paulis Leader Jackson Irvine (r., neben Darmstadts Vorlagenkönig Tobias Kempe) führte zum 1:1-Ausgleich. © Witters

Mit einem Kopfball an den Pfosten verpasste er es in der Schlussphase sogar noch, das Spiel komplett zu drehen. Am Ende hilft der eine Punkt St. Pauli nicht allzu viel im Kampf um den Klassenverbleib. Ein Klassenunterschied zum Tabellenführer war allerdings nicht zu erkennen gewesen. Mit einer konsequenteren Ausnutzung der eigenen Chancen wäre noch mehr möglich gewesen.

Die Statistik

  • St. Pauli: Vasilj - Dzwigala, Smith, Fazliji (68. Metcalfe) - Saliakas (76. Zander), Paqarada - Irvine, Aremu (68. Johannes Eggestein), Hartel - Amenyido (68. Otto), Daschner (89. Boukhalfa). - Trainer: Schultz
  • Darmstadt: Schuhen - Pfeiffer, Jannik Müller (66. Karic), Zimmermann - Bader, Tobias Kempe (90.+3 Leipold), Ronstadt (79. Vilhelmsson), Holland - Tietz, Mehlem (79. Ben Balla), Manu (90.+3 Riedel. - Trainer: Lieberknecht
  • Schiedsrichter: Bastian Dankert (Rostock)
  • Tore: 0:1 Ronstadt (60.), 1:1 Daschner (69.)
  • Zuschauer: 29.546 (ausverkauft)
  • Gelbe Karten: Fazliji (2), Saliakas (3), Aremu (2) - Mehlem (4)
  • Torschüsse: 23:15
  • Ecken: 6:6
  • Ballbesitz: 54:46 Prozent
  • Zweikämpfe: 87:73