Hamburg. Schweiz-Kosovare wurde aus der Not heraus zum Stammspieler. Wie sich der Verteidiger in Hamburg und dem neuen System zurechtfindet.
Blutflecken zierten das Sweatshirt von Betim Fazliji, das er sich nach dem Training des FC St. Pauli am Dienstagvormittag übergestreift hatte. „Es sieht schlimmer aus, als es ist. Uns ist vor dem Training Blut abgenommen worden, um zu überprüfen, ob wir alle Vitamine im Körper haben oder etwas fehlt. Danach hat es nicht aufgehört, weiter aus dem Finger zu bluten. Ich glaube, das Loch war ein bisschen zu tief“, erläutert der 23 Jahre alte Schweiz-Kosovare nach der intensiven Übungseinheit, die er problemlos bestreiten konnte.
Zuletzt hatte sich der Sommerzugang vom FC St. Gallen, den sich der FC St. Pauli eine Ablöse von immerhin rund 450.000 Euro hatte kosten lassen, stärker als zuvor in den Vordergrund gespielt. Grund dafür war, dass der Nationalspieler des Kosovo durch die Verletzungen der beiden Stamm-Innenverteidiger Jakov Medic (Schulter-OP) und David Nemeth (Schambeinentzündung) plötzlich erste Wahl bei der Besetzung einer der zentralen Abwehrpositionen ist.
St. Pauli: Fazliji nahm Bielefeld-Pleite richtig mit
Sowohl beim denkbar knappen Pokalaus beim SC Freiburg (1:2 n. V.) vor einer Woche als auch beim jüngsten 0:2 beim Liga-Konkurrenten Arminia Bielefeld, das Fazliji unumwunden als „Rückschlag“ bezeichnet, spielte er von Beginn an.
„Die Niederlage in Bielefeld hat mich ein, zwei Tage richtig mitgenommen“, gibt er zu. Schließlich war vorher die Stimmung nach dem 3:0 im Stadtderby gegen den HSV und der starken Leistung beim Freiburger Bundesliga-Topteam eine ganz andere gewesen.
„Wir dürfen aber jetzt nicht an dem Spiel gegen Bielefeld hängen bleiben, die Meisterschaft ist noch lang. „Wir haben eine neue Chance gegen Darmstadt. Das ist wieder ein Spiel gegen den Tabellenersten. Die müssen wir nutzen. Zu Hause sind wir eine Macht“, sagt er. Ebenfalls als Spitzenreiter war der HSV ins Millerntor-Stadion gekommen.
St. Pauli mit der HSV-Taktik gegen Darmstadt?
Auch gegen Darmstadt 98 wird er am Sonnabend (20.30 Uhr) zusammen mit Adam Dzwigala und Eric Smith die zentrale Dreier-Abwehrkette bilden, die bei gegnerischem Ballbesitz durch die Außenverteidiger Manolis Saliakas und Leart Paqarada zur Fünferkette mutiert.
St. Paulis Trainer Timo Schultz hatte diese Verteidigungsvariante als probates taktisches Mittel gegen den HSV ersonnen und auch in Freiburg praktizieren lassen. Jetzt wird es wegen der Ausfälle von Medic und Nemeth mindestens bis zur Winterpause zum Standard. „Mit Eric haben wir jetzt einen Mann mehr in der Abwehr, der bisher davor gespielt hat. So können wir hinten noch konsequenter verschieben, außen können wir besser die Flanken verhindern“, erklärt Fazliji.
Fazliji wagt „Schritt aus der Komfortzone“
Für ihn selbst stellen die verbleibenden vier Spiele bis zur langen Winterpause die Chance dar, sich auch im Hinblick auf die Rückrunde zu empfehlen. „Wenn man aus einer etwas schwächeren Liga kommt, braucht man etwas Zeit, um sich an das Niveau zu gewöhnen“, sagt er. Ebenso neu war es für Fazliji, nicht mehr im Elternhaus in St. Gallen zu wohnen.
„Der Anfang war nicht einfach – selber waschen, kochen, putzen, selbst den Müll rausbringen. Sonst hat das immer der Papa gemacht hat. Es hilft mir aber, aus der Komfortzone herauszukommen. Langsam bin ich ein selbstständiger Mann geworden“, sagt er.
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In einem Punkt ist Fazliji auf jeden Fall von seinem neuen Domizil positiv überrascht worden: „Vorher haben alle gesagt, in Hamburg werde das Wetter nicht so gut sein. Aber ich habe in der Schweiz noch nie so ein schönes Wetter gehabt wie hier.“ Da lässt sich auch ein blutender Finger verschmerzen.