Hamburg. Der FC St. Pauli erweist sich beim 0:2 in Bielefeld wieder als idealer Aufbaugegner. Derbysieg bleibt ohne nachhaltige Wirkung

Innerhalb einer guten Woche haben die Spieler des FC St. Pauli mit Taten genau das bestätigt, was ihr Trainer Timo Schultz schon vor dem Stadtderby gegen den HSV am vorvergangenen Freitag festgestellt hatte. „Wir können gegen jeden Gegner in dieser Liga gewinnen, wenn wir am Schlag spielen – wir können aber auch gegen jeden verlieren“, lautete der Satz.

Teil eins hatte sein Team bekanntlich mit dem 3:0 gegen den damaligen Tabellenführer HSV bestätigt, Teil zwei, auf den Schultz diesmal liebend gern verzichtet hätte, lieferte das Team mit dem 0:2 am Sonnabendabend bei Arminia Bielefeld nach. Die Ostwestfalen waren als Liga-Schlusslicht in den Spieltag gegangen und hatten sich drei Tage zuvor mit dem 0:6 im DFB-Pokal beim VfB Stuttgart kräftig blamiert.

"Das schaffen wir schon in der ganzen Saison nicht“

Besser als der Spitzenreiter, schlechter als der Letzte – allein mit der oft zitierten Ausgeglichenheit der Zweiten Liga ist diese Fluktuation der St.-Pauli-Mannschaft nicht mehr zu erklären. Wie schon bei den Auswärtsniederlagen beim SSV Jahn Regensburg (0:2) und Eintracht Braunschweig (1:2) erwiesen sich die Braun-Weißen jetzt auch in Bielefeld als ein idealer Aufbaugegner, der offensiv harmlos und mental instabil ist sowie in der Defensive immer mal wieder zu Unaufmerksamkeiten neigt, die vor allem auswärts regelmäßig zu Gegentoren führt.

„Was mich stört, ist, dass wir in der zweiten Halbzeit aufgehört haben, mit Überzeugung Fußball zu spielen“, kritisierte Trainer Timo Schultz denn auch sein Team, das im ersten Abschnitt das Spiel deutlich beherrscht und die Bielefelder überhaupt zur Entfaltung hatten kommen lassen. „Viel besser und abgeklärter als in der ersten Halbzeit kann man nicht spielen. Diese Momente müssen wir auf unsere Seite ziehen. Das schaffen wir schon in der ganzen Saison nicht“, stellte Schultz weiter treffend fest.

Matanovic, Otto und Eggestein blieben wirkungslos

Vor allem Marcel Hartel (19. Minute) und Etienne Amenyido (32.) hatten es verpasst, ihre Großchancen zu verwerten. Ein St.-Pauli-Führungstreffer hätte die Stimmung unter den Arminia-Fans zweifellos gegen die eigene Elf kippen lassen. Stattdessen aber kippte das Spiel im zweiten Durchgang. „Bielefeld hat uns den Schneid abgekauft“, konstatierte Schultz frustriert. Die schwache Quote von nur 42 Prozent gewonnenen Zweikämpfen belegt dieses Manko.

Auffällig war, dass wie schon beim 1:2 in Braunschweig eingewechselte Spieler den Ausschlag gaben. War es für die Eintracht Immanuel Pherai, der mit seinen beiden Treffern das Spiel drehte, gelang jetzt auf der Bielefelder Alm Stürmer Janni Serra ein Doppelpack. Dagegen blieben St. Paulis Joker, insbesondere die offensiven David Otto, Igor Matanovic und Johannes Eggestein wirkungslos.

Mittelfeldspieler Hartel entschuldigt sich beim Team

Und so bleiben die seit Wochen diskutierten Themen aktuell. In der Offensive gibt es keinen wirklich torgefährlichen Spieler. Und in der grundsätzlich stabilen Defensive führt fast jeder Fehler zu einem Gegentreffer. Immerhin stimmt der Teamgeist offenbar. Jedenfalls dachte Leistungsträger Marcel Hartel angesichts seiner vergebenen Großchance und seines Fehlpasses vor dem 0:1 vor allem an seine Mitspieler.

„Es ist einfach bitter, dass ich im Mittelfeld den Ball verliere. Es tut mir für die Mannschaft sehr leid. Ich entschuldige mich bei ihr“, sagte der Mittelfeldspieler, der mit drei Torschüssen der Akteur war, der teamintern die meisten Abschlüsse wagte und mit 12,01 Kilometern wieder die Laufbestleistung aufstellte.

"Es geht darum, dass wir ins Punkten kommen“

„Wir dürfen uns das Selbstvertrauen, das wir vorher getankt haben, jetzt nicht durch dieses eine Spiel nehmen lassen“, mahnte Hartel. Fakt ist jedoch, dass der Auftritt in Bielefeld ein Rückfall in den vor allem in Auswärtsspielen gewohnten Verlierermodus war. Der Sieg im Stadtderby und der Pokalfight in Freiburg (1:2 n.V.) haben das Selbstbewusstsein des Teams offenbar nicht nachhaltig gestärkt.

Schon vor dem Spiel hatte St. Paulis Sportchef Andreas Bornemann klargestellt, dass etwaige Aufstiegsambitionen ad acta gelegt sind. „In dieser Saison beschäftigen wir uns mit anderen Dingen als mit dem Aufstieg. Das ist ersichtlich aus den ersten Spielen und den Abständen. Es geht darum, dass wir ins Punkten kommen“, sagt er.

Der aktuell belegte zwölfte Tabellenplatz täuscht sogar ein wenig über die Brisanz der Lage hinweg. Der Vorsprung auf den jetzt Tabellen-17. Bielefeld ist auf drei Punkte geschrumpft. „Ich bin weit davon entfernt, nach dem 13. Spieltag den Abstiegskampf auszurufen. Aber man darf die Situation auch nicht unterschätzen“, sagte Timo Schultz dazu.

Am Sonnabend kommt Darmstadt nach Hamburg

Am kommenden Sonnabend (20.30 Uhr) kommt Darmstadt 98 ins Millerntor-Stadion. Da sollten die St.-Pauli-Spieler noch einmal Teil eins der These ihres Trainers („Wir können gegen jeden gewinnen“) umsetzen, um nicht als Abstiegskandidat in die nur zwei Wochen später beginnende WM- und Winterpause zu gehen. Die gute Nachricht dazu: Darmstadt wird als Spitzenreiter auflaufen. Einen Aufbaugegner braucht dieses Team jedenfalls nicht.

Bielefeld: Fraisl – Klünter (68. Gebauer), Hüsing, Andrade, Oczipka – Lepinjica – Consbruch (68. Lasme), Rzatkowski (90.+1 Prietl) – Robin Hack (90.+1 Ramos), Okugawa - Klos (60. Serra). St. Pauli: Vasilj – Saliakas, Dzwigala (81. Ritzka), Smith, Fazliji, Paqarada – Aremu (81. Metcalfe) – Irvine (88. Johannes Eggestein), Hartel – Amenyido (64. Otto), Daschner (81. Matanovic).
Tore:
1:0 Serra (76.), 2:0 Serra (84.). Schiedsrichter: Benjamin Cortus (Röthenbach). Zuschauer: 22.626, Gelbe Karten: Lepinjica (4) – Irvine (6), Smith (3).
Statistik:
Torschüsse: 10:10, Ecken: 2:3, Ballbesitz: 44:56 Prozent, Zweikämpfe: 112:81, Laufleistung: 121,31:118,65 km.