Hannover/Hamburg. Der spät erkämpfte Punkt beim 2:2 in Hannover kann eine Signalwirkung haben. Ärger über Entscheidung von Schiedsrichter Felix Zwayer.

Die Gesichter der St.-Pauli-Profis waren fröhlich und entspannt, als sie sich am Sonntagmittag auf ihre lockere Radtour durch den Wald aufmachten. Das Tor in letzter Minute am späten Sonnabendabend in Hannover, das sie vor der ersten Saisonniederlage bewahrt hatte, war nach der Rückreise und der kurzen Nacht noch in bester Erinnerung. Die Einschätzung, dass das durch den Kopfball-Treffer von Jackson Irvine kurz vor dem Schlusspfiff erreichte 2:2 (1:1) beim stark eingeschätzten Team von Hannover 96 ein gerechtes Ergebnis war, hatte auch tags darauf noch Bestand.

„Vier Punkte nach zwei Spielen sind für unsere Verhältnisse schon sehr ordentlich“, hatte Trainer Timo Schultz nach dem Spiel gesagt. Dabei meinte er mit den „Verhältnissen“ offenbar die Zweifel an der Leistungsfähigkeit des Teams nach den Abgängen der Top-Offensivspieler Guido Burgstaller und Daniel-Kofi Kyereh, die in der vergangenen Saison 30 der 61 eigenen Treffer erzielt hatten.

Zweite Liga: St.-Pauli-Team erzielt viele Treffer

Dazu kam der anspruchsvolle Spielplan, der dem Millerntorteam zum Auftakt mit dem 1. FC Nürnberg und Hannover 96 gleich zwei Teams als Gegner beschert hat, die mit ihren aufwendigen Aktivitäten auf dem Transfermarkt für Aufsehen gesorgt und sich so als Aufstiegsanwärter profiliert hatten.

Was sich schon beim 3:2-Sieg gegen Nürnberg abgezeichnet hatte, setzte sich jetzt am lauen Sommerabend in Hannover fort: Das aktuelle St.-Pauli-Team ist wie das in der vergangenen Saison in der Lage, vergleichsweise viele Treffer zu erzielen. Fünf sind es jetzt nach zwei Begegnungen, die sich schon auf vier verschiedene Torschützen verteilen, was ein Beleg für die neue Unberechenbarkeit ist.

Johannes Eggestein in Hannover aufgewachsen

Dass jetzt der als neuer Topstürmer verpflichtete Johannes Eggestein in Hannover Teil dieses Kreises wurde, passte besonders gut, ist er doch in Hannover aufgewachsen und wusste, dass etliche Familienmitglieder und Freunde auf der Tribüne Zeuge seines Tordebüts wurden. „Auch wenn ich nie für Hannover 96 gespielt habe, habe ich mich hier doch ein bisschen heimisch gefühlt“, sagte Eggestein nach dem Spiel denn auch. „Mein Tor wäre aber nichts wert gewesen, wenn wir hier verloren hätten.“

Das späte Ausgleichstor in der fünften Minute der Nachspielzeit zum 2:2 war zudem ein Beweis für die Moral, die die St. Paulianer nach den beiden Gegentoren an den Tag gelegt hatten. In der gesamten vergangenen Saison hatte das Team lediglich im Heimspiel gegen Aue (ebenfalls 2:2) durch einen solchen Last-minute-Treffer noch einen Punkt gerettet. Deutlich häufiger gingen eigene Führungen durch späte Gegentore noch verloren. Besonders schmerzhaft in Erinnerung sind da die Spiele in der Schlussphase der vergangenen Saison, als in Sandhausen und gegen Nürnberg (je 1:1) insgesamt vier Punkte eingebüßt wurden.

"Der Punktgewinn erhält die positive Stimmung“

„Es war sehr wichtig, hier nicht verloren zu haben. So halten wir unsere positive Energie am Leben“, sagte Last-minute-Torschütze Irvine. „Wir haben nach dem Rückstand eine großartige Haltung gezeigt. Der Punktgewinn erhält die positive Stimmung.“ Das sei in der vergangenen Saison oft nicht so gewesen. Insofern kann dieses Erlebnis über den Tag hinaus, womöglich auch für den weiteren Saisonverlauf positive Auswirkungen haben.

„Wir wissen, dass bei uns in dieser Saison andere Spieler in der Pflicht stehen, Tore zu erzielen“, sagte der Co-Kapitän weiter. Auch er habe sich vorgenommen, zu mehr eigenen Treffern zu kommen. Jetzt führt der 29 Jahre alte Australier die interne, zugegebenermaßen noch nicht sehr aussagekräftige Torjägerrangliste mit zwei Treffern an. „Es ist ein gutes Gefühl, schon jetzt die Gesamttorezahl der letzten Saison übertroffen zu haben“, sagte er. Da hatte er genau einmal getroffen.

Ärger über Entscheidung von Schiedsrichter Felix Zwayer

„Es wird uns Kräfte verleihen, dass wir in der Nachspielzeit noch diesen einen Punkt gerettet haben. So ein Lucky Punch tut einfach gut. Es zeigt uns außerdem, dass wir nie aufgeben sollten und Fußball immer über 90 Minuten hinausgeht“, sagte Mittelfeldspieler Marcel Hartel im Hinblick auf die kommenden Wochen. „Die Jungs haben bis zum Schluss an sich geglaubt“, stellte Schultz treffend fest.

Das größte Aufregerthema des Spiels war zweifellos der Elfmeter, den Schiedsrichter Felix Zwayer nach gut einer halben Stunde wegen eines angeblichen Handspiels von Innenverteidiger Adam Dzwigala verhängte. Hannovers Sebastian Kerk nutzte diese Chance, um das 1:1 zu erzielen. Obwohl der Pole den Arm nah am Körper hatte, sah Zwayer nach Kerks Flanke die Berührung von Ball und Oberarm als strafbare Handlung an.

Zweite Liga: Fehlentscheidung konnte nicht belegt werden

Die Videoüberprüfung führte zu keinem anderen Ergebnis, weil es angeblich keine geeignete Kameraeinstellung gab, die eine Fehlentscheidung belegen konnte. „Es war kein Elfmeter“, stellte später sogar Hannovers Trainer Stefan Leitl fest. Schultz fühlte sich in seiner Abneigung gegen den Videobeweis bestätigt und sagte über Zwayer. „Es ist nicht das erste Mal, dass er irgendwelche wilden Entscheidungen trifft, die völlig unnütz sind. So einen Elfer möchte ich auch nicht bekommen.“

Hannover 96: Zieler – Dehm (54. Muroya), Neumann, Börner, Köhn – Kunze – Schaub (79. Leopold), Besuschkow – Kerk (79. Teuchert) – Nielsen (88. Stolze), Beier (88. Weydandt).

FC St. Pauli: Smarsch – Saliakas (81. Zander), Dzwigala, Medic (68. Fazliji), Paqarada – Smith (81. Boukhalfa) – Irvine, Hartel (81. Metcalfe) – Daschner – J. Eggestein, Matanovic (58. Otto). Tore: 0:1 Eggestein (4.), 1:1 Kerk (33., Handelfmeter), 2:1 Köhn (71.), 2:2 Irvine (90.+5); SR: Zwayer (Berlin); Z.: 33.600; Gelbe Karten: Dehm – Medic, Smith, Irvine (2); Statistik: Torschüsse: 14:16, Ecken: 2:6, Ballbesitz: 48:52 Prozent, Zweikämpfe: 105:97, Laufleistung: 116,68:116,65.