Hamburg. Am Freitag startet die zweithöchste Spielklasse in die neue Saison – der HSV gilt als Favorit, Skepsis hingegen bezüglich St. Pauli.
„Tolle Parade“ lobte „Burgstaller“, und „Justin“ ergänzte: „Smarsch ist schon krass.“ Die beiden etwa Zehnjährigen mit den Namen ihrer Idole auf dem Trikot schauten sich am Dienstag mit weiteren rund 80 Kindern eines Ferien-Fußballcamps das Training beim FC St. Pauli an. Direkt vor ihren Augen drillte Torwarttrainer Marco Knoop (43) die Schlussleute Dennis Smarsch, Nikola Vasilj und Sören Ahlers. Die Frage nach der Nummer eins ist vier Tage vor dem Saisonauftakt am Sonnabend (13 Uhr/Sky) am Millerntor gegen den 1. FC Nürnberg noch nicht verkündet – es wird also ernst.
Schon am Freitag startet die eingleisige Zweite Liga in ihre 31. Saison seit 1992. Im Fritz-Walter-Stadion empfängt im Auftaktspiel ab 20.30 Uhr (Sat.1, Sky) der Aufsteiger 1. FC Kaiserslautern den Aufstiegs-Mitfavoriten Hannover 96. 40.000 Fans werden erwartet.
2. Liga freut sich über Traditionsclubs
Die Lust auf die Liga ist ungebrochen – nicht nur beim Altmeister aus der Pfalz, der 17.000 Dauerkarten abgesetzt hat. Die Entscheidung der DFL gemeinsam mit den TV-Verantwortlichen von Sat.1 und Sky, den Saisonbeginn im Free-TV bei einem „neuen“ Club zu begehen, hat Charme. „Kaiserslautern ist eine überragende Bereicherung“, sagt Sky-Kommentator Stefan Hempel: „In der Zweiten Liga waren sie bei den Einschaltquoten immer unter den Top fünf beider Bundesligen.“
Für den Pay-TV-Sender ist die Zweite Liga schon deshalb ein Premiumprodukt, das ganz besonders gepflegt werden muss, weil es die einzige Liga ist, in der Sky noch die exklusiven Liverechte an wirklich allen Spielen hat. Bundesliga, DFB-Pokal, Champions League und die Europa League sind mittlerweile schwer durchschaubar auf diverse Kanäle verteilt.
2. Liga mit brisanten Derbys
Nach dem Aufstieg von Werder Bremen und Schalke 04 ist eine Vermarktung als „stärkste Zweite Liga aller Zeiten“ nicht mehr möglich. Emotional wird es dennoch. Durch die Auf- und Abstiege kommt es schließlich zu zahlreichen hochbrisanten Nachbarschaftsduellen: Nürnberg gegen Fürth, Bielefeld gegen Paderborn, Hannover gegen Braunschweig, Kaiserslautern gegen Karlsruhe sowie der Ostklassiker Rostock gegen Magdeburg. Und ja: HSV gegen den FC St. Pauli.
Da sind Spannungen wahrscheinlich, die sportliche Spannung scheint überdies garantiert. „Es wird sechs, sieben Mannschaften geben, die um den Aufstieg spielen können“, erwartet Sky-Experte Torsten Mattuschka (41), der mit St. Paulis Ex-Trainer und Ex-Marken-Botschafter Ewald Lienen (68) auf einer Veranstaltung des TV-Senders in St. Georg auftrat, „und es kommt sicher wieder einer dazu, mit dem noch niemand rechnet.“
Favorit der Saison: Der HSV
Hannover 96 mit prominenten Spielerzugängen wie dem Ex-Kölner und Ex-HSVer Louis Schaub und dem aus Fürth aufstiegserfahrenen neuen Trainer Stefan Leitl gilt als aussichtsreich. Auch Fortuna Düsseldorf, das in der Rückrunde unter Trainer Daniel Thioune in 13 Spielen nur einmal verloren hat. „Nürnberg, Paderborn, Karlsruhe, selbst Regensburg und Heidenheim mit Trainer Frank Schmidt haben auch Chancen“, meint Lienen.
Topfavorit aber ist, da sind sich alle einig, der HSV. Nach dem Abgang der anderen „Dickschiffe“ aus Bremen und Schalke ist der Club vom Volkspark der größte Verein mit der größten Strahlkraft. Das Onlineportal „Transfermarkt“ schätzt die Spieler mit einem Marktwert von 35 Millionen Euro als wertvollsten Kader ein (siehe Tabelle). „Sie waren vergangene Saison schon sehr stabil, stellten die beste Abwehr und hatten die wenigsten Niederlagen. Aber sie haben es nicht geschafft, die nötigen Tore zu erzielen“, weiß Lienen. „Sie sind im Grunde zusammengeblieben und haben einige talentierte Spieler dazubekommen. Diese Kontinuität kann eine Rolle spielen.“
Mattuschka: Matanovic schießt 20 Tore
Und der FC St. Pauli? Skepsis. „Ich glaube nicht, dass St. Pauli die Rolle spielen kann wie in der vergangenen Saison“, meint Mattuschka, „sie waren sehr von Daniel-Kofi Kyereh und Guido Burgstaller abhängig. Die beiden kannst du nicht ersetzen.“ Dennoch bietet „Tusche“ eine spannende Wette an: „Igor Matanovic schießt mindestens 20 Tore.“ Der 19 Jahre junge Mittelstürmer steht für den Weg, den St. Pauli gehen will. „Matanovic ist ein überragendes Talent, das ist ein Spieler, der seinen Weg gehen wird“, sagt auch Lienen. Mit nur 23,4 Jahren stellen die Kiezkicker derzeit den jüngsten Kader der Liga. „Entwicklung“ lautet das Credo von Sportchef Andreas Bornemann, und so ist auch bei den Zugängen kein Spieler älter als 25 Jahre.
Die Frustbewältigung des verpassten Aufstiegs ist die schwierigste Aufgabe für Trainer Timo Schultz, meint Vor-vor-vor-vorgänger Lienen: „Es gibt nichts Schlimmeres für einen Zweitligisten, als gut zu spielen und Vierter oder Fünfter zu werden. Ich habe das damals selbst erlebt, als wir Vierter wurden.“ Das war 2016 – im Jahr drauf war lange Zeit Abstiegskampf.
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Am Spielstil wird sich voraussichtlich nicht viel ändern, nur dass die Außenverteidiger noch offensiver agieren sollen und im Angriff mehr Flexibilität herrscht. Kyereh und Burgstaller waren zwar dominant, aber praktisch die Einzigen, die wirklich torgefährlich waren. „Wenn sich die Zugänge schnell integrieren, dann kann St. Pauli eventuell doch wieder oben mitspielen“, sagt/hofft Lienen.
In drei Tagen wird man schon etwas mehr wissen. Nach der Rückkehr aus dem Trainingslager wird an der Kollau intensiv am letzten Feinschliff gearbeitet. Die Mannschaft übte am Dienstag Positionsspiel, die Torhüter mussten ihre Paraden trotz Sichtbehinderung durch Dummies zeigen. „Smarsch, Smarsch!“ riefen nach einer gelungenen Flugeinlage die Kinder. Der Keeper lachte: „Danke, Männer!“