Hamburg. Vetorecht gegen Training der Nationalteams einiger Länder auf dem Platz der Kiezkicker bei der EM 2024 sorgt für Diskussionen.

Ist der FC St. Pauli ein zu wählerischer oder gar launischer Gastgeber oder doch einfach nur konsequent im Verfolgen und Umsetzen seiner Werte und Leitlinien? Diese Frage ist in den vergangenen Tagen gleich in zwei Fällen aufgekommen. Nach der Absage an den Hamburger Regionalligaclub FC Teutonia 05, der sein DFB-Pokalspiel gegen RB Leipzig im Millerntor-Stadion austragen wollte und nun stattdessen nach Dessau ausweicht, ist St. Pauli jetzt im Zusammenhang mit der Fußball-Europameisterschaft 2024 in die Diskussion geraten.

Anlass dafür ist, dass sich die Clubführung das Recht vorbehält, darüber zu entscheiden, welche Nationalmannschaften das Millerntor-Stadion während der EM als Trainingsstätte nutzen dürfen und welche nicht. Zuerst hatte die „Süddeutsche Zeitung“ über diese Klausel berichtet, auf die der FC St. Pauli in seiner Vereinbarung mit dem europäischen Verband Uefa und dem DFB als EM-Ausrichter bestanden hatte.

FC St. Pauli: Millerntor-Stadion als EM-Trainingsstätte

Diesem Wunsch wurde letztlich auch entsprochen, sodass das Millerntor-Stadion nun zu einer der bundesweit bisher knapp 50 möglichen Trainingsstätten während der EM gehört. Dabei hatte sich St. Pauli nicht von sich aus darum beworben, vielmehr waren die Verbände an den Club herangetreten. St. Pauli hatte dabei auch darauf bestanden, dass die großen Parolen an den Tribünen – „Kein Fußball den Faschisten“ und „Kein Mensch ist illegal“ – nicht abgehängt werden dürfen.

Angesichts der im Volksparkstadion vorgesehenen fünf EM-Spiele kämen maximal zehn Nationalteams in Betracht, die St. Paulis Stadion als Trainingsstätte in den Tagen vor ihren Partien nutzen könnten. Konkret äußern zum Vetorecht wollte sich der FC St. Pauli nicht und verwies darauf, dass es sich um interne Abmachungen handele. „Generell behält es sich der FC St. Pauli aber vor, von seinem Hausrecht Gebrauch zu machen, und achtet auch bei der Auswahl seiner Partner darauf, dass diese zum Verein, seinen Werten sowie unseren nachhaltigen Zielen passen“, teilte der Verein mit.

Durch die Vereinssatzung und die nicht nur bei Spielen, sondern auch sonst geltende Stadionordnung dürfte das Recht gedeckt sein, Mannschaften, die naturgemäß als Repräsentanten ihres Landes fungieren und instrumentalisiert werden, abzulehnen. Ob der FC St. Pauli am Ende von seinem Vetorecht überhaupt Gebrauch machen wird, ist eher unwahrscheinlich, da die überwiegende Mehrheit der 55 europäischen Länder, deren Teams einen der – neben dem gesetzten Gastgeber – 23 noch zu vergebenden EM-Startplätze ergattern möchten, als unbedenklich gelten.

Die Vereinbarung zwischen St. Pauli und den Verbänden wurde nach Abendblatt-Informationen allerdings bereits getroffen, bevor Russland am 28. Februar wegen seines Angriffskrieges gegen die Ukraine von der Uefa bis auf Weiteres von allen Wettbewerben ausgeschlossen worden war. Es liegt auf der Hand, dass auch die von den Despoten Viktor Orban und Recep Tayyip Erdogan regierten Länder Ungarn und Türkei, in denen es mit der Wahrung der demokratischen Grundrechte nicht zum Besten bestellt ist, zu den bedenklichen Kandidaten gehören.

Am Ende wird St. Paulis Präsidium über eine Ablehnung einzelner Teams entscheiden müssen. Oder aber man sichert sich über ein Votum der Mitglieder ab. Die Stadt wollte sich auf Anfrage zu dem Vorgang vorerst noch nicht äußern.

Die DFL hat St. Paulis Saisonauftaktspiel der Zweiten Liga gegen den 1. FC Nürnberg auf Sonnabend, 16. Juli, 13 Uhr, terminiert. Das Auswärtsspiel bei Hannover 96 wird am Sonnabend, 23. Juli, um 20.30 Uhr angepfiffen.

Neuzugang Johannes Eggestein (24) nahm am Mittwoch noch nicht am Teamtraining teil, sondern beobachtete dieses am Spielfeldrand vom Fahrrad-Ergometer aus.