Hamburg. FC-St.-Pauli-Mitglied Daniela Wurbs setzt sich für nicht diskriminierende Sprache ein. Eine Plattform soll bei dieser Mission helfen.

Sie war natürlich ein paar Tage frustriert, wollte sich mit dem Thema „verpasster Aufstieg“ nicht mehr beschäftigen – aber zum Glück bleibt kein Schmerz ewig, und allmählich steigt bei Daniela Wurbs (42) wieder die Vorfreude auf die neue Saison beim FC St. Pauli. Seinen Verein, heißt es, kann man sich ja nicht aussuchen.

Sie hat früher schon im Fanladen des Clubs mitgearbeitet, ist ehrenamtlich im Vorstand des Vereins „Jugend und Sport e.V.“ engagiert, der Trägerverein der beiden Hamburger Fanprojekte ist. Sie war Mitbegründerin und Geschäftsführerin der heute größten Fußballfanorganisation Europas „Football Supporters Eu­rope“ (FSE). Beruf Fan? Kann man so zuspitzen, aber das wird der Diplom-Sozialpädagogin sicher nicht gerecht.

FC St. Pauli: Wurbs setzt für Inklusion ein

Seit 2017 ist Daniela Wurbs für die „BundesBehindertenFanArbeitsgemeinschaft“ (BBAG) tätig und leitet dort die Fachberatungsstelle KickIn!, die sich für mehr Inklusion im Fußball einsetzt. Ihr neuestes Projekt ist nun die Online-Plattform SprachKick, die sie als Projektleiterin verantwortet.

Das ist eine gemeinsame Aktion des DFB, der Aktion Mensch und eben von KickIn! Die DFL unterstützt das Projekt ebenfalls finanziell und hat sich auch inhaltlich am Entstehungsprozess beteiligt. „Was für ein schwuler Pass!“, „Schiri, du blinde Sau!“, „Der Schwarze ist ein übler Treter!“ Auf Stadiontribünen und in Kurven geht es nicht immer zimperlich zu, oft ist die Sprache diskriminierend, mal mehr, mal weniger klar. Dafür Aufmerksamkeit und Aufklärung zu schaffen, ist das Ziel der Webseite.

SprachKick kann bei Nichtwissen helfen

Entstanden ist die Idee aus der Arbeit für KickIn!, wo Fangruppen und Vereine zu den Themen Inklusion und Teilhabe beraten werden. „Dabei ist aufgefallen, dass viele Menschen unsicher sind, wie sie bestimmte Personenkreise oder Merkmale benennen sollten“, erklärt Wurbs. „Diskriminierende Sprache kann auch oft aus Nichtwissen heraus geschehen.“

Wenn jemand im Stadion oder sonst irgendwo einen anderen beleidigen will, dann wird er das tun. Wenn jemand das N-Wort nutzt, tut er das bewusst. Es gehe um diejenigen, die eigentlich gar nicht abwerten oder beleidigen wollen. „Was uns auf vielen Ebenen immer wieder begegnet, ist eine große Verunsicherung, welche Begriffe denn jetzt richtig sind“, sagt Daniela Wurbs. Dabei kann SprachKick helfen. Auch auf „Fallen“ wird aufmerksam gemacht, die oft gar nicht so klar sind: „Ein Beispiel ist ,Tickets für sozial Schwache‘ – ,sozial schwach‘ gilt als diskriminierend. Die so bezeichneten Menschen haben keine mangelnden sozialen Fähigkeiten, sie sind einfach materiell arm.“

"Behindertenfeindliche Sprache sehr verbreitet"

Seit Anfang April ist die Webseite online, und die Resonanz ist groß. Mehr als 40.000 Zugriffe hat es allein im ersten Monat gegeben. In vier Bereiche, aus denen diskriminierende Sprache überwiegend entlehnt wird, sind die Themen aufgeteilt: Ethnische Herkunft und Religion, Geschlecht und sexuelle Orientierung, Behinderung und Alter sowie soziale Herkunft und Status. Rassistische Beschimpfungen haben in den Stadien abgenommen in den vergangenen Jahren“, sagt Wurbs.

„Dagegen stellen wir fest, dass behindertenfeindliche Sprache heutzutage noch sehr viel verbreiteter ist. Ausdrücke wie ,Spasti‘, ,behinderter Pass‘ und Ähnliches gelten vielerorts leider nach wie vor als normal. Sie sind aber gleichermaßen diskriminierend für die Betroffenen.“

Fußball hat große mediale Sichtbarkeit

Gerade weil der Ton in der Gesellschaft allgemein rauer geworden ist, kommt dem Fußball eine besondere Bedeutung bei diesem Thema zu, meint Daniela Wurbs: „Der Fußball hat eine so große Breitenwirksamkeit und mediale Sichtbarkeit, dass Vereine mit ihrer Sprache und Reichweite eine sehr prägende Wirkung auf ihre Zielgruppen über den Fußball hinaus haben.“

Vielen Clubs und Verbänden ist das bewusst. Sie schicken ihre Medienmitarbeiter in Lehrgänge, Workshops und Fortbildungen zu diesem Thema. Auch Fanprojekte sollen erreicht werden. Mitte Mai fand ein DFB-DFL-Fachtag für Antidiskriminierung statt. „Wir merken, dass das Thema die Menschen im Fußball sehr interessiert, und das ist toll und wichtig“, sagt die Projektleiterin.

FC St. Pauli – auch hier ist nicht alles perfekt

Ist es ein Zufall, dass jemand solche Themen bearbeitet und anschiebt, der als St.-Pauli-Fan sozialisiert ist? Mag sein. „Dieser Verein und seine Fans sind offen dafür, eine breitere Palette an Themen zu diskutieren, und grundsätzlich auch offen dafür, sich zu engagieren“, meint Daniela Wurbs. Das heißt aber nicht, dass alles perfekt ist am Millerntor.

Das ist es natürlich nicht. „Es ist ja interessant, dass die Zusammensetzung der Fans im Stadion bei uns im Durchschnitt nicht viel anders ist als bei anderen Profivereinen“, weiß die Gegengeraden-Steherin: „Ich muss mich als St.-Pauli-Fan eben auch fragen: Wo haben wir Strukturen, die Teilhabe verhindern?“