Hamburg. Kiezclub stürmt mit Heimrekord zur Herbstmeisterschaft, doch Vorsicht ist geboten. Frotzeleien in Richtung Cheftrainer Schultz.
Am frühen Sonntagmittag, rund 13 Stunden nach dem Abpfiff im Millerntor-Stadion, trotzten die Profis des FC St. Pauli dem Schneeregen und gingen auf ihre Laufrunde durch das im Niendorfer Gehege. Auch die Pfützen und der Matsch auf den Wegen konnten ihnen nach dem zunächst sehenswert herausgespielten und am Ende hart erkämpften 2:1 (2:0)-Sieg über den FC Schalke 04 nicht die gute Laune verderben.
Dieser achte Sieg im achten Heimspiel der Saison bedeutete nicht nur einen neuen vereinsinternen Rekord (bisher sieben Heimsiege in Folge in der Saison 1994/95), sondern sicherte dem Team auch vorzeitig die Herbstmeisterschaft in der Zweiten Liga.
St. Pauli: Frotzeleien über Schultz-Rückkehr
„Darüber haben wir uns gar keine Gedanken gemacht, sondern den vollen Fokus auf die Trainingswoche und das Spiel gelegt. Es war kein großes Thema“, beteuerte nach dem Spiel St. Paulis Co-Trainer Loïc Favé zu der Chance auf diesen inoffiziellen Titel. Wie schon beim 3:2 in Nürnberg hatte Favé gemeinsam mit seinem Kollegen Fabian Hürzeler (beide 28) erneut Cheftrainer Timo Schultz (44) am Spielfeldrand vertreten.
In der zweiten Hälfte dieser Woche könnte Schultz bei einem negativem Corona-Testergebnis seine häusliche Quarantäne wieder verlassen und seine Arbeit wieder aufnehmen. Nach der optimalen Punktausbeute seiner beiden Assistenten gegen Nürnberg und Schalke kamen aber auch schon erste Frotzeleien auf, dass seine Anwesenheit ja auch künftig eigentlich gar nicht mehr nötig sei. Doch Favé betonte: „Hoffentlich ist Timo beim nächsten Spiel in Düsseldorf wieder dabei.“
St. Pauli besiegt Schalke – die Bilder:
FC St. Pauli schlägt Schalke 04 im Topspiel
Zuschauerkapazität doch nicht ausgereizt
Nachdem die Verfolger Darmstadt (1:3 gegen Düsseldorf) und Paderborn (1:1 in Sandhausen) schon zuvor optimale Vorlagen geliefert hatten, nutzten die St. Paulianer die Chance, sich oben in der Tabelle ein gutes Stück abzusetzen. Am Sonntag taten ihnen auch noch Regensburg (0:3 in Heidenheim) und der HSV (0:1 in Hannover) den Gefallen, auf Abstand zu bleiben. Besser hätte das Wochenende für St. Pauli angesichts von nun sechs Punkten Vorsprung auf Rang zwei nicht laufen können.
Daran hatten aber auch die eigenen Spieler im vorerst letzten Match vor gut gefüllten Rängen (offiziell 19.950 statt der zugelassenen 25.000 Personen) selbst einen großen Anteil. „Die Arbeit gegen den Ball war die Grundlage, wir haben alles reingeworfen. Alles in allem war das schon ein verdienter Sieg“, fasste St. Paulis Kapitän Philipp Ziereis das Spiel gegen Schalke treffend zusammen.
Tabellenspitze 2. Bundesliga
1. Darmstadt 98 30 / 48:24 / 64
2. Heidenheim 30 / 61:31 / 60
3. HSV 30 / 60:41 / 56
4. SC Paderborn 30 / 61:37 / 50
5. FC St. Pauli 30 / 47:35 / 50
6. Fortuna Düsseldorf 30 / 51:40 / 50
7. Kaiserslautern 30 / 43:38 / 44
St. Pauli läuft fast 120 Kilometer
Wieder einmal war Guido Burgstaller mit seinen beiden Treffern der spielentscheidende Akteur, der seine Qualitäten im Abschluss aber auch nur so zum Tragen bringen konnte, weil auch alle anderen Spieler mit viel Engagement und Laufbereitschaft auch nach hinten ihren Job erfüllten. Am Ende hatten die St. Paulianer mit 119,8 Kilometern einen herausragenden Laufwert zu Buche stehen und damit fünf Kilometer mehr als der prominente Gegner, der etwas überraschend auch in spielerischer Hinsicht weniger als das Heimteam zu bieten hatte.
„Wir haben eine riesige Energie in der Mannschaft. Es war eine brutale Leistung. Aber wir wussten auch, dass wir mehr machen müssen. Dazu hat Fabi eine super Ansprache vor dem Spiel gemacht“, sagte Favé und lobte seinen Kollegen Hürzeler. „Alle im Staff haben uns super unterstützt. Wir hätten nach der Pause das dritte Tor nachlegen können. Dann wäre es nicht so zittrig gewesen“, sagte Favé weiter.
St. Pauli vor Aufstieg? Das spricht dafür
Mit dem nun feststehenden ersten Platz zur Halbzeit der Saison stellt sich verstärkt die Frage, ob St. Pauli dieses Niveau auch in der Rückrunde annähernd halten und am Ende nach dann elf Jahren in die Bundesliga zurückkehren kann.
Zwei Punkte sprechen dafür. Zum einen hat das Team in dieser Saison schon Rückschläge erlebt und überzeugend darauf reagiert. Auf das 1:3 in Paderborn folgte der 2:0-Heimsieg gegen den damaligen Tabellenführer Regensburg. Nach dem 0:1 in Hannover gewann St. Pauli gleich fünfmal in Folge, und schließlich war jetzt das 2:1 gegen Schalke auch schon wieder der dritte Sieg in Folge nach dem 0:4 in Darmstadt.
Zum zweiten gelingt es den St. Paulianern immer wieder, Spiele für sich zu entscheiden, die ausgeglichen und für ein Unentschieden prädestiniert sind. Doch genau diese Spiele ohne Sieger, die immer zwei Punkte kosten, hat St. Pauli bisher weitgehend vermieden. Nur in Aue (0:0) und in Bremen (1:1) gab es jeweils ein Remis. Die Mannschaft schöpft zudem Zuversicht aus der Statistik: 27 von 39 Zweitliga-Herbstmeistern sind am Saisonende in die Bundesliga aufgestiegen.
HSV als mahnendes Beispiel für St. Pauli
Allerdings zeigt ein Blick in die jüngere Vergangenheit, dass die Demut am Millerntor durchaus berechtigt ist: Von den letzten fünf sogenannten Herbstmeistern schaffte nur Arminia Bielefeld nach der Spielzeit 2019/20 tatsächlich auch den Aufstieg. Dagegen scheiterten Eintracht Braunschweig, Holstein Kiel und zweimal auch der HSV.
Bis zur kurzen Winterpause stehen für St. Pauli nun noch zwei ambitionierte Auswärtsaufgaben auf dem Programm. Zunächst wird am kommenden Sonnabend, wieder zur Liga-Primetime 20.30 Uhr, mit dem Spiel bei Fortuna Düsseldorf die Hinrunde beendet, ehe es sechs Tage später zum Rückrundenstart zu Holstein Kiel geht. Doch schon jetzt ist St. Paulis Ausbeute im Kalenderjahr 2021 mit 74 Punkten aus 38 Spielen beeindruckend und die Quote eines Aufsteigers.