Hamburg. St. Paulis neuer Trainer setzt auf ein stärkeres Miteinander in seinem Team und nimmt die Nachwuchsspieler in die Pflicht.

Hellwach und aufgeräumt – so präsentierte sich Timo Schultz am Montag pünktlich um zehn Uhr bei der virtuellen Pressekonferenz zu seinem Amtsantritt als neuer Cheftrainer des FC St. Pauli. Dabei hatte der 42-Jährige „etwas unruhig“ geschlafen, wie er zugab, nachdem die mit Spannung erwartete Trainerentscheidung 24 Stunden zuvor verkündet worden war.

Es war aber keineswegs Nervosität oder gar Angst, die Schultz hatte unruhig schlafen lassen. „Ich freue mich einfach wahnsinnig auf die Zusammenarbeit mit der Mannschaft, mit Andreas Bornemann und auch mit den Journalisten“, sagte Schultz. Dabei weiß er um den Vorteil, dass er sein Amt in der Sommerpause antreten kann und nicht mitten in der Saison in einer kritischen Situation. „Ich habe eine ganze Vorbereitung Zeit und jetzt sogar noch drei Wochen, um die Vorbereitung und den Kader zu planen“, sagte er und bestätigte, dass der Trainingsauftakt am 1. August sein wird.

„Die Abstimmung unter den Zweitligaclubs ist glücklicherweise in unserem Sinne ausgegangen, dass auch unsere Liga erst am 18. September beginnt“, sagte Sportchef Andreas Bornemann angesichts dessen, dass auch ein Ligastart Ende Juli angedacht war.

Die Zeit drängt beim FC St. Pauli

Dennoch drängt die Zeit ein wenig, weil diverse Personalfragen jetzt geklärt und entschieden werden müssen. Dies betrifft zunächst das Trainerteam, mit dem Timo Schultz vertrauensvoll zusammenarbeiten muss. „Wir werden es in den nächsten Tagen im Detail klären. Wir haben zusammen unsere Ideen. Die wollen wir erst einmal den Co-Trainern kommunizieren“, sagte Schultz zur Frage nach seinen künftigen Assistenztrainern.

Das klingt nach Veränderungen, wobei es keine Überraschung wäre, wenn der von Vorgänger Jos Luhukay angeheuerte Landsmann Hans Schrijver nicht mehr gefragt ist. Für Torwarttrainer Mathias Hain, mit dem Schultz noch zusammen für St. Pauli gespielt hat, und auch für Urgestein André Trulsen sieht es mit einer weiteren Zusammenarbeit offenbar gut aus. Offen ist die Zukunft von Markus Gellhaus, der 2017 als Co-Trainer für Olaf Janßen geholt worden war und dieses Amt auch bei Markus Kauczinski und Jos Luhukay weiterhin bekleidete.

St. Paulis Trainer Schultz will "einen Schuss Frechheit"

St. Paulis Trainer Schultz will
St. Paulis Trainer Schultz will "einen Schuss Frechheit"

weitere Videos

    Doch in erster Linie werden die Blicke jetzt auf Timo Schultz gerichtet sein. Gelingt es ihm, nicht nur wie bisher Jugendliche und ganz junge Erwachsene, sondern auch erfahrene Fußballprofis zu motivieren, auf den Gegner einzustellen und zu einer Gemeinschaft zu formen? Und welche Art von Fußball will er den Fans bieten?

    „Grundsätzlich möchte jeder attraktiven, offensiven Fußball sehen. Das ist auch meine Wunschvorstellung. Mir als Trainer ist aber vor allem wichtig, dass die Mannschaft lebt, dass die Spieler füreinander da sind und füreinander spielen, dass sie einen guten Plan haben, den wir uns gemeinsam erarbeiten. Dann steigt die Wahrscheinlichkeit, dass wir Tore schießen und Spiele gewinnen“, sagte Schultz am Montag.

    Schultz hat für Luhukay auch lobendende Worte

    Ohne es direkt zu sagen, sprach der neue Trainer, der sich als „offen und transparent“ bezeichnet, damit einige Aspekte an, die zuletzt unter der Regentschaft von Jos Luhukay verloren gegangen waren. Das immer oft bunt durcheinander gewürfelte Team war alles andere als eine verschworene Gemeinschaft, zu viele Spieler hatten ihre persönlichen Probleme und Befindlichkeiten, woran auch Luhukay seinen Anteil hatte.

    Dennoch bewertet Timo Schultz die rund 14-monatige Arbeit seines Vorgängers auch positiv. „Ich denke, dass Jos hier einiges angestoßen und viele Steine umgedreht hat. Ich war inhaltlich auch teilweise nicht weit weg von ihm“, sagte er. Dass dabei aber einiges kaputtgegangen ist, ist ihm nicht entgangen. Daher sagt er: „Es liegt jetzt an uns, einen Weg zu finden, die Steine wieder aufeinander zu legen und für die Probleme Lösungen zu finden. Wir wissen genau, wo wir in der Mannschaft und um die Mannschaft herum einiges verändern können.“

    Zurück in die Zukunft

    Völlig gelassen sieht Schultz übrigens, dass sich der Verein auch mit anderen Kandidaten für den Trainerposten, darunter mit dem vom VfL Osnabrück zum HSV gewechselten Daniel Thioune, beschäftigt hat. „Es spielt für mich nicht die große Rolle, ob ich Erster oder Vierter auf der Liste war. Vielleicht war sie ja auch alphabetisch geordnet“, sagt er. Hauptsache sei, dass er jetzt Trainer ist.

    Wichtiger ist Schultz ohnehin, dass er trotz seiner 15-jährigen Geschichte beim FC St. Pauli als Spieler, Co-Trainer, und Jugendtrainer nicht als jemand betrachtet wird, der nur von der Vergangenheit schwärmt. „Zurück in die Zukunft“ sei eher das Motto. „Mein Ziel ist es, eine Innovationskultur in den Verein einfließen zu lassen und weitere Strukturen aufzubrechen, die vielleicht nicht mehr so zukunftsfähig sind“, sagte er am Montag. „Wenn wir es wieder hinbekommen, dass das Füreinander wieder spürbar ist, dann haben wir eine wahnsinnige Power“, sagte er weiter mit Blick auf den gesamten Verein.

    Schultz erwartet von den Jungprofis mehr Gier

    Bei den notwendigen Verstärkungen für die Mannschaft hat Schultz unterdessen einen bisherigen Schwachpunkt deutlich ausgemacht: „Grundsätzlich tut uns ein bisschen mehr Physis gut, das sieht man ja auch an der Zahl der Gegentore nach Standards. Ansonsten schauen wir uns das erst einmal intern an: Wo haben wir Bedarf, was sind unsere Möglichkeiten.“ Ein Vorteil sei, dass es eine Reihe von Spielern im Team gebe, die auf mehreren Positionen einsetzbar sind.

    Gleichzeitig nimmt der dreifache Vater Schultz die ihm sehr gut bekannten Nachwuchstalente des Profiteams, die er zuvor in den U-Mannschaften trainiert hatte, in die Pflicht: „Von den jungen Spielern erwarte ich, dass sie sich nicht nur freuen, einen Profivertrag bekommen zu haben und mal bei den Profis mittrainieren dürfen.

    Da geht es erst richtig los. Da hat mir bei einigen in der vergangenen Saison ein bisschen die Gier gefehlt, die letzte Schippe draufzulegen, um den Konkurrenten auf derselben Position zu attackieren. Wenn ich jemanden überholen will, muss ich schneller sein und mehr tun als derjenige.“ Finn Ole Becker sei der Einzige, der bisher den Durchbruch geschafft habe.

    Mehr zum Thema:

    Und was erwartet Sportchef Andreas Bornemann von seinem neuen Cheftrainer? „Die Grundsubstanz des Kaders hätte Möglichkeiten geboten, in der Tabelle etwas weiter vorn zu landen. Wir werden aber Schulle keinen großen Rucksack auf die Schultern packen und ihm sagen, dass er oben mitspielen muss. Es ist an der Zeit, etwas demütiger in den Zielformulierungen zu werden.“ Das hört sich nach viel Geduld an - erst einmal jedenfalls.