Hamburg. Warum die Berufung von Timo Schultz zum neuen Cheftrainer beim Hamburger Zweitligisten FC St. Pauli richtig ist.

Seit einigen Jahren schon gilt Timo Schultz beim FC St. Pauli als das Trainertalent in den eigenen Reihen, auf das man zurückgreifen könne, wenn mal wieder Bedarf sein sollte. Wie jetzt, nachdem der Versuch mit dem ehrgeizigen Jos Luhukay abgebrochen werden musste. Der war unberechenbar, seine Verhaltensweisen waren nicht zielführend und am Ende nicht mehr tolerierbar. Seit Sonntag ist nun der 42 Jahre alte Familienvater Timo Schultz St. Paulis neuer Cheftrainer.

Es ist davon auszugehen, dass diese Berufung auch die letzte Möglichkeit war, den früheren lauf- und kampfstarken Mittelfeldspieler im Verein zu halten. Noch einmal hätte er sich kaum für unbestimmte Zeit vertrösten lassen, zumal sich seine erfolgreiche Arbeit mit St. Paulis Nachwuchsmannschaften in den vergangenen Jahren auch außerhalb Hamburgs herumgesprochen hatte.

Es ist für Schultz mit Sicherheit von Vorteil, dass er in den vergangenen 15 Jahren den Club vom Millerntor mit all seinen Eigenheiten, den unterschiedlichen Strömungen und Befindlichkeiten einzelner Personen und Gruppierungen kennen- und einzuschätzen gelernt hat. Anders als mancher seiner Vorgänger kann er darauf vertrauen, bei den Anhängern zunächst ein stabiles Polster an Kredit zu besitzen, das sich nicht zuletzt auf seine eigene, einsatzfreudige Spielweise gründet, die viele noch vor Augen haben.

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Die große Chance für Timo Schultz beim FC St. Pauli

Etliche Fans denken heute mit Wehmut an jene von Holger Stanislawski und André Trulsen trainierte Truppe, die 2006 als Regionalligateam das Pokal-Halbfinale erreichte und sich in der Folge in die Zweite Liga und sogar in die Bundesliga kämpfte. Timo Schultz war immer dabei. Sein fußballtechnisches Talent war – bei allem Respekt – überschaubar, seine Stärke bezog er aus seiner Willenskraft und Mentalität. Das kommt auf St. Pauli an, und genau diese Eigenschaften erhoffen sich jetzt alle von der ihm anvertrauten Profimannschaft. Die hatte zuletzt vieles von dieser Qualität vermissen lassen.

Führung des FC St. Pauli setzt klares Signal

Die Führung des FC St. Pauli hat, nachdem sich der ebenfalls umworbene Daniel Thioune für den HSV entschieden hatte, mit der Berufung von Timo Schultz zum Cheftrainer ein klares Signal gesetzt. Das lautet, sich auf die eigenen Stärken und Ressourcen besinnen zu wollen, statt sich aus der Masse der zur Verfügung stehenden Übungsleiter den nächsten bekannten Namen herauszugreifen. Dabei schwingt natürlich die Hoffnung mit, Timo Schultz möge Ähnliches gelingen wie einst Holger Stanislawski, der aus einer reichlich unsortiert wirkenden Truppe eine willensstarke, verschworene und sportlich erfolgreiche Gemeinschaft formte.

Es ist eine Parallele zum HSV zu erkennen. Der setzt mit Daniel Thioune auch nicht mehr auf einen großen Namen, sondern auf einen sehr empathischen Trainer, der sein Potenzial auch noch längst nicht ausgeschöpft hat.

Allzu hoch ist die Messlatte für Schultz nicht

Auch wenn Timo Schultz jetzt viel Sympathie entgegengebracht wird, muss er sich auf eine schwierige Aufgabe einstellen, denn die derzeitige Mannschaft ist alles andere als ideal zusammengesetzt. Langfristige Verträge von Spielern, die aufgrund ihrer bisher gezeigten Leistung verzichtbar sind, belasten das Budget. Das wird aufgrund der Corona-Krise ohnehin ein gutes Stück kleiner als bisher ausfallen – auch wenn St. Pauli wirtschaftlich immer noch besser als mancher Konkurrent dasteht.

Große Wünsche an Verstärkungen wird Sportchef Andreas Bornemann seinem neuen Trainer nicht erfüllen können. Allzu hoch ist die Messlatte für Schultz allerdings auch nicht. Der zuletzt erreichte Platz 14 sollte trotz allem zu übertreffen sein. Noch wichtiger ist aber, wieder leidenschaftlichen St.-Pauli-Fußball zu bieten. Das ist Schultz allemal zuzutrauen.