Hamburg. Der St.-Pauli-Spieler geht gelassen mit der Reservistenrolle um, betont seine Qualitäten. Wie er zurück in die Startelf will.
So hatte sich Marvin Knoll den ersten Trainingstag der neuen Woche nicht vorgestellt. Nach einem Zusammenprall bei einer Spielform auf verkleinertem Platz blieb der Mittelfeldspieler des FC St. Pauli liegen, ließ sich behandeln und ging vorzeitig in den Kabinentrakt. Dabei schüttelte der 28-Jährige immer wieder sein rechtes Bein aus. Nach erster Diagnose soll es sich aber nur um eine leichte Blessur handeln.
Ganz anders vorgestellt hatte sich Knoll auch die vergangenen Wochen für sein Team – und insbesondere für sich selbst. In den jüngsten drei Punktspielen in der Zweiten Liga war er von Cheftrainer Jos Luhukay nicht für die Startelf nominiert worden. Die Matches in Heidenheim (0:1) und zu Hause gegen Karlsruhe (2:2) musste er von der Reservebank sowie von der Aufwärmzone aus verfolgen. Gegen den VfL Bochum (1:1) wurde er immerhin wieder für den angeschlagenen Mats Möller Daehli eingewechselt.
Dabei hätte er am Freitagabend zum Helden des Spiels werden können, doch sein gut geschossener Freistoß kurz vor Abpfiff strich um wenige Zentimeter am Torpfosten vorbei. „Ich dachte auch, dass der Freistoß reingeht. Das hat Bochums Torwart Manuel Riemann, der ein guter Freund von mir ist, auch gesagt. Er hat auch gar nicht mehr reagiert“, berichtete Knoll am Montag vor dem Training im Gespräch mit dem Abendblatt.
Knoll wirkt aufgeräumt und klar
Es scheint irgendwie ins Bild zu passen, dass Knoll in der aktuell schwierigen und bei St. Pauli ungewohnten Situation in solch einem Moment auch das nötige Glück untreu wird. Besonders lange aber habe er sich, sagt er selbst, mit dem Freistoß nicht mehr beschäftigt. Ein Dombummel mit seiner fünfeinhalbjährigen Tochter Emilia sorgte zusätzlich für eine willkommene Ablenkung.
Die Geschehnisse der vergangenen Wochen, die Degradierung zum Ersatzspieler ohne Erklärung, sind aber dennoch präsent. „Es ist eine neue Situation für mich. Das ist sportlich nicht befriedigend. Aber es gibt solche Zeiten im Fußballerdasein. Ich habe auch schon schwerere Zeiten hinter mir. Das muss man einfach mal so hinnehmen“, sagte Knoll am Montag dazu. Er wirkte dabei sehr aufgeräumt und klar.
Dazu gehört auch, dass er durchaus selbstbewusst über die Qualitäten spricht, die ihn auszeichnen und in der Vergangenheit wertvoll für die Teams waren, in denen er gespielt hat – sei es in Regensburg oder seit Sommer 2018 bei St. Pauli. „Wenn man mich einsetzt, dann weiß man, was man bekommt. Ich gebe immer alles. Ob es nun gut oder schlecht ist, sei dahingestellt. Aber rein vom Einsatz her kann man mir nur selten einen Vorwurf machen. Woran es jetzt liegt, kann ich nicht sagen. Ich bin auf einem guten Fitnesslevel und fühle mich gut“, sagte er.
Fußballer legt Extraschichten im Kraftraum ein
Auch wenn Knoll es nicht explizit sagte, so ist doch zu erahnen, dass er schon gern eine Begründung dafür hätte, warum er aktuell offenbar nur zweite Wahl bei Jos Luhukay ist. „Es ist die Entscheidung des Trainers, ob ich spiele“, sagte er und will nun Extraschichten im Kraftraum absolvieren und im Training Zeichen setzen, „dass ich unbedingt will. Ich bin keiner, der zum Trainer hinrennen und sich ausweinen muss. Ich mache meine Arbeit, und irgendwann wird das auch wieder belohnt.“
Auffällig ist, dass Marvin Knoll in dieser Saison bisher an weit weniger Toren direkt beteiligt war als in den Jahren zuvor. In der Zweiten Liga stehen für ihn nur zwei Torvorlagen zu Buche – beide aus dem Derby gegen den HSV. Dazu kommt sein Kopfballtreffer im DFB-Pokalspiel beim VfB Lübeck. In der vergangenen Saison hatte er noch vier Treffer selbst erzielt und sieben Torvorlagen gegeben.
„Ich habe da auch sehr viele Ecken und Freistöße geschossen. In dieser Saison soll ich bei Standards im 16-Meter-Raum sein und versuchen einzuköpfen. Das hat in Lübeck geklappt“, erklärte Knoll die Maßgabe von Trainer Luhukay. Zuletzt gegen Bochum handelte er eigenmächtig. „Ich war heiß. Meine Ecke war auch sehr gut. Wenn Henk Veerman sie etwas besser streift, geht der Ball auch rein“, sagte er. Und beim bewussten Freistoß nahe an der Strafraumkante sei für ihn ohnehin klar gewesen, dass er ihn schießt. „Es war und ist weiter eine Stärke von mir, die Standards zu schießen“, sagte Knoll selbstbewusst.
Viele rechneten damit , dass Knoll Kapitän des Teams wird
Er wolle auf jeden Fall für seine Mannschaft da sein, ganz gleich in welcher Rolle. „ Ich bin überzeugt, dass auch wieder andere Tage kommen. Mit meiner Mentalität habe ich auch etwas zu bieten. Und ich bekomme viele Nachrichten. Ich werde darin positiv unterstützt. Das gibt mir auch Kraft.“
Im vergangenen Sommer hatten viele damit gerechnet, dass Knoll der neue Kapitän des Teams wird. Doch Luhukay entschied sich bekanntlich anders, nämlich für Christopher Avevor sowie für Daniel Buballa und Jan-Philipp Kalla als dessen Stellvertreter. Seit Avevors Wadenbeinbruch im August ist Buballa amtierender Kapitän. „Ich hätte es damals gern gemacht, aber es hat mich nicht getroffen, dass ich nicht zum Kapitän bestimmt worden bin. Schon im Sommer habe ich gesagt, dass ich die Binde nicht brauche, um Verantwortung zu übernehmen. Und Buba tut das Amt sehr gut“, stellte Knoll klar.
Auch Daniel Buballa musste das Training vorzeitig abbrechen. Nachdem er von einem Ball aus kurzer Distanz getroffen worden war, fiel er zu Boden und verletzte sich am linken Knie.