Hamburg. Warum sich aus St. Paulis Aufschwung im Spätsommer ein gefährliches Herumdümpeln entwickelt hat.

Am Sonnabendmittag verabschiedeten sich die Fußballprofis des FC St. Pauli im Anschluss ans Training nach und nach ins Wochenende. Erst an diesem Montag müssen sie, sofern sie nicht mit ihren Nationalteams unterwegs sind, um 14 Uhr wieder auf dem Trainingsrasen erscheinen.

Das nächste Punktspiel in der Zweiten Liga am 22. November liegt – der Länderspielpause sei Dank – noch in relativ weiter Ferne. Bewusst hat Trainer Jos Luhukay für die Zeit bis dahin auf ein sonst in solchen Pausen übliches Testspiel verzichtet. Es ist angesichts der jüngsten, ernüchternden Ergebnisse wohl eine weise Entscheidung, sich in der Aufarbeitung der aktuell schwierigen Situation nicht von einem bedeutungslosen Freundschaftskick ablenken zu lassen.

Wieder einmal bedrohliche Lage

Fünf sieglose Ligaspiele in Folge, drei davon im heimischen Millerntor-Stadion, haben den FC St. Pauli wieder einmal in eine bedrohliche Lage gebracht. Der Vorsprung auf den direkten Abstiegsplatz 17 ist seit dem achten Spieltag von sieben auf nur noch drei Punkte geschrumpft, der Relegationsplatz 16 ist nur zwei Zähler entfernt.

„Seit der letzten Länderspielpause, in die wir mit einem viel besseren Gefühl gegangen waren, war viel mehr drin. Wir haben uns zu wenig belohnt. In mehreren Spielen waren wir die bessere Mannschaft mit den besseren Chancen, haben aber in drei Spielen in der Schlussphase Punkte liegen gelassen. Ich gehe nicht mit einem schlechten Gefühl in die Pause, nur die Punkteausbeute hätte besser sein müssen“, ordnete St. Paulis Cheftrainer Jos Luhukay nach dem jüngsten 1:1 gegen den VfL Bochum, der weiter auf dem 16. Tabellenplatz steht, die Lage ein.

Milde und überraschende Einschätzung des Trainers

Dies war eine einigermaßen milde und daher auch überraschende Einschätzung des Cheftrainers, der grundsätzlich nicht im Verdacht steht, die Dinge schönzureden. Sportchef Andreas Bornemann befand: „Wir waren in den meisten Spielen gut auf dem Platz. Ich weiß aber auch, dass die Zweite Liga auch Ergebnissport ist und wir zusehen müssen, zu Punkten zu kommen. Mit der B-Note bekommst du nichts.“

Vor einem Jahr, als das St.-Pauli-Team unter dem damaligen Trainer Markus Kauczinski nach Einschätzung nahezu aller Beobachter einen deutlich unattraktiveren Fußball bot, standen als Tabellenvierter bereits 23 Punkte zu Buche – acht mehr als jetzt. Der Vorsprung auf Rang 16 betrug schon beruhigende 13 Zähler. Mit gerade einmal zwei mehr erzielten Toren als jetzt (19 statt 17) konnten sieben Siege errungen werden. Derzeit sind es erst drei Erfolge bei vier Niederlagen und sechs Unentschieden.

Eigene Spielweise nicht grundlegend verändern

„In der vergangenen Saison haben wir uns nach gewonnenen Spielen manchmal selbst gefragt, wie wir das denn gemacht haben“, erzählte jetzt der amtierende Kapitän Daniel Buballa. Der 29-Jährige sieht aktuell – zu Recht – eine große Gefahr. „Man muss aufpassen, dass sich trotz der fehlenden Punkte nicht doch eine gewisse Zufriedenheit einstellt. Wir dürfen nicht denken: Wir haben zuletzt gut gespielt, also wird es schon werden“, warnt er. „Wir müssen die entsprechenden Ergebnisse erzwingen.“

Dabei plädiert Torwart Robin Himmelmann dafür, jetzt nicht die eigene Spielweise grundlegend zu verändern. „Wir müssen unseren Spielstil so weiterpflegen, uns Räume erspielen und jetzt nicht die Bälle nach vorn knallen, nur weil es gerade ein paar Wochen lang nicht funktioniert hat“, sagt er. „Ich glaube, dass man auf Dauer mit einer überzeugenden Spielweise mehr Punkte holt.“

Klare Torchance nur durch Sobotas Pfostenschuss

Doch wie überzeugend ist St. Paulis Spielweise in diesen Wochen denn wirklich? In Sachen Ballbesitz, Zweikampfquote und Passquote war das Team am Freitagabend schlechter als Bochum. Der mit 14:11 knapp gewonnene Vergleich bei den Torschüssen ist für ein Heimspiel auch nicht ungewöhnlich. Und neben dem 1:1-Ausgleichstreffer gab es an klaren Torchancen nur noch Waldemar Sobotas Pfostenschuss, Leo Östigards Kopfball nach einer Ecke und Marvin Knolls Freistoß knapp am Tor vorbei.

Dies reichte jedenfalls nicht aus, um das Publikum so mitzureißen, dass die Atmosphäre im Stadion ein Faktor hätte werden können. So wurde die Darbietung von den St.-Pauli-Anhängern eher zur Kenntnis genommen als mit Begeisterung begleitet. Das liegt auch daran, dass im Team vom Freitagabend nur Buballa, der eingewechselte Knoll und mit Abstrichen Dimitrios Diamantakos die St.-Pauli-typische „Kampfschwein-Mentalität“ verkörpern. Es gibt zu wenige Aktionen, die bei den Fans Emotionen auslösen.

Lawrence bei Nationalmannschaft

Hinzu kommt, dass beim Fehlen von Abwehrchef James Lawrence, der zuletzt an einer Kniereizung litt, die defensive Stabilität leidet. Es ist kein Zufall, dass er auf dem Platz stand, als St. Pauli gegen Kiel und den HSV gewann. Immerhin besteht Hoffnung, dass er in Aue wieder zur Verfügung stehen wird. Zunächst muss er aber zur walisischen Nationalmannschaft reisen.

Mats Möller Daehlis Blessur am Sprunggelenk hat sich als harmlos erwiesen. Der norwegische Mittelfeldspieler reiste nach der Untersuchung zur Nationalmannschaft.