Oliva Nova. St. Paulis 20 Jahre alter Innenverteidiger überzeugt mit einer erstaunlichen Abgeklärtheit und Ruhe am Ball.

Rund ein halbes Jahr ist Florian Carstens jetzt im Zweitligakader des FC St. Pauli dabei, seinen ersten Vertrag als Fußballprofi aber hat er erst im vergangenen Oktober unterschrieben. Doch schon jetzt ist der aus Lüneburg stammende Innenverteidiger kaum mehr aus dem Team des Zweitligadritten wegzudenken. Dabei wurde Carstens im vergangenen November gerade erst 20 Jahre alt. Der 1,91 Meter große Abwehrspieler hat eine wirklich erstaunliche Entwicklung genommen und wurde von St. Paulis Cheftrainer Markus Kauczinski bereits in sechs der bisher 18 Punktespiele dieser Saison eingesetzt, dreimal sogar von Beginn an, einmal in der gesamten zweiten Halbzeit.

„Meine Erwartungen an das erste halbe Jahr waren eher niedrig. Ich wollte erst einmal gucken, wie das alles abläuft hier in der ersten Mannschaft“, erzählt Carstens, der seit Sommer 2014 zum FC St. Pauli kam und in den Nachwuchsteams spielte, im Rückblick. Die Phase des „Hineinschnupperns“ war allerdings recht schnell vorbei. „Ich fühle mich als vollwertiges Mitglied der Mannschaft und nicht wie einer, der nur von der U-23-Mannschaft hochgezogen wurde. Ich bin hier super aufgenommen worden, in diesem halben Jahr ist einiges gewachsen“, sagt er. „Besser hätte es nicht laufen können.“

Einer der wenigen Lichtblicke

Sehr schnell hatte sich Florian Carstens durch seine Leistungen den Status erworben, hinter den Leistungsträgern Philipp Ziereis und Christopher Avevor Innenverteidiger Nummer drei zu sein. Als am fünften Spieltag Avevor für die Partie in Aue ausfiel, kam es zur Nagelprobe. Würde Trainer Markus Kauczinski Marvin Knoll aus dem defensiven Mittelfeld auf die Innenverteidigerposition zurückziehen oder von Beginn an auf Carstens setzen. Er tat letzteres, und Carstens war in einer an diesem Tag schwachen Mannschaft einer der wenigen Lichtblicke bei der 1:3-Niederlage.

Anfang November ersetzte er dann beim 2:1-Sieg in Bielefeld ebenso Philipp Ziereis wie Mitte Dezember beim 2:0-Heimsieg gegen Fürth und bot eine souveräne Leistung. Mehr noch: gegen Fürth gelang ihm per Kopf sogar sein erstes Tor in einem Zweitligaspiel. Zuletzt, beim 4:1 gegen Magdeburg, kam er für den angeschlagenen Luca Zander in der zweiten Halbzeit als rechter Außenverteidiger zum Einsatz.

Einfach alles ausblenden

„Ich freue mich, dass der Trainer mir das Vertrauen gegeben hat und dass ich nicht nur ein Auffüller für die Bank war. Ich bin glücklich, dass er mich so schätzt. Bei meinen Einsätzen habe ich, das ich denke ich, das Vertrauen auch zurückgezahlt“, sagte Carstens jetzt.

Dies darf er getrost so sehen. Wirklich erstaunlich war vor allem, mit welcher Abgeklärtheit und Ruhe am Ball der auch körperlich schon recht reife Abwehrspieler agiert und auch in schwierigen Situationen ganz offensichtlich nicht nervös wird. Darauf angesprochen, erklärt er sein Rezept, mit der Situation umzugehen: „Am Anfang bin ich immer aufgeregt. Aber dann ist es nur Fußball. Ich spiele doch jeden Tag Fußball. Ich blende die Fans einfach aus, auch wenn es geil ist, in so einer Atmosphäre zu spielen. Dazu weiß ich, dass ich meine Mitspieler auch in Bedrängnis anspielen kann. Dann klappt das einfach.“ So simpel ist das also manchmal.

Nicht der Typ, der sich zurücklehnt

Florian Carstens ist ganz offensichtlich nicht der Typ, der sich nach diesem erfolgreichen ersten Halbjahr als Jungprofi zurücklehnt. „Ich kann mich in allen Bereichen verbessern, etwa in der Schnelligkeit“, sagt. „Das war jetzt erst der Anfang. Ich will weitermachen und bin hungrig auf mehr.“

Um dies auch zu realisieren, scheut er sich nicht, auch mit einem erfahrenen, fast 16 Jahre älteren Profi wie Alexander Meier zu reden. „Natürlich kann ich einem Spieler, der mehr als 300 Profispiele gemacht hat, lernen. Wenn er mich coacht, ist das gut für mich. Nach den 30 Minuten gegen Charleroi kam er zu mir und sagte: spiel mal etwas vertikaler. Das habe ich dann versucht und umgesetzt“, berichtet Carstens, der offenbar das Zeug dazu hat, die Stamm-Innenverteidiger Ziereis und Avevor ganz zu ersetzen, wenn sich einer von ihnen nicht zu einem Verbleib am Millerntor entscheiden sollte.