Marschacht. Florian Carstens wuchs in Obermarschacht auf und unterschrieb im Oktober beim Zweitligisten seinen ersten Profivertrag.
Ruhig, fast schüchtern sitzt Florian Carstens am Tisch. Seine Gemütslage auf dem Fußballplatz vor tausenden Zuschauern dürfte eine andere sein. „Vor einem Monat habe ich meinen ersten Profivertrag unterschrieben“, erzählt der Kicker des FC St. Pauli. Für die Tombola beim Nik-Bödder-Cup hatte er eigens ein Trikot mitgebracht, das morgens in der Kabine noch mit allen Unterschriften der Profis verziert wurde.
Vor und nach der Auslosung tauschte der 20-Jährige Erfahrungen mit den anwesenden Fußballern und Verantwortlichen von Eintracht Elbmarsch aus. Der Abwehrspieler hat die Anfänge seiner Kariere keineswegs vergessen. „Mit vier Jahren habe ich bei Herby Meyn in der G-Jugend der Eintracht angefangen.“ Das Hobby war naheliegend, denn auch Vater Jörn kickte bei den damaligen Elbmarscher Vereinen Spielvereinigung Drage/Schwinde und TSV Tespe.
TV Meckelfeld und Treubund Lüneburg waren weitere Jugendstationen
Im Jahre 2011 – da war er 13 Jahre jung – zog es Florian für zwei Jahre zum TV Meckelfeld, mit den C-Junioren der Seevetaler stieg er in die Landesliga auf. Der Traum vom Profi schwingt wohl bei jedem erfolgreichen Jugendkicker mit. „Aber in Meckelfeld habe ich noch nicht gedacht, dass es so hoch geht!“
Der Weg von Florian Carstens führte weiter bergauf: Als U16-Junior spielte er für den MTV Treubund Lüneburg, wie so oft in seiner Fußball-Laufbahn bei den ein Jahr Älteren, in der B-Junioren-Niedersachsenliga. Der junge Mann aus Obermarschacht, der mittlerweile nach Hamburg umgesiedelt ist, wurde von Trainer Olaf Lakämper zum DFB-Stützpunkttraining nach Roydorf eingeladen. Die Nominierung für die Niedersachsenauswahl ließ nicht lange auf sich warten. Hier war der langjährige Borsteler Ligatrainer Sven Kathmann als Co-Trainer im Einsatz.
Die Trainer Sven Kathmann und Olaf Lakämper förderten ihn
Es war letztlich das Sprungbrett zum FC St. Pauli. Das aus der Elbmarsch stammende Talent fiel den St. Pauli-Scouts beim jährlichen Sichtungsturnier der Landesauswahlen in Duisburg auf. Ex-Profi Hans-Jürgen Bargfrede holte ihn schließlich in die U17-Mannschaft der Kiezkicker. Dort fühlte er sich von Beginn an wohl und wurde auch in die Hamburger Auswahl berufen. In den Spielzeiten 2015/2016 und 2016/2017 bestritt der heute 20-Jährige jeweils 20 Spiele in der A-Junioren-Bundesliga, in der zweiten Saison war er sogar Kapitän. „Da hab ich fast alle Spiele gemacht“, erinnert er sich.
In der vergangenen Saison entwickelte sich das Talent in der U23 des FC St. Pauli, die mit dem Lüneburger SK und SV Drochtersen/Assel in der Regionalliga Nord spielt, noch einmal weiter, was von den Pauli-Verantwortlichen nicht unentdeckt blieb. Der Lohn: Seit Anfang dieser Saison trainiert Florian Carstens im Bundesliga-Kader mit und verdiente sich letztlich seinen ersten Profivertrag.
Zweimal stand der 20-Jährige in der 2. Bundesliga in der Startelf
„Das Tempo ist noch einmal enorm schneller“, beschreibt er den zentralen Unterschied zwischen der vierten und zweiten Liga. „Körperlich ist es nicht unbedingt viel anders.“ Auch wenn der Konkurrenzkampf in der Defensive beim FC St. Pauli groß ist, fühlt sich Carstens auch durch die „alten Hasen“ wie Bernd Nehrig oder Jan-Philipp Kalla unterstützt. Der 1,91 Meter große Abwehrspieler sieht seine Stärken selbst im Kopfball-, Stellungs- und Aufbauspiel.
Viermal kam er bisher im Zweitligateam der Paulianer zum Einsatz, allerdings immer auswärts. Sein Kurzdebüt feierte er Ende August bei der 1:4-Auswärtsniederlage bei Union Berlin. Gegen Erzgebirge Aue am fünften Spieltag ging es erstmals über die vollen 90 Minuten. „Ich war schon ein bisschen nervös.“ Dieses Gefühl sollte aber nach den ersten gelungenen Aktionen dem Gefühl der Sicherheit weichen. Nach einem erneuten Kurzeinsatz in Ingolstadt stand er beim 2:1-Sieg in Bielefeld erstmals vor großer Kulisse auf dem Platz – zum zweiten Mal in der Startelf.
„22.000 Zuschauer, das ist schon was.“ Jetzt fiebert Florian Carstens dem ersten Einsatz vor heimischer Kulisse entgegen. „Die Stimmung am Millerntor ist was ganz besonderes, die beste in der ganzen Liga.“ Die Kiezkicker wollen am Saisonende unter den Top 6 stehen. Dabei will Carstens mitwirken.
Schwester Laura-Sophie spielt Oberliga-Handball in Tostedt
Zwar wird bei den Profis fast jeden Tag trainiert, allerdings ist der Nachmittag oft frei. Die freien Stunden nutzt der Profifußballer aktiv, und zwar mit Kopfarbeit: „Ich mache nebenbei ein Fernstudium.“ Neben Training, Bundesliga und Studium bleibt nicht viel Zeit. Wenn es einmal passt, versucht er bei seiner Schwester beim Handball zuzuschauen. Laura-Sophie lässt den Ball für den MTV Tostedt in der Oberliga Niedersachsen fliegen.
Der Vertrag des Jungprofis beim FC St. Pauli läuft bis zum 30. Juni 2022. Seinen Marktwert beziffert das Onlineportal transfermarkt.de mit 125.000 Euro. Der Ehrgeiz des Innenverteidigers ist ungebrochen. Im nächsten Schritt will er in der zweiten Liga Fuß fassen. Doch Florian Carstens scheut auch nicht davor zurück, seine mittelfristigen Pläne zu benennen: „Die erste Liga ist mein Ziel.“