Oliva Nova. St. Paulis Verteidiger berichtet über seinen 16 Monate langen, von Rückschlägen geprägten Weg zum Comeback.

Die gute Nachricht vorweg: Marc Hornschuh hat auch die beiden intensiven Trainingseinheiten am Sonntag, zwei Tage nach seinem Comeback in einem regulären Spiel gut überstanden. Es reichte sogar noch für eine kleine Extraschicht am Mittag. Selbstverständlich ist dies keineswegs, denn was der Abwehrspieler des FC St. Pauli in den vergangenen 16 Monaten gesundheitlich durchmachen und an Rückschlägen hinnehmen musste, ist alles andere als alltäglich. „Es war eine sehr, sehr intensive Zeit für mich. Man hat auf jeden Fall Phasen, in denen es einem nicht gut geht, weil manchmal die Hoffnung nicht so da ist“, sagte er jetzt in der Nachbetrachtung.

Prellungen, Zerrungen, Muskelfaser- und Bänderrisse – all das sind Verletzungen, die für einen Fußballer ärgerlich sind, bei denen er aber sehr gut einschätzen kann, wann er wieder einsatzbereit ist. Bei Marc Hornschuh dagegen war es kein Zweikampf, kein Sprint oder unglücklicher Schritt, der zur Verletzung führte.

Kribbeln in den Füßen

Alles beginnt vielmehr scheinbar harmlos mit Rückenbeschwerden im Spätsommer 2017. „Ich habe eine Woche pausiert, dann war es besser und ich habe wieder gespielt“, erzählt Hornschuh. Im Heimspiel gegen Ingolstadt am 16. September 2017 aber ist Schluss. In der 69. Minute muss er sich mit Rückenschmerzen auswechseln lassen. „Wir haben dann noch einmal Bilder machen lassen. Die waren aber nicht so eindeutig, weil ich mit 19 Jahren auch schon mal Rückenprobleme hatte“, berichtet der heute 27 Jahre alte Profi. Die Diagnose lautet zunächst „leichter Bandscheibenvorfall“. „Das hätte auch ein Zufallsbefund sein können. Von allen Leuten haben vielleicht 30 Prozent einen Bandscheibenvorfall. Manche merken es und manche merken es gar nicht“, weiß Hornschuh inzwischen.

Zunächst wird ihm einfach nur Ruhe verordnet. „Es war auch nicht so, dass ich mich am Anfang gar nicht bewegen konnte. Ich hatte zwar Schmerzen, und es war steif. Das ging zwei Wochen so. Es wurde vielleicht ein bisschen besser. Aber ich konnte nicht trainieren. Dann aber kam auf einmal ein Punkt, ohne dass ich versucht habe, irgendetwas zu machen, wo es richtig schlecht wurde. Da konnte ich vor Schmerzen nicht einmal zwei Minuten stehen. Der Nervschmerz strahlte bis in die Wade aus“, berichtet Hornschuh. „Ich hatte ein Kribbeln in den Füßen.“

Hilfe aus Kalifornien

Hornschuh begibt sich für zehn Tage ins Krankenhaus und will danach die Reha in Hamburg absolvieren. Endlich erfährt er jetzt, was wirklich los ist. „Ich hatte einen Bandscheibenvorfall mit einer Nervenkompression. Das war das Schwierige, das in den Griff zu bekommen. Der Nerv war gereizt, und Nerven brauchen am längsten zum Regenerieren, weil sie am schlechtesten durchblutet sind. An der Wirbelsäule laufen ja ganz viele Nerven entlang, die bis runter in die Beine reichen“, erzählt Hornschuh, der zu diesem Zeitpunkt aber noch hofft, eine Operation vermeiden zu können.

„Wir haben mit den Mannschaftsärzten alles versucht, dann habe ich mit ihnen besprochen, dass ich, bevor ich operiert werde, noch einmal eine Alternative ausprobieren möchte“, erzählt er weiter. Er wendet sich an Csaba Lucas, einen Personal Coach in Kalifornien, den er einmal durch Zufall im Urlaub getroffen hat und mit dem er seit vier Jahren zusammenarbeitet. „Er macht mit mir vor allem Fitness und Ernährung. Er sagte, er habe noch ein Team in Kalifornien, das ein bisschen anders arbeitet, also mit Akupunktur, Chiropraktik sowie auch Stretching und Stabilisation. Da bin ich im Januar 2018 gewesen. Das hat auch funktioniert, aber nicht so schnell, wie ich es mir erhofft hatte.“

Hoffnung im Sommer

So reift bei Marc Hornschuh dann die Entscheidung, sich doch einer Operation zu unterziehen. „Ich hatte keine Alternative mehr“, sagt er. Doch der erhoffte Erfolg bleibt zunächst erneut aus. „Ich hatte eher das Gefühl, dass die OP nicht das gebracht hatte, was ich erhofft hatte.“ Die Flüssigkeit, die aus der Bandscheibe herausgelaufen war und auf den Nerv drückt, war zwar entfernt worden, aber der Nerv selbst ist eben immer noch gereizt.

Die Zeit verstreicht, inzwischen sackt die Mannschaft, zu der Hornschuh ja immer noch gehört, in der Tabelle der Zweiten Liga weiter ab, wieder einmal droht der Abstieg. „Es ist brutal schwierig, damit umzugehen, dass man das, was man am meisten liebt, nicht machen kann“, gewährt Hornschuh einen Einblick in sein Gefühlsleben in den schweren Monaten.

Erst von April an geht es richtig aufwärts. Vier Wochen lang lässt sich Hornschuh von Thierry Murrisch, seinem früheren U-21-Nationalmannschaftsarzt, behandeln. „Da habe ich das erste Mal wieder ein Fünkchen Hoffnung gehabt, weil ich gemerkt habe, dass die Kurve wirklich nach oben geht“, sagt er. Und auch im Sommer, während der WM in Russland, ist er noch einmal bei Thierry Murrisch und dem Therapeuten Max Merkel am Schliersee. „Er ist Kinesiologe und hat vor allem neurologisch gearbeitet.“

Von August an geht die Arbeit am Comeback in Hamburg weiter, vor allem im Kraftraum im Trainingszentrum an der Kollaustraße mit Athletiktrainer Christoph Hainc. Ganz vorsichtig kommt auch der Ball mal wieder ins Spiel, doch auch ein Jahr nach dem letzten Liga-Einsatz ist noch längst nicht an ein Comeback zu denken. Mal nimmt Hornschuh an Übungsformen mit seinen Kollegen teil, dann wieder trainiert er individuell. „Ich muss die Balance finden zwischen Anspannung und Entspannung. Weil der Nerv so gereizt ist, braucht man die Regeneration. Ich werde auch jetzt von Tag zu Tag schauen, dass ich Fortschritte mache“, sagt er.

Jungs glauben an ihn

Geholfen haben ihm auch die Gespräche, die er mit Csaba Lucas in Kalifornien per Skype und mit den Ärzten am Schliersee führte. „Ich wusste, dass ich immer anrufen konnte, wenn ich gerade ein bisschen down war. Das war sehr, sehr wichtig. Ohne dem würde es gar nicht gehen“, sagt er.

Sein erster Spieleinsatz am vergangenen Freitag im Test gegen den RSC Charleroi (2:3) nach rund 16 Monaten hat denn auch viel Freude, aber noch längst keine Euphorie bei Marc Hornschuh ausgelöst. „Nach der langen Zeit bin ich vorsichtig damit, Ziele zu nennen. Am Freitag hat es echt gut geklappt. Trotzdem muss ich vorsichtig sein und kann nicht sagen, dass ich in ein paar Wochen komplett dabei sein will.“ So bleibt erst einmal die kurzfristige Hoffnung, an diesem Mittwoch (16 Uhr) im Test gegen den SV Wehen Wiesbaden wieder zu spielen.

Seine Schienbeinschoner sind über all die Monate jedenfalls in der dafür vorgesehenen Truhe geblieben. Manchmal lieh sich ein Mitspieler sie aus, weil er seine eigenen gerade nicht dabeihatte. „Aber keiner hat sie mitgenommen“, sagt Hornschuh. „Die Jungs haben also an mich geglaubt.“

Alle 29 Spieler des FC St. Pauli, die ins Trainingslager in Oliva Nova mitgereist sind, nahmen am Sonntag am Mannschaftstraining teil. Auch die Torhüter Robin Himmelmann und Svend Brodersen, die anfangs noch individuell trainiert hatten, sind wieder einsatzfähig.