Hamburg. Kiezkicker hoffen gegen den 1. FC Kaiserslautern auf einen Befreiungsschlag. Doch ein Mannschaftsteil ist besonders problematisch.

Die Rahmenbedingungen könnten besser kaum sein. Flutlicht, ausverkauftes Millerntorstadion, im Hintergrund illuminieren die Lichter des Doms den Abend. Es könnte so schön sein, wäre da nicht die Tatsache, dass der FC St. Pauli an diesem Freitag (18.30 Uhr, Sky und Liveticker abendblatt.de) gegen den 1. FC Kaiserslautern weiterhin um das sportliche Überleben kämpft. Wobei: Ob die Mannschaft von Trainer Ewald Lienen überhaupt Abstiegskampf kann, daran scheiden sich seit Wochen die Geister. Sind die Kiezkicker zu filigran für den Existenzkampf? Fehlt es an Bereitschaft? „Wir als Trainerteam nehmen uns in die Verantwortung, genau wie die Spieler selber, um alles dem Ziel, die Liga zu halten, unterzuordnen“, sagt Lienen, der selbst jeden Zähler braucht, um seinen Posten zu festigen.

Abwehr hat die größte Erfahrung

Die größte Abstiegskampf-Erfahrung hat St. Pauli definitiv in der Abwehr. Torhüter Robin Himmelmann beweist Woche für Woche, dass er der nervlichen Belastung gewachsen ist. Der 27-Jährige ist in einer Saison, in der nichts zu klappen scheint, die einzige Konstante beim Kiezclub.

Die Leistungsträger Robin Himmelmann (l.) und Lasse Sobiech (Nr. 3) müssen beim FC St. Pauli nun vorangehen
Die Leistungsträger Robin Himmelmann (l.) und Lasse Sobiech (Nr. 3) müssen beim FC St. Pauli nun vorangehen © WITTERS | ValeriaWitters

Mit Kapitän Sören Gonther und dessen Stellvertreter Lasse Sobiech bilden zwei Profis die Innenverteidigung, die bereits in der Horrorsaison 2014/15 ihren Mann standen und maßgeblichen Anteil auf und neben dem Platz hatten, dass der Kiezclub die Klasse halten konnte. Damals war der Verein mit 13 Zählern in die Rückserie gestartet – sieben mehr, als derzeit auf dem Konto stehen.

Der personifizierte Abstiegskampf heißt bei St. Pauli Jan-Philipp Kalla. Seit zehn Jahren ist der Vorzeigekämpfer im Verein, kennt die Situation, am sportlichen Abgrund zu stehen, wie kaum ein anderer. Der 30-Jährige lebt St. Pauli, seine leidenschaftliche Spielweise fehlt deshalb besonders. Aufgrund eines Innenbandanrisses im Knie kann „Schnecke“ erst wieder 2017 ins Geschehen eingreifen. Immerhin ist der Defensivspieler wieder ins Lauftraining eingestiegen.

Im Mittelfeld fehlt es an Zweikampfstärke

St. Paulis große Problemzone ist seit Saisonbeginn das Mittelfeld. Gerade Ryo Miyaichi, der in seiner Karriere noch nie gegen den Abstieg gespielt hat, ist körperlich und mental nicht in der Lage, der Mannschaft aktuell zu helfen. Ähnlich sieht es bei Waldemar Sobota aus, dessen Ballverluste und Körpersprache häufig einen desaströsen Einfluss auf das Spiel des Tabellenletzten haben. Einzig Bernd Nehrig ist trotz seiner spielerischen Defizite eine Stütze für das Lienen-Team. Der 30 Jahre alte Routinier ist einer der wenigen in der Mannschaft, der dem Gegner auch mal wehtun kann, gegen den es keinen Spaß bringt, in den Zweikampf zu gehen.

Von dieser Kategorie gibt es bei den Hamburgern, die nunmehr seit zehn Spielen auf einen Sieg warten, gerade in der Offensive zu wenige Akteure. Nach dem 0:2 in Heidenheim am vergangenen Sonnabend forderte Trainer Lienen von seiner einzigen Sturmspitze Aziz Bouhaddouz, mehr defensive Läufe zu machen. Der Marokkaner ist ohne Zweifel der beste Stürmer, den St. Pauli im Kader hat. Anders als sein Vorgänger Lennart Thy, der mittlerweile bei Werder Bremen unter Vertrag steht, ist der 29-Jährige aber keiner, der die Gegner unermüdlich anläuft und unter Druck setzt. Wie Abstiegskampf funktioniert, weiß der Nationalspieler allerdings. Mit seinem ehemaligen Verein SV Sandhausen ist es ihm immer gelungen, dem Sturz in die Drittklassigkeit zu entgehen.

Beispielloser Absturz zur Vorsaison

Darauf hofft nun auch Trainer Lienen beim FC St. Pauli. Zum gleichen Zeitpunkt der Vorsaison hatte der Kiezclub bereits 26 Zähler auf der Habenseite, zwanzig (!) mehr als in dieser Spielzeit. Vorletzte Spielzeit bewies der 63-Jährige, dass er die richtigen Stellschrauben im Abstiegskampf finden kann. Bislang ist die Suche nach der neuerlichen Lösung noch in vollem Gange. „Niemand hätte gedacht, dass wir noch einmal in eine Situation wie vor zwei Jahren kommen würden. Wir müssen zusehen, unsere Ausgangsposition bis Weihnachten zu verbessern“, sagt Lienen, der die letzten drei Duelle gegen die „Roten Teufel“ gewann. Allerdings: Gegen keinen Gegner schoss Kaiserslautern in der Zweiten Liga mehr Tore (29 in 14 Spielen) als gegen den FC St. Pauli. Was diese Zahlenspiele wert sind, weiß man am Freitagabend gegen 20.20 Uhr.