Diyarbakir. St. Paulis Publikumsliebling sollte wegen vermeintlicher PKK-Propaganda der Prozess gemacht werden. Hamburger Politiker erleichtert.

Aufatmen bei Deniz Naki und dem FC St. Pauli: Das Verfahren gegen den ehemaligen Profi des Hamburger Fußballclubs in der Türkei ist überraschend eingestellt worden. Das teilte unter anderem der Hamburger Linken-Politiker Jan van Aken via Twitter mit.

Der Bundestagsabgeordnete hatte Naki zu Wochenbeginn in der südosttürkischen Kurdenmetropole Diyarbakir getroffen. Dort hatte Naki am Dienstag eigentlich der Prozess gemacht werden sollen.

Die Staatsanwaltschaft hatte dem 27-Jährigen Propaganda für die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK vorgeworfen und fünf Jahre Haft gefordert. Hintergrund waren Nachrichten, die Naki über Twitter und Facebook verbreitet hatte.

Nun habe der Staatsanwalt unter Verweis auf die Meinungsfreiheit selbst um eine Einstellung gebeten, sagte Prozessbeobachter van Aken der Deutschen Presse-Agentur am Telefon. Das Gericht habe dem stattgegeben.

"Ich bin einfach glücklich. Damit habe ich nicht so schnell gerechnet. Ich hatte die Befürchtung, dass das Verfahren in die Länge gezogen wird und ich vielleicht sogar eingebuchtet werde", sagte Naki der "Bild"-Zeitung.

Zugleich betonte der Deutsch-Türke kurdischer Abstammung, der vor dem Gerichtsgebäude von zahlreichen internationalen Journalisten empfangen wurde, sich immer im Recht gefühlt zu haben: "Ich bin froh, dass der Staat mir das bestätigt hat."

Van Aken freut sich über erfolgreichen Druck

Beim Testspiel gegen Werder Bremen liefen St. Paulis Spieler zum Aufwärmen in Naki-Shirts auf
Beim Testspiel gegen Werder Bremen liefen St. Paulis Spieler zum Aufwärmen in Naki-Shirts auf © Imago/Oliver Ruhnke

Aken wertete die Einstellung des Verfahrens als Zeichen dafür, dass "der internationale Druck mal funktioniert hat“. "Deswegen wünsche ich mir, dass die Bundesregierung Taten folgen lässt, damit sich was ändert in der Türkei.“

Am Prozess nahm auch ein Beobachter der deutschen Botschaft in Ankara teil. Mit Naki hatte sich auch der FC St. Pauli solidarisiert, für den der Fußballer zwischen 2009 und 2012 auflief. Aktuell spielt Naki für den Verein Amed Sk aus Diyarbakir.

Dass sich Naki, der im Februar vom türkischen Fußball-Verband TFF für zwölf Spiele gesperrt worden war, so schnell wieder dem Aufstiegskampf beim Drittligisten widmen kann, hatten die Prozessbeobachter nicht erwartet.

Beobachterin: Repressionen gehen weiter

Zur Überraschung vieler hat die Staatsanwaltschaft die Einstellung des Verfahrens gefordert, weil Nakis Aussagen von der Meinungsfreiheit gedeckt waren. "Der eigentliche Skandal ist ja, dass er überhaupt vors Gericht gezerrt worden ist", sagte Martina Renner von der Partei Die Linke dem SID.

Die Abgeordnete des Deutschen Bundestages war ebenso wie ein Gesandter der deutschen Botschaft in Südostanatolien vor Ort und ist sicher, dass auch die große Wahrnehmung des Falls in der Öffentlichkeit und der "mediale Druck" zu dem Ergebnis führten.

Man könne dennoch nicht davon sprechen, dass der Rechtsstaat in der Türkei funktioniere, sagte Renner. "Die Repressionen gegen die Presse und die Opposition" durch die Regierung um Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan "gehen weiter".

St. Pauli überreicht Naki ein Triikot

Naki, der vor Prozessbeginn gerührt ein Shirt mit den Unterschriften der St. Pauli-Profis in Empfang nahm, hatte eigenen Angaben zufolge "mit dem Schlimmsten" gerechnet. Dem emotionalen Fußballer wurde konkret vorgeworfen, über Twitter und Facebook für die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK geworben zu haben.

Er werde als "Staatsfeind, als Terrorist angesehen", gab er vor dem Termin am Dienstag an. "Aber ich gehe diesen Weg weiter, lasse mich nicht mundtot machen." Eine Flucht aus der Region, die immer wieder erschüttert wird vom IS-Terror und Kämpfen zwischen der PKK und dem türkischen Militär, komme für ihn nicht infrage.

Naki will den Menschen in Diyarbakir Hoffnung schenken und mit seinem Talent für Freude sorgen. Noch für den Abend plante er seine Reise nach Izmir. Um mit seinem Klub am Mittwoch im Duell gegen Bucaspor den nächsten Schritt Richtung Aufstieg zu machen.