Hannover. Sänger überreicht Fanladen renommierten DFB-Preis für eine Aktion gegen Fremdenhass. Mit dem Geld plant die Initiative eine Reise.
Um 20.53 Uhr betrat Herbert Grönemeyer das Podium des Alten Rathauses in Hannover. Dass der Sänger eigentlich für den VfL Bochum hält, ist hinlänglich bekannt. An diesem Montagabend galt Grönemeyers gesamte Sympathie aber dem FC St. Pauli. Besser gesagt: dem Fanladen St. Pauli. Als Laudator zeichnete der 60-Jährige die Faninitiative des Hamburger Zweitligisten mit dem bedeutenden Julius Hirsch Preis aus. Seit 2005 ehrt der Deutsche Fußball-Bund Personen, Projekte und Vereine, die sich für Demokratie, Menschenrechte und den Schutz von Minderheiten einsetzen.
Grönemeyer, der seit Jahren Aktionen gegen Fremdenfeindlichkeit unterstützt, unterstrich in seiner Rede im Beisein von DFB-Präsident Reinhard Grindel die Bedeutung des politischen Engagements auf St. Pauli. „Kein anderer deutscher Verein steht so sehr für eine alternative Fanszene wie der FC St. Pauli“, sagte Grönemeyer. „Es muss immer Menschen geben, die für unsere Freiheit und unsere Menschenrechte kämpfen. Genau das macht der Fanladen St. Pauli.“
DFB ließ Statement erst überkleben
Mit der Stiftung des Preises erinnert der DFB jährlich an den deutsch-jüdischen Nationalspieler Julius Hirsch (1892–1943) und an alle Opfer des nationalsozialistischen Unrechtsstaates. Der Fanladen St. Pauli hatte dafür gesorgt, dass der Kiezclub am 12 Februar – es war der 21. Spieltag der vergangenen Saison – gegen RB Leipzig mit der Aufschrift „Kein Fußball den Faschisten“ auf dem Trikot spielte.
Der Verein hatte dem Fanladen zum 25-jährigen Bestehen die freie Trikotfläche für ein Spiel geschenkt. Eigentlich sollte das Logo des Fanladens abgebildet werden. Doch das war Justus Peltzer, dem Fanbeauftragten, zu wenig. Er entschied sich für den Satz, der auch in Großbuchstaben im Millerntorstadion steht. Den der DFB vor zwei Jahren während eines Trainings der Nationalmannschaft abkleben ließ und dafür viel Kritik erntete.
Fanladen plant Fahrt nach Auschwitz
Nun war er im Februar der erste Slogan in der Geschichte eines deutschen Proficlubs, der als politische Botschaft auf dem Trikot einer Mannschaft stand. Dem Fanladen war es mit der Unterstützung von St. Paulis Vizepräsidenten Reinher Karl gelungen, eine Sondergenehmigung bei der DFL zu erhalten. „Wenn wir schon so eine prominente Fläche geschenkt bekommen, wollten wir auch ein Statement abgeben“, sagte Peltzer über die mit 7000 Euro ausgezeichnete Aktion.
Das Geld will der Fanladen unter anderem für eine Fahrt nach Auschwitz investieren. Im kommenden Jahr plant die Initiative mit 20 Fans einen Besuch des ehemaligen Konzentrationslagers. Dort wurde der siebenfache Nationalspieler Julius Hirsch, 1933 wegen seiner jüdischen Herkunft aus dem Karlsruher FV ausgeschlossen, zehn Jahre später von den Nationalsozialisten ermordet.
Göttlich lobt den Fanladen
Für Justus Peltzer zählt es zu den zentralen Aufgaben, an die Verbrechen zu erinnern und präventiv gegen rechtsextremes Gedankengut in der heutigen Gesellschaft zu steuern. „Der Fußball ist nach wie vor ein Rekrutierungsfeld, auch für Neonazi-Gruppen“, sagt Peltzer, der seit acht Jahren für den Fanladen arbeitet. Die Initiative, vor 27 Jahren von Sven Brux in einem Friseursalon auf St. Pauli gegründet, hat heute im Erdgeschoss des Millerntorstadions eine Heimat gefunden. Hier arbeitet Peltzer direkt unter der Gegengeraden mit fünf Mitarbeitern an verschiedenen Projekten.
Für St. Paulis Präsidenten Oke Göttlich ist der Fanladen ein wichtiger Teil der politischen Identität des Vereins. „Aussagen zu politischen Themen zu machen ist unser Kerngeschäft“, sagt Göttlich. Seit zwei Jahren führt der 40-Jährige den FC St. Pauli. Die Fanszene sieht er als treibende Kraft. „Die Kreativität kommt aus dem Fanladen und unserem sehr vitalen Umfeld. Die Geschäftsstelle kann im Grunde genommen nur verstärken.“
Grönemeyer witzelt vor Duell mit Bochum
Göttlich hat in seinen zwei Jahren die politische Kultur des Clubs in den Mittelpunkt seines Wirkens gestellt. Erst in der vergangenen Woche setzte St. Pauli im Testspiel gegen Bremen ein Zeichen der Solidarität an Ex-Spieler Deniz Naki, der in der Türkei wegen angeblicher Terror-Propaganda angeklagt wurde. Die Aktion im Spiel gegen Leipzig organisierte Göttlich gemeinsam mit dem Fanladen und dem Geschäftsführer von RB, Oliver Mintzlaff, um geschlossen ein Zeichen gegen Fremdenfeindlichkeit zu setzen. Nun haben die Initiatoren der Idee ihre verdiente Auszeichnung erhalten.
Und Herbert Grönemeyer? Der freut sich bereits auf das Duell zwischen dem FC St. Pauli und dem VfL Bochum am 17. Dezember am Millerntor. Den Hamburgern, witzelte Grönemeyer am Ende seiner Rede, wünsche er 20 starke Anfangsminuten ...