Diyarbakir. Ein Facebook-Eintrag nach einem Siegtreffer im türkischen Pokal könnte Naki zum Verhängnis werden. Jetzt startet der Prozess.

Nach seinem entscheidenden Tor reckte Deniz Naki enthusiastisch die Fäuste in die Höhe. Damals im Januar erzielte der einstige Bundesligaprofi den Siegtreffer für seinen Verein Amed SK im Duell mit dem Erstligisten Bursaspor im Pokal-Achtelfinale. Eine kleine Sensation für den türkischen Drittligisten aus dem südosttürkischen Diyarbakir, den alle nur Amedspor nennen.

Beim Testspiel gegen Werder Bremen liefen St. Paulis Spieler zum Aufwärmen in Naki-Shirts auf
Beim Testspiel gegen Werder Bremen liefen St. Paulis Spieler zum Aufwärmen in Naki-Shirts auf © Imago/Oliver Ruhnke

Doch auf den Jubel folgte schnell Ernüchterung. Unter anderem wegen Nakis Reaktion auf den Sieg und der Kritik an der Kurdenpolitik der Regierung drohen dem 27-Jährigen nun bis zu fünf Jahre Haft. "Ich rechne mit dem Schlimmsten", sagte Naki der "Bild"-Zeitung.

Der Prozess wegen Unterstützung der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK beginnt an diesem Dienstag in der Kurdenmetropole Diyarbakir im Südosten der Türkei. Naki erhält durch den Prozess viel internationale Aufmerksamkeit und Solidaritätsbekundungen, unter anderem von seinem ehemaligen Club FC St. Pauli, in dessen Fanszene Naki nach wie vor Kultstatus genießt.

Naki wird Facebook-Eintrag zum Verhängnis

Zum Verhängnis wurde Naki unter anderem ein Facebook-Eintrag nach dem Sieg im Januar. Den widmete er den Opfern des Kurdenkonflikts, der seit vergangenem Sommer in der Südosttürkei wieder voll entbrannt ist. Den Vorwurf der PKK-Unterstützung weist Naki zurück. Er setze sich für den Frieden ein, sagte er laut türkischen Medien.

Der deutsch-türkische Fußballer spielte als Jugendlicher für Bayer Leverkusen, später für St. Pauli und den SC Paderborn. Vor drei Jahren wechselte er in die Türkei, 2015 dann nach Diyarbakir. Nakis Club ist nach dem kurdischen Namen der Stadt - „Amed“ - benannt. Die Familie des Fußballers stammt aus Tunceli (kurdisch: Dersim). Den Namen der Stadt hat Naki auf Kurdisch auf den rechten Unterarm tätowieren lassen.

"Ich werde hier als Staatsfeind, als Terrorist angesehen. Aber ich gehe diesen Weg weiter, lasse mich nicht mundtot machen - auch wenn es schlimm enden sollte für mich", sagte Naki kürzlich. Eine Flucht nach Deutschland komme für ihn nicht infrage. "Allerdings macht es mich traurig, dass sich meine Familie, die in Düren lebt, Sorgen um mich macht", sagte Naki.

Naki widmet Sieg "unserem Volk"

Sein Einsatz für die Minderheit der Kurden ist unübersehbar und hatte ihm schon in der Vergangenheit Ärger eingebracht. Wegen angeblicher Propaganda war Naki vom türkischen Fußballverband für zwölf Spiele gesperrt worden. Der Verband warf ihm „ideologische Propaganda“ und „unsportliche Äußerungen“ vor.

In dem Facebook-Eintrag, der nun für neuen Ärger sorgt, schreibt Naki auf Türkisch: „Wir schulden all jenen Dank, die uns nicht alleine gelassen haben - den Politikern, Künstlern, Intellektuellen und unserem Volk - und wir widmen und schenken diesen Sieg jenen, die bei den seit mehr als 50 Jahren auf unserem Boden andauernden Grausamkeiten ihr Leben verloren haben und verletzt worden sind.“ Auf Kurdisch fügte er hinzu: „Es lebe die Freiheit.“ Das Wort „Azadi“, kurdisch für „Freiheit“, trägt Naki auch als Tätowierung auf dem linken Unterarm.

Erdogan setzt wieder auf Härte

Die immer noch andauernden Militäroperationen im Südosten waren, als der Fußballer im Januar den Facebook-Eintrag schrieb, in vollem Gange. Ein Friedensprozess zwischen PKK und türkischer Regierung war im Juli 2015 gescheitert und damit auch der Kurdenkonflikt wieder eskaliert. PKK-Kämpfer liefern sich seitdem Gefechte mit Sicherheitskräften.

Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan setzte in seiner Zeit als Ministerpräsident zunächst auf eine politische Lösung des mehr als 30 Jahre andauernden Kurdenkonflikts. Er erlaubte kurdischsprachige Fernsehsender und privaten Kurdischunterricht. Doch seit dem Scheitern des Friedensprozesses setzt Erdogan auf Härte. Kurdische Sender wurden unter dem Ausnahmezustand wieder geschlossen. Die Chefs der pro-kurdischen Oppositionspartei HDP, Selahattin Demirtas und Figen Yüksekdag, sitzen seit Freitag vergangener Woche in Untersuchungshaft. Die Bürgermeister von Diyarbakir wurden abgesetzt und die Stadt unter Zwangsverwaltung gestellt.