Trotz Rekordbilanzen und positiver Nachrichten sah sich das Präsidium auch harscher Kritik gegenüber. Diskussion bis nach Mitternacht.

Hamburg. Nach sieben Stunden endete in der Nacht auf Mittwoch die Jahreshauptversammlung des FC St. Pauli im CCH. 919 Mitglieder (davon 904 stimmberechtigt) waren gekommen, um über eine große Anzahl von Anträgen abzustimmen. Besonders kontrovers diskutiert wurde der Antrag auf ein Verbot für Darbietungen spärlich bekleideter Frauen oder Männer im Stadion. Das Ergebnis der Abstimmung fiel dann aber eindeutig aus: Der Verein will keine Striptease-Tänzer/innen am Millerntor.

Das bedeutet auch das Aus für die Nackttänzerinnen in der Loge "Separee Nr. 35", das vom Nachtklub "Susis Show Bar" angemietet wird. Zudem wies die Versammlung die Klubführung an, in Erinnerung an das 2011 verstorbene Klubidol eine Ernennung des Südtribünenvorplatzes in Harald-Stender-Platz auf den Weg zu bringen. St. Pauli bleibt kritisch, transparent – und überaus hartnäckig.

+++Millerntorstadion: In den Logen hat es sich ausgetanzt+++

Mit großer Mehrheit wurden auch die Anträge zu rauchfreien Blöcken bei Heimspielen, zum Neubau der Nordkurve mit einer Mindestanzahl von 2.000 Stehplätzen sowie die Anträge zur Zuordnung der A- und B-Jugend zum ideellen Bereich des Vereins angenommen.

St. Pauli diskutierte bis nach Mitternacht

„Transparenz schafft Vertrauen“, so das Motto des Abends – zumindest bis zum Beginn der Jahreshauptversammlung um 18.16 Uhr. Eine Volksinitiative warb im Eingangsbereich um Unterschriften für ihren Antrag, der die von der Stadt Hamburg und ihren Behörden geschlossenen Verträge bei einem Finanzvolumen ab 100.000 Euro aufwärts für die Öffentlichkeit grundsätzlich einsehbar machen will.

Eine Problematik, die im Innern des gut gefüllten Saal zwei kurz darauf nicht festgestellt werden konnte. Die Berichte der Gremien und Kassenprüfern lieferten den 919 anwesenden Mitgliedern Zahlen und Fakten, die bereits vorab bekannt gewesen waren. Der Klub blickt auf ein herausragend positives Jahr mit einem Rekordgewinn von 5,3 Millionen Euro und der höchsten Mitgliederzahl der Vereinsgeschichte, 16500, zurück. So beschränkte sich die vereinzelte Kritik inmitten all der Lobhudeleien anfangs allein auf Formalitäten, wie nicht in Reisekostenanträgen abgerechnete Betankungen von Privat-KFZ. Den Höhepunkt der guten Laune markierte der mit 585 Stimmen wiedergewählte Kassenprüfer Kai Scharff, der den Umsatz des Klubs versehentlich um das Tausendfache auf 33 Milliarden Euro anhob und damit unfreiwillig ausdrückte, wie gut es St. Pauli trotz der den Infrastrukturprojekten geschuldeten Belastungen von 42 Millionen Euro zu gehen scheint.

Dennoch musste sich das Präsidium einige hartnäckige Nachfragen gefallen lassen, die in der Schärfe durchaus verblüfften. Allen voran Alexander Gunkel übte als Vorsitzender der mittlerweile 9666 Mitglieder starken Abteilung Fördernde Mitglieder (AFM) trotz der vorangegangenen Zugeständnisse und Entschuldigungen von Präsident Stefan Orth harsche Kritik an Präsidium und Geschäftsführung und beklagte insbesondere die Zusammenarbeit mit den beiden Institutionen. „Man geht stets mit einem guten Gefühl aus den Gesprächen heraus und dann passiert wenig oder nichts. In der Vergangenheit war es ja ähnlich“, blickte er in seiner kämpferischen und von lang anhaltendem Applaus begleiteten Rede noch einmal zurück auf die Jahre unter Präsident Corny Littmann, „aber da hatte man ja auch nicht miteinander gesprochen. Heute sind es angenehme Treffen, aber eben ohne Ergebnisse.“

Wie auch bei der durch eine Betriebsprüfung im März aufgeworfene Frage, ob die A- und B-Junioren dem wirtschaftlichen oder ideellen Bereich des Klubs zugeordnet werden sollen. Während die gemeinnützige AFM bei einer Versetzung der U19 und U17 in den wirtschaftlichen Bereich ihren Abteilungszweck der Nachwuchsförderung gefährdet sieht, argumentiert das Präsidium mit einer Steuerersparnis in Höhe von mehr als 200.000 Euro. „Wir sind keine privatwirtschaftliche Gesellschaft, wir sind ein Sportverein!“, hatte Christoph Kröger bereits die Position des Aufsichtsrats dargelegt. Der Vorsitzende hatte auch das Verhalten von Polizeigewerkschaft und DFL in der aktuellen Sicherheitsdebatte kritisiert sowie der anwesenden Profimannschaft einen Wunsch mit ins Aufstiegsrennen gegeben: „Nach unserem Jubiläumsjahr mit dem 100. Geburtstag ist für 2012 keine Feier geplant. Aber dieser Verein feiert gut und gerne. Man muss sich an dieser Stelle nicht zurückhalten.“

Die Mitglieder jedenfalls folgten in der Kernfrage des Abends seiner Empfehlung nach hitziger Diskussion und entschieden sich mit deutlicher Mehrheit gegen das Präsidium, das in Person von Vizepräsident Bernd-Georg Spies noch einmal vergeblich für die Zuordnung der U19 und U17 zum wirtschaftlichen Bereich geworben hatte.

Abseits der zu diskutierenden Themen waren die Mitglieder auch darüber einig geworden, die Veranstaltung anders als vorgesehen bis nach 24 Uhr auszudehnen, um sämtliche der 20 Anträge zur Abstimmung zu bringen. So waren am Ende mehr als sechs Stunden vergangen, als Versammlungsleiter Kristian Heiser den Abend um 0.37 Uhr beschloss. „Es war eine gute Veranstaltung mit kontroversen Diskussionen. Die Schärfe gehört leider dazu“, konstatierte ein müder Vizepräsident Spies, „aber etwas mehr Gelassenheit täte uns manchmal gut.“