Der FC St. Pauli verliert beim 0:3 auf Schalke schon zum dritten Mal in Folge – und sich selbst erneut in zweifelhaften Spielanalysen.
Hamburg. 0:1 gegen Hoffenheim, 0:1 in Köln, 1:1 gegen den HSV. Nach den ersten Punktverlusten der Saison stand im Lager des FC St. Pauli die Erkenntnis, dass der Ertrag mit dem Aufwand nicht im Einklang stehe. Ärgerlich sei das, aber auch motivierend für die kommenden Aufgaben, wie Trainer und Spieler gleichermaßen betonten. Man habe mitgehalten, sei keineswegs die schlechtere, eher die bessere Mannschaft gewesen, und habe bewiesen, dass man in der Bundesliga mithalten könne. Recht hatten sie und spulten die Analyse in ähnlicher Version auch nach den jüngsten drei Niederlagen ab: 0:2 beim VfB Stuttgart, 1:3 gegen Eintracht Frankfurt und nun, am Freitag, einer 0:3-Pleite in Gelsenkirchen.
Doch was gegen Stuttgart vollkommen zutreffend war und gegen Frankfurt noch bedingt Gültigkeit hatte, wurde den 90 Minuten von Gelsenkirchen nicht mehr gerecht. Ohne großen Aufwand kamen die verunsicherten Schalker zu einem lockeren 3:0 gegen den Aufsteiger, der bei der anschließenden Analyse Pech, fehlende Kaltschnäuzigkeit und mangelnde Effektivität als Gründe für die Pleite anführte. "Wir hatten vier hundertprozentige Tormöglichkeiten, waren nur nicht konsequent und zielstrebig genug", befand Holger Stanislawski nach der Partie, "wir betreiben unheimlich viel Aufwand und lassen dann den Killerinstinkt vermissen." Auch seine Spieler - zumindest die wenigen, die sich den Medienvertretern stellten - zogen ähnliche Schlüsse und sprachen von "diversen Tormöglichkeiten" (Fabian Boll) und dem "fehlenden Quäntchen Glück" (Thomas Kessler). Gefühlte Werte, bedingt durch den braun-weißen Blickwinkel.
Dass die Schalker ihrerseits einige vielversprechende Spielzüge (mehr) erfolglos abgeschlossen hatten, blieb ebenso unerwähnt wie die Auflösung, welche vier "Hundertprozenter" der Trainer gesehen haben wollte. Über 90 Minuten gab es gerade einmal drei Torversuche, die überhaupt eine Einstufung in der Kategorie Chance verdient gehabt hatten: ein Kopfball von Deniz Naki (24.), der rechts vorbeistrich, ein Freistoß von Dennis Daube, der das Tor links verfehlte (43.) sowie die Situation drei Minuten zuvor, als Naki der Ball zehn Meter vor dem Tor völlig freistehend über den Spann rutschte. Ansonsten verlor sich St. Pauli im Angesicht von Nationaltorhüter Manuel Neuer in Umständlichkeiten, falschen Entscheidungen und erstickte aufkommende Torgefahr somit bereits in der Entstehung. "Wenn ich meine beiden Chancen nutze, dann gehen wir hier vielleicht mit einer Führung in die Halbzeit", zeigte sich Naki angenehm selbstkritisch. Bemüht man den Konjunktiv auch auf der Gegenseite, steht es zur Pause allerdings 4:2 für Königsblau. Ein ähnliches Verhältnis wies übrigens die Torschussübersicht nach Spielende aus. Sechs Torschüsse zählten die Statistiker bei der Stanislawski-Elf, die Gelsenkirchener hatten mit 13 mehr als doppelt so viele. Zahlen, bei deren Studium eine 0:3-Niederlage dann nicht verwundern kann und die des Trainers Einschätzung nicht stützen. Fehlende Kaltschnäuzigkeit: ja. Diese als Hauptursache für die Niederlage: nein. Spurensuche auf dem Holzweg. Es fehlt an mehr.
Tatsächlich ergab sich St. Pauli spätestens nach dem 0:2 seinem Schicksal. 40 Minuten waren zu diesem Zeitpunkt noch zu spielen. Negative Körpersprache, beginnend bei Vizekapitän Marius Ebbers, war ein weiterer Mosaikstein des unschönen Gesamtbilds, das die Hamburger in der Veltins-Arena abgaben. Mangelnde Zielstrebigkeit vor des Gegners Tor konnte in der Folge nicht mehr kritisiert werden. Es gab schlichtweg keine Strafraumszenen.
Ähnlich wie eine Woche zuvor, als St. Pauli gegen Frankfurt zurücklag und in Unterzahl kein Mittel mehr fand. Damals führte die Verantwortlichen ihre Suche nach den Gründen zu Schiedsrichter Marco Fritz, der von den Zuschauern am Millerntor mit Bierbechern und von Stanislawski anschließend mit Häme überschüttet wurde. Fritz hatte die im zweiten Abschnitt aufkommende Hektik mit einigen fragwürdigen Pfiffen geschürt, in den entscheidenden Situationen, Elfmeter für die Eintracht, Platzverweis gegen Gerald Asamoah, aber korrekt entschieden. Gegen Frankfurt war der Unparteiische ebenso wenig Schuld wie auf Schalke die Mängel im Torabschluss.
Die wahren Probleme sind vielschichtiger: St. Paulis Offensivspiel kommt immer seltener zur Entfaltung. Das Lob, das sich in den Partien durch die Analysen zog, vereinigt sich bei genauer Betrachtung auf eine Phase von etwa 15 bis 20 Minuten. Es fehlt an klaren Aktionen, die innerhalb des hochgeschwindigen Kombinationsfußballs eine verbesserte Abstimmung voraussetzen. Zudem binden sich die Außenverteidiger auch aufgrund unübersehbarer Mängel bei Flanken zu wenig in das Spiel nach vorn mit ein. Wenn sich dann bei gegnerischen Standardsituationen regelmäßig Konzentrationspausen genommen werden und der Abwehrverbund nun auch im laufenden Spiel zu wackeln beginnt, wird es in der Bundesliga schwer, Spiele zu gewinnen. Null Punkte und 1:8 Tore aus drei Partien sprechen eine deutliche Sprache.
Wer nun die nackten Zahlen kritisiert, hat die Vita des FC St. Pauli nicht mehr im Gedächtnis. Dieses Team darf verlieren. In Stuttgart, gegen Frankfurt, auf Schalke und auch am Sonnabend gegen Leverkusen. Es sollte nur anerkennen, wenn es an der Qualität gegen individuell besser besetzte Gegner mangelt. "Uns fehlt es nicht bloß vorn an Kaltschnäuzigkeit, auch an anderen Stellen auf dem Platz", hat Mittelfeldmann Boll erkannt. Wahre Worte.