Hamburg. Der Club präsentiert sich seit Wochen führungslos. Wer übernimmt die Verantwortung für das erneute Scheitern? Der Aufsichtsrat muss handeln.

Es ist nun schon sechs Jahre her, dass der HSV den schmerzhaftesten Moment der Vereinsgeschichte erlebte. Die Hamburger waren am 12. Mai 2018 erstmals und als letztes Gründungsmitglied aus der Bundesliga abgestiegen. Keine 24 Stunden später saß der damalige Aufsichtsratsvorsitzende Bernd Hoffmann in einer Loge des Volksparkstadions, übernahm vor zahlreichen Medienvertretern die Verantwortung für den Abstieg und erklärte, wie es beim HSV nun weitergehe.

Am 12. Mai 2024, sechs Nichtaufstiege später, herrschte am Sonntag noch immer das große Schweigen im Volkspark. Niemand übernahm öffentlich die Verantwortung für den seit Freitagabend feststehenden Klassenverbleib, der sich für die Fans nicht weniger schmerzhaft angefühlt haben dürfte als der Abstieg sechs Jahre zuvor. Vor allem die Art und Weise, wie die Mannschaft in Paderborn um ihre letzte Chance „gekämpft“ hatte, machte viele Anhänger einfach nur noch wütend und sprachlos - auch wenn die Fans im Stadion ein anderes Bild abgaben.

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Sprachlosigkeit ist auch das Stichwort, das die Clubführung des HSV nach dem 0:1 in Paderborn am besten beschrieb. Lediglich Trainer Steffen Baumgart übernahm die Pflichtaufgabe, die Niederlage seiner Mannschaft verbal zu verantworten und nach Erklärungen zu suchen für einen Auftritt, der eigentlich nicht zu erklären war.

Nichts war dagegen am Freitag und in den zwei Tagen danach zu hören von Sportvorstand Jonas Boldt oder vom Aufsichtsratsvorsitzenden Michael Papenfuß. Dass Boldt sich angesichts seiner ungewissen Zukunft nicht vor die Kameras stellte, wie er es in den vergangenen Jahren fast immer gemacht hatte, mag verständlich sein. Umso wichtiger wäre es, in diesen Momenten einen starken Aufsichtsratsvorsitzenden zu haben, der die Führung übernimmt. Doch Papenfuß interpretiert seine Rolle anders. Er hält sich lieber im Hintergrund auf.

Boldts Position wurde vom Aufsichtsrat geschwächt

Diese Konstellation hat in den vergangenen Jahren funktioniert, weil Boldt intern und extern die starke Rolle eingenommen hat. Durch die bekannt gewordene Suche nach einem möglichen Nachfolger wurde Boldts Position durch den Aufsichtsrat jedoch öffentlich stark geschwächt.

Papenfuß, seit Februar 2023 Chef des Kontrollgremiums und gleichzeitig Vizepräsident des Vereins, hat sich in den vergangenen zwei Jahren, insbesondere in der Phase der vereinspolitischen Machtkämpfe rund um Boldt, Präsident Marcell Jansen und Ex-Vorstand Thomas Wüstefeld immer wieder hin- und herreißen lassen.

Und das ist auch jetzt wieder so in einer Phase, in der es im Aufsichtsrat nur eines bedarf: Klarheit. Klarheit, ob Boldt trotz des fünften verpassten Aufstiegs im Amt bleiben darf oder sogar zum Vorstandsvorsitzenden befördert wird. Klarheit, wer nun bei der sportlichen Aufarbeitung einer verkorksten Saison die Führung und die Verantwortung übernimmt.

HSV braucht starke Führung auf allen Ebenen

Spätestens am Freitagabend wurde deutlich, dass der HSV wieder eine richtige Führung braucht. Und das auf allen Ebenen. Er braucht Führungsspieler, die diesen Namen verdienen und sich nicht so ergeben wie das die Mannschaft des HSV in Paderborn getan hatte. Er braucht einen Trainer, der die absolute Rückendeckung eines Managers genießt, so wie Tim Walter sie in seinen ersten zwei Jahren unter Boldt hatte. Es braucht einen verantwortlichen Manager, der die sportlichen Fehlentwicklungen deutlich benennen und öffentlich Verantwortung übernehmen kann, weil er den Rückhalt des Aufsichtsrats erfährt.

Und schließlich braucht es starke Persönlichkeiten im Aufsichtsrat, die sich nicht zum Spielball von Investoren oder operativ Verantwortlichen machen lassen, sondern klare Entscheidungen ohne Fremdbestimmung herbeiführen können.

All das hat der HSV aktuell nicht. Spätestens seit Freitagabend ist klar, dass der HSV wieder eine Führung braucht. Und das so schnell wie möglich.