Hamburg. Nach der Niederlage in Paderborn beginnt beim HSV bereits die Aufarbeitung. Wer ist in der kommenden Zweitligasaison noch dabei?
Sebastian Schonlau war der Moment fast schon ein wenig unangenehm. Der HSV-Kapitän stand am Freitagabend mit seinen Teamkollegen nach der 0:1-Niederlage in Paderborn, die den erneuten Nichtaufstieg besiegelt hatte, vor den Fans. Nach einer enttäuschenden Leistung in einem Alles-oder-Nichts-Spiel hätten die Spieler mit Pfiffen rechnen können. Doch die Anhänger sangen. Minutenlang. „Mein Hamburg lieb ich sehr, sind die Zeiten auch oft schwer“. Schonlau gab zu: „Du stehst da unten als Spieler und fragst dich, ob du diesen Moment überhaupt verdient hast.“
Nach einer insgesamt enttäuschenden Saison, so viel kann man sagen, hatten die Spieler so einen Abschied eigentlich nicht verdient. „Am Ende haben wir es verbockt. Wir haben es nie geschafft, konstant unsere Leistungen zu zeigen. Dann hast du am Ende auch nichts da oben verloren, wenn du es so selten schaffst, mehrere Spiele hintereinander zu gewinnen“, sagte Schonlau.
Dass der Kapitän zur Halbzeit verletzt ausgewechselt werden musste, passte zu dieser Saison, die mit Schonlaus monatelangem Fehlen begonnen hatte. In der zweiten Halbzeit von Paderborn mussten Moritz Heyer und Stephan Ambrosius in der Innenverteidigung ran. Nie zuvor hat der HSV in einer Zweitligasaison mit so vielen verschiedenen Konstellationen im Abwehrzentrum gespielt. Immer wieder mussten die Trainer Tim Walter und Nachfolger Steffen Baumgart auf Verletzungen und Sperren reagieren.
Baumgart will in die schnelle Aufarbeitung gehen
Baumgart ging direkt nach dem Spiel in die Aufarbeitung. „Es sind viele Dinge passiert, nicht nur heute. Da können wir anfangen bei Leistungen in gewissen Spielen, wir können über die Verletzungen reden. Es hat viel dafür gesprochen, dass du nicht aufsteigst. Da sind wir schon dabei, das aufzuarbeiten“, sagte der Trainer, der im Februar einstieg und gleich in seinem zweiten Spiel zu Hause mit 1:2 gegen den Tabellenletzten VfL Osnabrück verloren hatte. Schon zu diesem Zeitpunkt stellte Baumgart die Mentalitätsfrage.
Am Freitagabend eröffnete der 52-Jährige diese Diskussion erneut. „Welche Jungs sind die Richtigen, um diesen Angriff auf die Bundesliga auch wirklich anzunehmen und nicht nur davon zu reden?“, sagte Baumgart bei Sky. „Was brauchen wir in Hamburg an diesem Standort, um aufzusteigen? Braucht es die besten Spieler, oder braucht es Jungs, die vielleicht andere Qualitäten haben? Da reden wir klar drüber“, sagte Baumgart. Und das nicht erst seit Freitag.
Baumgart will neue Spieler mit Mentalität
Der HSV-Trainer will möglichst schnell in die Planungen für die kommende Zweitligasaison einsteigen. „Vielleicht hilft es uns jetzt, frühzeitig planen zu können“, sagte Baumgart. Intern hat sich der Trainer bereits dafür ausgesprochen, für die neue Saison Spieler mit der passenden Mentalität zu verpflichten, die in der Zweiten Liga beim HSV bestehen können. Baumgart selbst hat sein Ziel bereits klar formuliert. „Ich möchte gerne mit diesem Verein nach oben. Ich möchte es ganz klar angreifen. Mich sehen sie nicht in einer deprimierten Position“, sagte Baumgart.
Zuvor muss allerdings der Aufsichtsrat die Entscheidung treffen, wie es mit Sportvorstand Jonas Boldt weitergeht. Das Gremium ist bei dieser Frage gespalten. Boldt hat seine Kritiker, aber auch Befürworter. Entscheidend könnte die Position des Aufsichtsratsvorsitzenden Michael Papenfuß werden. An dem Vizepräsidenten des HSV wird von vielen Seiten gezogen. Noch ist unklar, ob es eine Mehrheit für oder gegen Boldt geben wird.
Der Prozess einer möglichen Nachfolgelösung läuft bereits seit Wochen. Der Aufsichtsrat führt Gespräche, die aber nicht gleichbedeutend sind mit einem Aus von Boldt. Klar ist, dass eine Trennung von Boldt, der als Sportvorstand fünf Nichtaufstiege zu verantworten hat, viele Folgen mit sich bringen würde. Kommt ein neuer Sportvorstand, steht auch die Zukunft von Baumgart wieder zur Disposition.
HSV will Hadzikadunic und Poreba halten
Sportdirektor Claus Costa ist bereits dabei, die neue Saison zu planen. Er führt Gespräche mit Beratern, unter anderem mit denen der Leihgaben Lukasz Poreba und Dennis Hadzikadunic. Mit beiden Spielern würde der HSV gerne verlängern. Zudem läuft der Vertrag von Stephan Ambrosius aus. Wie es mit dem Wilhelmsburger weitergeht, ist noch offen.
Ebenfalls offen ist aktuell noch die Zukunft der Leistungsträger Robert Glatzel, Ludovit Reis und Laszlo Benes, die den HSV im Sommer alle per Ausstiegsklausel verlassen könnten. Ein Abgang von Benes, der mit der Slowakei die EM spielt, ist am wahrscheinlichsten.
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Eines ist in jedem Fall klar: Will es der HSV im siebten Jahr zurück in die Bundesliga schaffen, muss es endlich gelingen, die wiederkehrenden Probleme gegen vermeintlich leichtere Gegner abzustellen. Oder wie es Miro Muheim sagte: „Wir haben einfach zu viele Punkte liegen gelassen. Das fasst die Saison gut zusammen.“
Die Aufstellungen
Paderborn: Boevink - Hoffmeier, Musliu, Brackelmann - Obermair, Klefisch, Klaas (81. D. Kinsombi), Zehnter - Bilbija, Kostons (73. Grimaldi), Ansah (81. Leipertz).
HSV: Raab - Van der Brempt (59. Okugawa), Hadzikadunic (46. Ambrosius), Schonlau (46. Heyer), Muheim - Poreba - Reis, Suhonen (46. Benes) - Königsdörffer (72. Jatta), Glatzel, Dompé.
Schiedsrichter: Frank Willenborg (Osnabrück)
Tor: 1:0 Kostons (7.).
Gelb: Ansah (3), Brackelmann (1), Obermair (5) - Reis (4), Van der Brempt (3).