Hamburg. Durch die Niederlage in Paderborn ist die Saison des HSV endgültig gelaufen. Es war das sinnbildliche Ende eines verkorksten Jahres.

Steffen Baumgart gab an der Seitenlinie alles. Der HSV-Trainer verließ seine Coachingzone schon nach wenigen Minuten, er ging immer wieder in die Hocke, pfiff und schrie und gestikulierte. So wie er es in der Home-Deluxe-Arena von Paderborn von 2017 bis 2021 all die Jahre gemacht hatte. Doch seine Rufe verhallten an diesem Abend diesmal irgendwo in Nirgendwo. Bei seiner Mannschaft kamen sie in jedem Fall nicht an. Der HSV verlor vor 15.000 Zuschauern mit 0:1 (0:1) in Paderborn und vergab seine allerletzte Chance auf die Relegation.

Aufstieg adé. Und das zum sechsten Mal in Folge. Das siebte Jahr in der Zweiten Liga steht an – wer hätte das je für möglich gehalten? Wie schon vor fünf Jahren verspielte der HSV seine letzte Chance am vorletzten Spieltag in Paderborn. Damals hieß der Trainer des Siegers Steffen Baumgart, der eine Woche später mit dem Aufstieg in die Bundesliga den größten Erfolg seiner Trainerkarriere feiern konnte.

Baumgart erlebt eine seiner größten Enttäuschungen

Am Freitag erlebte Baumgart nun ausgerechnet an seiner alten Wirkungsstätte einer der größten Enttäuschungen seiner Laufbahn. Baumgart, der von den Paderborner Fans nach dem Schlusspfiff mit Sprechchören gefeiert wurde, gab sich kämpferisch. „Der HSV ist mein Kindheitstraum. Wir müssen jetzt die richtigen Schlüsse aus der Saison ziehen. Es ist viel im Positiven entstanden in den vergangenen Jahren, aber das große Ziel ist weit weg. Vielleicht hilft es uns jetzt, frühzeitig planen zu können“, sagte Baumgart.

Vor allem die Art und Weise, wie die Mannschaft um ihre letzte Chance „kämpfte“, dürfte Baumgart enttäuscht haben. Von Beginn an war nichts zu spüren von der Leidenschaft, die der HSV noch eine Woche zuvor beim 1:0 im Stadtderby gegen den FC St. Pauli auf den Platz gebracht hatte. „Die Enttäuschung ist einfach groß. Wir sind von Anfang an nicht ins Spiel gekommen. Es passte zu dieser Saison“, sagte Miro Muheim nach der Partie, „wir haben einfach zu viele Punkte liegen gelassen.“

HSV vorne harmlos und und hinten anfällig

Schon nach sieben Minuten lag der SC Paderborn, für den es in der Liga um nicht mehr viel ging, in Führung. Nach einem Einwurf reichte eine weite Flanke, um den HSV in Nöte zu bringen. Muheim verlor den Zweikampf gegen Koen Kostons, der aus spitzem Winkel zum 1:0 traf. Fünf Minuten später hätte der Niederländer bereits das 2:0 nachlegen können, verpasste aber knapp. Der HSV war hinten anfällig und nach vorne harmlos.

Ohne Topscorer Laszlo Benes, der erst in der zweiten Halbzeit kam, ging offensiv nichts. Defensiv fehlte ohne den gesperrten Jonas Meffert die Struktur. Es bleibt dabei: Ohne Meffert kann der HSV nicht gewinnen. Es war bereits das fünfte Spiel ohne den Sechser seit 2021 – und die vierte Niederlage. Schon im Hinspiel gegen Paderborn (1:2) verpasste Meffert wegen einer Gelbsperre die Begegnung.

„Der HSV ist individuell gesehen die beste Mannschaft der Liga“, sagte Paderborns Trainer Lukas Kwasniok vor dem Spiel. Doch davon war auf dem Platz nichts zu sehen. Erst nach 36 Minuten kam der HSV durch eine Einzelaktion von Jean-Luc Dompé das erste Mal gefährlich vor das Tor. Gegen die nicht gerade als Defensivexperten bekannten Paderborner blieb die Offensive des HSV jeden Nachweis schuldig, dass sie angeblich zu den besten der Liga gehört.

Beide Innenverteidiger müssen raus

Daran änderte sich auch nach der Pause nichts. Baumgart wechselte gleich dreimal. Mit den angeschlagenen Dennis Hadzikadunic und Sebastian Schonlau mussten beide Innenverteidiger raus. Stephan Ambrosius und Moritz Heyer übernahmen. Zudem kam Benes für den überforderten Anssi Suhonen. Doch es wurde nicht besser. Im Gegenteil. Gefährlich blieb nur Paderborn, insbesondere durch den Ex-Hamburger Filip Bilbija, der bereits beim 2:1-Sieg im Hinspiel getroffen hatte. An diesem Abend traf der schnelle Stürmer aber nur den Pfosten (60.).

Und der HSV? Der spielte weiter uninspiriert vor sich hin. Nichts war zu spüren von einer Schlussoffensive. Der Glaube an eine Wende war nicht vorhanden. Bis auf ein Schüsschen von Benes (82.) und ein Kopfbällchen Heyers (84.) kam nichts mehr. Baumgart pfiff an der Linie weiterhin – in der Hoffnung, dass noch etwas passiert. Aber es passierte nichts mehr. „Mein Hamburg lieb’ ich sehr“, sangen die mitgereisten rund 4000 Fans nach dem Abpfiff vor ihren Spielern. Außerdem riefen sie den Namen von Mario Vuskovic – kommende Woche geht es im Dopingprozess um seine Zukunft.

Die nahe Zukunft des HSV ist nun klar. Anfang August startet die neue Zweitligasaison. „Heute tut es einfach nur weh. Wir haben es uns selbst kaputt gemacht“, sagte Schonlau und bilanzierte: „Wir haben es über die ganze Saison nicht geschafft konstant unsere Leistung zu zeigen. Man muss ehrlich sagen, dass wir da oben nichts zu suchen haben.“

Für den HSV geht es nun vor allem darum, die vergangenen Monate gründlich zu analysieren und danach die richtigen Schlüsse zu ziehen. Der Aufsichtsrat hat nun Gewissheit, in welcher Liga der Club kommende Saison spielt und sollte daher möglichst zeitnah entscheiden, wie es mit Sportvorstand Jonas Boldt weitergeht.

Der HSV hat für sein siebtes Zweitligajahr so frühzeitig Planungssicherheit wie seit vier Jahren nicht mehr und sollte diesen Vorteil gegenüber der Konkurrenz nicht vergeben.

Die Aufstellungen

Paderborn: Boevink - Hoffmeier, Musliu, Brackelmann - Obermair, Klefisch, Klaas (81. D. Kinsombi), Zehnter - Bilbija, Kostons (73. Grimaldi), Ansah (81. Leipertz).

HSV: Raab - Van der Brempt (59. Okugawa), Hadzikadunic (46. Ambrosius), Schonlau (46. Heyer), Muheim - Poreba - Reis, Suhonen (46. Benes) - Königsdörffer (72. Jatta), Glatzel, Dompé.

Schiedsrichter: Frank Willenborg (Osnabrück)

Tor: 1:0 Kostons (7.).

Gelb: Ansah (3), Brackelmann (1), Obermair (5) - Reis (4), Van der Brempt (3).