Hamburg. Der HSV-Profi könnte zum Rekordderbyspieler werden. Im Abendblatt spricht er über die Liebe der Fans und die 4:3-Derbyfeier im NOHO.

Die feine englische Art war es nicht, wie sich Bakery Jatta in den frühen Morgenstunden des 22. April 2023 gegenüber seinen Mitspielern verhielt. Aber anders ging es nun mal nicht. Wenige Stunden nach dem berauschenden 4:3-Derbysieg gegen den FC St. Pauli war ein großer Teil der HSV-Profis – inklusive Jatta – zum Feiern im NOHO Club auf der Reeperbahn.

„Mein Fuß tat nach dem Spiel richtig weh, die Stimmung der anderen Jungs war aber so gut, dass ich mich ihnen angeschlossen habe. Tanzen konnte ich an dem Abend aber nicht mehr“, erinnert sich Jatta und lacht. Einerseits war da die Euphorie, die Party – andererseits wollte er irgendwann nur noch ins Bett.

HSV News: Jatta schlich sich nach dem Derbysieg aus dem Club

In einem kurzen Moment, in dem alle seine Mitspieler abgelenkt waren, habe er sich gegen 3 Uhr morgens schließlich davonstehlen können, erzählt der Gambier im Abendblatt-Gespräch mit einem Grinsen. Das rechte Sprunggelenk war schon ein paar Stunden zuvor ordentlich angeschwollen, nachdem ihn St. Paulis Leart Paqarada bei seinem Treffer zur zwischenzeitlichen 2:1-Führung böse weggegrätscht hatte. Das Tor und die Minuten danach waren typische Jatta-Szenen. Im Rücken der Abwehr hatte sich der Flügelstürmer davongeschlichen, dann mit einem langen Schritt den Ball versenkt.

„Als ich auf dem Boden lag und alle anderen zu mir gelaufen sind, habe ich mich nur gefreut. Erst als ich wieder zurücklaufen wollte, habe ich gemerkt, dass ich überhaupt nicht auftreten konnte“, sagt Jatta. Während sich andere Spieler vermutlich auf einer Trage auf direktem Weg in die Katakomben hätten bringen lassen, wollte Jatta unbedingt weiterspielen.

Jatta gibt Liebeserklärung an den HSV ab

„Ich liebe den HSV und versuche, immer alles für die Raute zu geben. Ich weiß, dass nicht immer alles perfekt ist bei mir. Aber ich bin immer mit dem Herzen und voller Leidenschaft dabei“, sagt er. Mehr schlecht als recht humpelte Jatta nach dem Paqarada-Tritt noch für ein paar Minuten über das Feld, spielte ein, zwei Pässe, war vier Minuten später auch an der Entstehung der 3:1-Führung durch Moritz Heyer noch leicht beteiligt. Erst als ein paar Angriffe später wirklich gar nichts mehr ging, ließ er sich auswechseln.

Wenn der HSV an diesem Freitag (18.30 Uhr/Sky und Liveticker auf abendblatt.de) wieder den FC St. Pauli im Volkspark empfängt, könnte Jatta sein neuntes Stadtderby bestreiten. Damit würde er den bisherigen Rekord von HSV-Towartikone Richard Golz einstellen. „Stadtderbys sind immer besonders, die spezielle Atmosphäre spürt man in der ganzen Stadt. Ich habe beim HSV schon viele schöne Momente erlebt, aber Derbysiege sind etwas ganz Besonderes. Solche Tage vergisst man nicht“, sagt Derbyexperte Jatta.

Kehrt Jatta in die Startelf zurück?

Im Training am Mittwoch deutete sich an, dass der Gambier am Freitag in die Startelf zurückkehren könnte. Gegen Holstein Kiel (0:1) und Eintracht Braunschweig (4:0) war er zuletzt nur eingewechselt worden. „Baka ist ein wichtiger Spieler in dieser Mannschaft. Ich bin der Meinung, dass er wieder besser in Form kommt und in seinen Abläufen klarer wird“, sagte Trainer Steffen Baumgart am Mittwoch, behielt die endgültige Aufstellung aber erwartungsgemäß für sich.

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Baumgart weiß aber auch, wie wichtig Jattas Leidenschaft insbesondere in Derbys sein kann. Beim 2:2-Hinspielremis im vergangenen Dezember war der schnelle und vor allem auch defensiv stets mitarbeitende Profi gelbgesperrt. „Ich habe das Hinspiel in dieser Saison zu Hause mit zwei Freunden im Fernsehen geguckt. Nach dem 0:2 war ich schon sehr nervös, die Reaktion von uns in der zweiten Halbzeit war aber top. Mit dem 2:2 war ich am Ende einverstanden“, sagt Jatta, dem das hilflose Zusehen aber durchaus schwergefallen sei.

Der Gambier erlebte auch fünf Derbyniederlagen mit

In den acht Derbys, in denen er auf dem Feld stand, feierte Jatta drei HSV-Siege. Vor dem schmerzhaften Treffer beim 4:3 im vergangenen Jahr hatte er auch eine Saison zuvor beim 2:1-Sieg sehenswert per Volley getroffen. „Obwohl ich zu Hause zweimal wichtige Tore bei Stadtderbys geschossen habe, war der 4:0-Sieg am Millerntor das Spiel, an das ich am liebsten zurückdenke. Das war mein erstes Derby, das ich auf dem Feld im HSV-Trikot miterlebt habe. Die Stimmung war unglaublich“, sagt Jatta.

Trotz seiner Derbyerfahrung wird er auch am Freitag wieder eine besondere Anspannung spüren. Vor dem Spiel setzt er immer auf dieselben Abläufe. „Ich höre im Bus meistens Afrobeat-Musik aus meiner Heimat, um mich auf das Spiel zu fokussieren. Das ist ein Ritual für mich.“

„Ich weiß, wie sehr sich die Fans mit der Raute identifizieren“

Abgesehen von den vielen schönen Derbymomenten erlebte Jatta allerdings auch fünf Niederlagen mit, vier davon auswärts am Millerntor. „Ich spiele jetzt meine siebte Saison für den HSV. Ich weiß natürlich, wie sehr sich die Fans mit der Raute identifizieren. Deshalb bin ich genauso enttäuscht wie die Fans, wenn wir ein Derby verlieren. Danach ist es aber wichtig, dass man weitermacht“, sagt Jatta.

Der Publikumsliebling weiß wohl so gut wie kaum ein anderer HSV-Profi, wie wichtig den Fans die Spiele gegen den Stadtrivalen sind. „Erst vor ein paar Tagen hat mir ein Fan im Supermarkt gesagt, dass wir das Derby auf jeden Fall gewinnen müssen. Ich lächle dann immer und bedanke mich für die Unterstützung“, sagt Jatta. Wenn der 25-Jährige von seiner besonderen Beziehung zum HSV spricht, funkeln seine Augen. Es sind keine Phrasen, die der immer noch schüchterne Profi von sich gibt, sondern man nimmt ihm jedes einzelne Wort ab.

Jatta besitzt einen Vertrag bis Sommer 2029

„Ich freue mich schon, wenn die Fans im Stadion meinen Namen rufen. Ich spüre tiefen Respekt und Dankbarkeit für die Leute, die mich unterstützen. Wenn ich kein Fußballer wäre, würde mich niemand kennen. Das darf man nicht vergessen“, sagt Jatta. „Zuhause ist dort, wo man sich wohlfühlt. Und der HSV ist mein Zuhause. Die Liebe, die ich von den Fans und Mitarbeitern bekomme, ist unglaublich. Dafür bin ich extrem dankbar. Und diese Menschen sind auch der Grund, warum ich immer 100 Prozent zurückgeben will.“

Anfang des Jahres hat der aktuell dienstälteste HSV-Profi seinen Vertrag vorzeitig bis Sommer 2029 verlängert. Jatta hat damit das langfristigste Arbeitspapier des gesamten Kaders. „Das hat Gründe“, sagte Trainer Baumgart dazu. Sollte Jatta seinen Vertrag erfüllen – aktuell spricht nichts dagegen – wäre er dann insgesamt 13 Jahre HSV-Profi. Im Sommer 2016 hatte er als 18-Jähriger seinen ersten Lizenzspielervertrag unterzeichnet. Sogar ein Karriereende beim HSV erscheint irgendwann realistisch.

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Zunächst einmal steht aber das brisante Stadtderby an. „Ich beschäftige mich nicht damit, dass St. Pauli theoretisch aufsteigen könnte“, sagt Jatta. „Wir spielen am Freitag zu Hause. Da gefällt es uns nicht, wenn andere Teams zu uns kommen und Punkte mitnehmen. Das Volksparkstadion gehört uns.“ Und im Anschluss womöglich auch das NOHO.