Hamburg. Keine Rückkehr nach Polen: Der frühere Hamburger bleibt HSV-infiziert. Nur sein Abgang beschäftigt den Mittelfeldmann bis heute.
Wenn alles klappt, kehrt Sonny Kittel am 19. Mai zurück zum HSV. Dann spielt sein Ex-Club im Volksparkstadion am letzten Spieltag der Saison gegen den 1. FC Nürnberg. Es wäre die erste Rückkehr für den 31-Jährigen in den Volkspark nach seinem Abgang im Sommer. „Ich gucke noch immer jedes HSV-Spiel“, sagt Kittel am Montag in der 203. Folge des Abendblatt-Podcasts „HSV – wir müssen reden“. Der langjährige Fanliebling sitzt im T-Shirt in seiner Wohnung in der australischen Metropol Sydney und ist dem Abendblatt via Zoom zugeschaltet. Seit drei Monaten spielt Kittel in der A-League für die Western Sydney Wanderers.
Die Saison in Australien ist für Kittel allerdings seit dem vergangenen Wochenende bereits beendet. Trotz eines 4:3-Sieges bei Melbourne Victory haben die Western Sydney Wanderers die Play-offs verpasst. Das Abenteuer Australien ist für Kittel damit nach nur drei Monaten schon wieder vorbei. Bislang gab es noch keine Gespräche über eine Verlängerung des Leihgeschäfts. Stand jetzt geht es also für ihn, seine Frau und ihre zwei Töchter zurück in die Heimat Gießen. Eine Rückkehr zum polnischen Meister Rakov, bei dem Kittel noch zwei Jahre Vertrag hat, ist nahezu ausgeschlossen.
Das Derby verfolgt Kittel in Australien um 2.30 Uhr nachts
Bevor es für ihn zurück nach Deutschland geht, wird er sich in der Nacht zu Sonnabend um 2.30 Uhr Ortszeit den Wecker stellen. Dann steht das Stadtderby zwischen dem HSV und dem FC St. Pauli an. „Ich fühle mich noch sehr verbunden mit dem HSV. Der Club liegt mir am Herzen. Meine Tochter spricht immer noch von Dino Hermann und dem HSV“, sagt Kittel.
Im vergangenen Sommer hatte er Hamburg nach vier emotionalen Jahren verlassen. Kittel fiebert aber noch immer mit seinem Ex-Club. Das wird in jedem Satz spürbar – trotz des Abgangs im Sommer, der in seinen Augen alles andere als optimal lief. Der HSV hatte trotz des Kittel-Tores im Relegationsrückspiel gegen den VfB Stuttgart den Aufstieg verpasst.
Kittel fühlte sich vom HSV hingehalten
Drei Wochen später hatte er vom HSV noch immer nichts gehört. Von seinem Berater Alen Augustincic hieß es nur, er sei in Gesprächen mit dem HSV. Schließlich reichte es Kittel. „Es sind einige Tage vergangenen, ich habe nichts gehört vom HSV. Ich habe gewartet und gewartet. Das war für mich dann auch ein Signal, dass man nicht die hundertprozentige Überzeugung hatte. Man will sich gebraucht fühlen. Daher habe ich entschieden, einen andere Schritt zu gehen“, erzählt Kittel.
Mitten in der Nacht veröffentliche er auf seiner Instagram-Seite seine Abschiedsnachricht und kam dem HSV damit zuvor. „Ich habe Jonas Boldt am Tag vorher angerufen und ihm gesagt, dass ich nicht mehr länger warten werde und ihm mitgeteilt, dass er sich ein Angebot sparen kann, falls das in seinem Hinterkopf war. Ich wollte den Leuten einfach mitteilen, wie es zu der Entscheidung kam. So ist es dann zu Ende gegangen“, sagt Kittel ein halbes Jahr später.
Auch Hannover 96 wollte Kittel holen
Mehrer Zweitligisten, darunter auch Hannover 96, wollten den ablösefreien Kittel verpflichten. Auch nach Sydney hätte er schon im Sommer gehen können. Doch weil seine Frau zum zweiten Mal schwanger war, entschieden sie sich für einen Wechsel in das näher gelegene Polen nach Rakov. Kittel startete mit einem Traumtor in die Champions-League-Qualifikation. Doch glücklich wurde er dort nicht. Mit dem Trainer Dawid Szwarga wurde Kittel nie wirklich warm, zudem passte ihm die grundsätzliche Art des Arbeitens nicht. Bei Rakov wurde viel Wert auf Daten und Fitnesswerte gelegt. Doch Kittel ist ein Straßenfußballer, der auf dem Platz seine Freiheiten braucht. Er verlor in Polen den Spaß am Fußball.
Kittel könnte zur neuen Saison in die 2. Bundesliga zurückkehren
Eine Rückkehr in die Zweite Liga ist möglich
Zur neuen Saison wird sich der Offensivspieler einen neuen Verein suchen, wahrscheinlich in der 2. Bundesliga. Gut möglich also, dass es in der kommenden Saison zum Wiedersehen mit dem HSV kommt. Dass die Hamburger den Aufstieg erneut verpassen, ist das realistische Szenario. Dennoch hält Kittel den Sprung in die Relegation noch für möglich. So wie vor zwei Jahren, als es der HSV mit einer Serie an den letzten fünf Spieltagen doch noch schaffte.
„Ich würde nicht sagen, dass es vorbei ist“, sagt Kittel. „Der große Vorteil ist, dass der HSV und viele Jungs die Situation kennen aufgrund der vergangenen Jahre. Und wer weiß, was es mit den anderen Mannschaften macht, wenn der HSV am Freitag gewinnt.“
Kein Spieler hat das Derby so oft gespielt wie Kittel
Am Freitag steht das 111. Pflichtspiel-Stadtderby gegen den FC St. Pauli im Volksparkstadion an. Kein anderer Spieler in der Geschichte dieses Duells hat das Derby so oft gespielt wie Kittel. Acht Mal traf er auf den Kiezclub. Nur Bakery Jatta kommt auf die gleiche Zahl an Derbys. Jatta und Kittel waren auch die Protagonisten der vergangenen zwei Derbysiege im Volkspark. Vor einem Jahr siegte der HSV dank Torschütze Jatta und Vorbereiter Kittel mit 4:3, vor zwei Jahren dank Torschütze Jatta und Vorbereiter Kittel mit 2:1.
Der Techniker weiß, was in dieser Woche in der Mannschaft und den Köpfen der Spieler los ist. „Da geht einem alles durch den Kopf, aber grundsätzlich freut man sich sehr auf das Spiel. Man merkt schon in der Woche, dass da irgendwie etwas in der Luft liegt und dass da einfach ein besonderes Event auf einen zukommt. Das ist schon ein sehr, sehr besonderes Spiel“, sagt Kittel, der dem HSV am Freitag die Daumen drückt.
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Trotz der beiden Derbysiege in den vergangenen zwei Jahren ist der HSV am Ende immer wieder gescheitert. Vier Mal verpasste Kittel mit dem HSV den Aufstieg. Warum? „Diese Frage stelle ich mir auch oft. Und sie ist schwer zu beantworten. Es hat jedes Jahr nicht viel gefehlt. Wir hatten in all diesen Jahren immer eine sehr gute Mannschaft. Am Ende waren es immer Kleinigkeiten, die gefehlt haben.“
So wie im vergangenen Jahr, als Kittel und der HSV in Sandhausen schon den Aufstieg bejubelten, ehe Heidenheim in der Nachspielzeit von Regensburg doch noch das Spiel drehte. „Das war wirklich einer der bittersten Momente beim HSV“, sagt Kittel. Vier Tage später musste der HSV nach Stuttgart zum Relegationshinspiel und ging mit 0:3 unter. „Nach einer Minute stand es 0:1. Wir wurden förmlich überrollt“, erinnert sich Kittel. Im Rückspiel schnupperte der HSV dank des Kittel-Krachers zum 1:0 noch kurz am Wunder, doch am Ende war alles vorbei. Auch Kittels Zeit beim HSV.
Kittel schließt eine Rückkehr zum HSV nicht aus – als Trainer
Ein paar Jahre will der Mittelfeldmann noch spielen. Seine lädierten Knie machen ihm keine Probleme. Gut möglich also, dass er noch einmal in die Zweite Liga zurückkehrt. Anfragen nimmt er selbst entgegen. Kittel ist mittlerweile sein eigener Berater. Nur die Vertragsgestaltung übernimmt ein Anwalt aus Frankfurt.
Nach der Karriere will Kittel dann als Trainer arbeiten. Mit seinem Trainerschein wollte er bereits beginnen. Der Plan ist nur aufgeschoben. Als Spieler wird man Kittel also nur noch in gegnerischen Mannschaften beim HSV sehen. Aber vielleicht kehrt er irgendwann als Trainer nach Hamburg zurück. Seine Tochter würde sich in jedem Fall freuen.