Hamburg. HSV startet in die Crunchtime. Worauf es im Aufstiegskampf jetzt ankommt. Zwei Experten geben Antworten.
Am Montag wurde die Hoffnung des HSV im Hamburger Volkspark gesichtet. Während seine Kollegen zwei Tage nach dem 2:1-Sieg gegen den 1. FC Kaiserslautern einen freien Tag genossen, arbeitete Robert Glatzel alleine mit Reha-Trainer Sebastian Capel an seinem Comeback. Der Toptorjäger des HSV soll nach seinen muskulären Problemen am kommenden Sonntag im Spiel beim FC Magdeburg wieder zur Verfügung stehen.
Will der HSV die tabellarische Lage verbessern, braucht er in den verbleibenden sechs Saisonspielen einen Glatzel in Topform. So wie vor zwei Jahren, als die schon abgeschriebenen Hamburger die letzten fünf Spiele der Saison gewannen und den auf sieben Punkte enteilten Stadtrivalen St. Pauli noch überholten. Glatzel traf in diesen fünf Spielen fünfmal.
Die großen Frage in Hamburg lautet daher: Kann der HSV in der Endphase eine ähnliche Serie hinlegen wie vor zwei Jahren und erneut einen Rückstand von sieben Punkten – diesmal auf Holstein Kiel – aufholen?
HSV braucht Serie für Aufstieg
„Es wäre der falsche Weg, jetzt den Druck zu erhöhen und eine solche Serie einzufordern. Ich denke nicht, dass die Spieler das so gut haben können, wenn die Notwendigkeit einer Siegesserie in den Vordergrund gestellt wird“, sagt Sportpsychologe Christian Spreckels am Montag im Gespräch mit dem Abendblatt.
Der 59-Jährige hat mit der sogenannten Crunchtime beim HSV seine Erfahrungen gemacht. Vor sieben Jahren war er als Mentaltrainer unter Markus Gisdol mit dabei, als sich der Club aus dem Volkspark nach einer Aufholjagd in der Rückrunde und einem wahren Nervenkrimi am letzten Spieltag der Saison durch einen 2:1-Last-minute-Sieg gegen den VfL Wolfsburg – Stichwort Luca Waldschmidt – noch vor dem drohenden Abstieg rettete.
Und diesmal? In dieser Saison hat es der Aufstiegsaspirant erst zweimal geschafft, zwei Spiele in Folge zu gewinnen. Eine solche Miniserie wird der HSV nun aber brauchen, wenngleich sich die Spieler zurückhaltend äußern. „Wir müssen jetzt schön auf dem Boden bleiben. Wir haben dieses Jahr noch gar keine Serie gestartet. Wir tun uns schwer, zwei Spiele hintereinander zu gewinnen. Das ist der erste Schritt“, sagte Sebastian Schonlau nach dem mühsam erkämpften Sieg gegen Kaiserslautern.
Experte rät HSV zu mehr Demut
Das Restprogramm hat der HSV-Kapitän aber natürlich vor Augen. Durch die zwei Heimspiele gegen St. Pauli (32. Spieltag) und Holstein Kiel (30. Spieltag) hat seine Mannschaft die große Chance, den Rückstand auf die direkten Aufstiegsplätze aus eigener Kraft zu reduzieren.
Sportpsychologe Spreckels rät allerdings davon ab, auf die beiden ersten Plätze zu gucken. „Es wäre defensiver und besser jetzt das Ziel auszugeben, weiterhin oben mitzuspielen. Das würde den Spielern einen zu hohen Druck nehmen“, sagt Spreckels, der weiß, dass die Crunchtime vor allem Kopfsache ist.
Ähnlich sieht es mit Heiko Hansen ein weiterer Hamburger Sportpsychologe. „Der HSV hat eine ganz andere Aufgabe. Er sollte sich demütig mal fragen, welches konsequente Agieren er jetzt an den Tag legen muss, um endlich mal aufzusteigen“, sagt Hansen, der 2015 als Mentaltrainer beim HSV dabei war, als sich der Club unter Bruno Labbadia in der dramatischen Relegation in Karlsruhe rettete.
Experte: HSV lebt in seiner Geschichte
Dass die Hamburger von den Unabsteigbaren zu den Unaufsteigbaren geworden sind, sei für Hansen eine Frage der Psychologie. „Interessanterweise wiederholen sich bei Vereinen bestimmte Verhaltensmuster nach Fehlern genauso wie bei Menschen, weil man keinen anderen Weg findet. Dabei ist ein Fehler immer eine Aufgabe, nach einer anderen Lösung zu suchen“, sagt Hansen.
Und weiter: „Dieser Aufgabe geht der HSV aber seit etlichen Jahren aus dem Weg und handelt nicht konsequent, sondern lebt vielmehr in seiner Geschichte.“
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HSV und das Horrorszenario
Theoretisch könnte St. Pauli sogar die Chance bekommen, am drittletzten Spieltag durch einen Sieg im Volksparkstadion beim HSV den Aufstieg perfekt zu machen. „Wenn ich Fabian Hürzeler wäre, hätte ich Spaß daran, meine Mannschaft nur darauf vorzubereiten, den großen HSV in seinem großen Stadion entsprechend zu ärgern“, sagt Hansen.
Und der HSV? Christian Spreckels erklärt, worauf es Richtung Stadtderby ankommt. „Von HSV-Seite sollte man sich mit dieser Möglichkeit am besten gar nicht beschäftigen. Das ist ja aus Sicht des HSV und seiner Anhänger etwas, was auf keinen Fall passieren darf“, sagt der Mentalcoach.
Gut für alle HSV-Fans, dass die Hoffnung immer noch zuletzt stirbt. Und mit Robert Glatzel der größte Hoffnungsträger am Wochenende wieder auf dem Platz stehen könnte.