Hamburg. Der Alt-Präsident ist gegen die Rechtsformänderung – zumindest jetzt. Was das mit Kühne zu tun hat und warum er mit sich selbst hadert.
Wer Jürgen Hunke in seinem Büro am Mittelweg besucht, der muss gut zuhören können und gedanklich schnell sein. Der 80-Jährige spricht viel – und wechselt zwischen zwei Sätzen bis zu dreimal das Thema. So geht es in den ersten fünf Minuten des Gesprächs mit dem Unternehmer, Theaterbesitzer, Verleger, Buchautor um die Zukunft des Fernsehens, ein Teehaus am Timmendorfer Strand, die CDU, Thailand, den Preis von Labskaus im Funkeck und chinesische Künstler. Doch dann spricht Hunke über den HSV, seinen HSV.
Der frühere Multifunktionär lässt sich tief in seinen roten Ledersessel fallen. Und er macht das, was er sonst nie macht: eine kurze Pause. Dann sagt er, dass er diese Rechtsformänderung jetzt nicht wolle: „Ich verstehe nicht, warum wir diese Rechtsformänderung zu diesem Zeitpunkt brauchen, da dadurch, wenn wir nicht aufsteigen, wieder zusätzliche Probleme entstehen.“
HSV-Mitgliederversammlung: Hunke ist gegen eine Rechtsformänderung
Ein typischer Hunke. Der älteste noch lebende Ex-Präsident ist so etwas wie der letzte Mahner beim HSV. „Ich bin ein Traditionalist“, sagt er. „Aber auch ein Realist.“ Und dann spricht er wieder viel und schnell. Über die Rechtsformänderung, die er für übereilt hält. Über die Mitgliederversammlung am Sonnabend in Wilhelmsburg, zu der er gehen will. Oder auch nicht. Über die aktuellen HSV-Entscheider, die früheren Entscheider – und darüber, wer eigentlich der Einzige ist, der das alles durchschaut. Spoiler: Er selbst.
Auch mit 80 Jahren ist Jürgen Hunke noch immer Jürgen Hunke. Er sammelt rote Schuhe, Buddhas und Lebensweisheiten. Hunke hat vier Kinder, sechs Enkelkinder. Gerne erzählt er, dass er sich jeden Tag zwei Stunden lang massieren lässt. Er habe sich oft und viel mit Menschen gestritten – und sich dann wieder mit ihnen vertragen.
Hunke war schon gegen die Ausgliederung 2014
Auch mit seinem HSV. Er war Präsident, Sanierer, Aufsichtsrat. Nun sei er vor allem eines: ein kritischer Geist. Hunke war gegen Ex-Vorstand Bernd Hoffmann, gegen HSV-Investor Klaus-Michael Kühne und vor allem gegen die Ausgliederung vor zehn Jahren. Er schrieb eine eigene Satzung – und scheiterte.
Nun ist er wieder dagegen. Gegen die Rechtsformänderung zu diesem Zeitpunkt. Gegen eine sofortige KGaA. Und sogar gegen einen Aufstieg in diesem Sommer.
Vor Kurzem hat Hunke Huwer und auch Kühne getroffen
Aus seiner Meinung macht Hunke auch keinen Hehl, hat er noch nie gemacht. Mit HSV-Finanzvorstand Eric Huwer war er vor zwei Wochen zu Mittag essen, war kürzlich bei Klaus-Michael Kühne in dessen Fontenay-Hotel und hat dem kompletten Präsidium nun einen Brief geschrieben. „Liebe Freunde“, heißt es in seinem Schreiben, das er auch Geschäftsführer Kumar Tschana schickte und in dem er einen Antrag mit dem Tagesordnungspunkt „Änderung der Rechtsform“ ankündigte.
Im höflich formulierten Antwortschreiben heißt es, dass der Antrag in dieser Form nicht auf die Tagesordnung gesetzt werden könne, „weil das Anliegen nicht klar formuliert ist und die Begründung für den Antrag fehlt“.
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Hunke ist empört. Ob er nun überhaupt noch auf die Mitgliederversammlung am Sonnabend gehen wird, weiß er nicht. Er ärgert sich auch, dass diese in Wilhelmsburg ist. Und nicht in der Rothenbaumchaussee. Im Curio-Haus. Da, wo die Wiege des HSV sei.
Doch warum genau Hunke eigentlich gegen die Rechtsformänderung ist, wird auch im Laufe eines langen Gesprächs nicht so richtig klar. Er sei eigentlich gar nicht gegen eine KGaA, sagt Hunke. Aber er sei gegen den Zeitpunkt. Und warum? Hunke redet wieder schnell und viel. Ihm fehle einfach ein überzeugendes Konzept. Und die 38 Seiten, die man auf der HSV-Homepage zu all dem finden würde? Hunke zuckt mit den Schultern. Habe er nicht verstanden. Und sein Steuerberater auch nicht.
Hunke: Am Ende geht es immer nur ums Geld
Am Ende gehe es doch ohnehin immer ums Geld, sagt Hunke. Er selbst sei frei von Zwängen, brauche nie wieder Geld zu verdienen. Aber er kenne auch die andere Seite, habe mit 14 Jahren Tennisbälle aufgesammelt. Für 20 Pfennig in der Stunde.
Nun geht es nicht um 20 Pfennig, sondern um 30 Millionen Euro. Um Klaus-Michael Kühnes Darlehen, das bei einer Rechtsformänderung automatisch in Anteile umgewandelt würde. Hunke stöhnt auf.
Hunke will wissen, was Kühnes Ziel ist
Kühne also wieder. „Auch Herr Kühne hat bis zum heutigen Tage kein konkretes Konzept vorgestellt, wie er überhaupt in der Zukunft den Verein sieht“, sagt Hunke. „Es entstehen wieder neue Personalkosten, und am Ende geht es vielleicht nur um die 30 Millionen von Herrn Kühne. Es geht darum, dass er dann automatisch auch Anteile erhält und sein Anteil immer größer wird. Und wir wissen am Ende nicht, was das eigentliche Ziel ist.“
Allerdings wird auch Hunkes eigentliches Ziel nicht ganz klar. „Ich glaube nicht, dass Herr Kühne auf Dauer die Lösung für den HSV ist“, sagt er. Nicht zum ersten Mal. „Ich habe seinerzeit 2014 Herrn Kühne gewarnt und auch
die Mitglieder, aber niemand wollte es hören.“
Noch hat Hunke nicht entschieden, ob er zur HSV-Mitgliederversammlung geht
2014 gab es einige Zweifler. Ultras, Supporters, Oliver Scheel und Manfred Ertel, mit dem war Hunke auch immer mal wieder verkracht. Jetzt zieht er einen Notizzettel aus einer Akte. „Friedensangebot an Ertel“, steht auf dem Zettel. Er würde sich gerne mit ihm bald mal auf einen Kaffee treffen, sich aussprechen. Das mache er, sagt Hunke. Ganz sicher.
Und die Mitgliederversammlung am Sonnabend? Geht er nun hin? Geht er nicht hin? Hunke überlegt. Und zum ersten Mal an diesem Nachmittag sagt er – nichts.