Hamburg. HSV-Trainer gerät nach acht Gegentoren in zwei Heimspielen unter Druck. Boldt stellt sich – und rückt erstmals von Walters Argument ab.
Jonas Boldt war spürbar enttäuscht, als er nach der 3:4-Heimniederlage des HSV gegen Hannover 96 vor die Sky-Kamera trat. „Wir haben heute generell in allen Bereichen zu viele Fehler gemacht“, sagte der HSV-Sportvorstand beim TV-Sender – und dürfte damit nicht nur die Spieler, sondern auch Trainer Tim Walter gemeint haben, der das vorgegebene Ziel seines Chef, der Mannschaft defensive Stabilität zu vermitteln, einfach nicht umgesetzt bekommt.
Stattdessen wirken die aktuellen Auftritte des HSV so, als wäre Walter von diesem Ziel so weit weg wie noch nie in seiner zweieinhalbjährigen Amtszeit. In den beiden jüngsten Heimspielen gegen Karlsruhe (3:4) und Hannover kassierten die Hamburger insgesamt acht Gegentore, neun sind es in den ersten vier Rückrundenpartien. „So können wir nicht weiterspielen“, stellte Boldt klar und bediente sich dabei bei den Worten von Mittelfeldmotor Laszlo Benes, der vor zwei Wochen nach der Niederlage gegen den KSC denselben Satz gesagt hatte.
HSV unter Walter: rückläufige Entwicklung
Dabei legte Walter im Winter den Fokus auf erfolgreicheres Verteidigen, nachdem Boldt und Profifußballdirektor Claus Costa in ihrer Hinrundenanalyse genau das von ihm gefordert hatten. Doch in der Rückrunde ist nicht nur keine Besserung zu sehen, die Entwicklung ist sogar rückläufig. Eine Beobachtung, die für Walter zunehmend zum Problem wird.
„Wir haben vor der Winterpause bewusst gesagt, dass wir Dinge verbessern wollen. Auswärts haben wir es hinbekommen, hier im Volkspark nicht. Das müssen wir schleunigst ändern“, fordert Boldt, der sich weniger wilde Spiele wie die beiden Heimspiele gegen Karlsruhe und Hannover wünscht, in denen insgesamt 14 Tore fielen. „Vielleicht haben wir es auswärts besser hinbekommen, weil wir weniger Hurrafußball gespielt haben. Gegen Hannover haben wir spektakulär mit offenem Visier gespielt, aber das ist nicht das Ziel, das wir haben. Wir wollen die Spiele schon gewinnen.“
Boldt will Herangehensweise des HSV hinterfragen
Ein klarer Appell in Richtung Walter, der lieber 4:3 als 1:0 gewinnt, wenngleich im Volkspark aktuell nur die Gäste über vier Tore jubeln dürfen. Daher drängt sich die Frage auf, wie es nun weitergeht mit dem HSV-Trainer?
„Zwei Minuten nach dem Abpfiff werde ich mich bestimmt nicht dazu äußern“, antwortete Boldt, um kritische Worte folgen zu lassen. „Die Herangehensweise, wie wir arbeiten, müssen wir grundsätzlich hinterfragen. Natürlich spielt ein Trainer dabei eine ganz, ganz wichtige Rolle, aber ich lasse mich direkt nach dem Spiel nicht locken.“ Der HSV-Manager, für den das Ziel Aufstieg über allem steht, nimmt seinen zunehmend unter Druck geratenen Trainer in die Pflicht.
Walter selber gab sich am Freitagabend kämpferisch. „Für uns gilt es jetzt, die Wut, die in uns steckt, in eine Trotzreaktion umzuwandeln und Energie daraus zu ziehen“, sagte der Coach.
Boldt rückt von Walters Argument ab
Doch die Zweifel mehren sich, sowohl unter den Fans, als auch beim HSV, ob Walter in der Lage ist, die Defensivprobleme in den Griff zu bekommen. „Es ist schwierig, das (die Gegentore; d. Red.) zu erklären, das muss man ganz ehrlich sagen“, sagte Walter, der auf eine tiefgreifende Analyse verzichtete. „Es ist schwer zu analysieren. Was aber bleibt, ist die Mentalität der Jungs, so wie wir zurückkommen.“
Es ist das alte Muster beim HSV. Immer, wenn der sportliche Erfolg ausbleibt, verweist Walter auf die zweifellos vorhandenen Comebackqualitäten seiner Mannschaft. Dabei vermeidet der Fußballlehrer allerdings eine Erklärung, warum seine Mannschaft überhaupt erst in solche Situationen gerät. Und wer dafür die Verantwortung trägt.
Am Freitagabend rückte auch Boldt erstmals öffentlich von dieser Erzählweise ab. „Wir kommen zwar zurück, aber zur Mentalität gehört auch dazu, sich cleverer in bestimmten Situationen zu verhalten“, monierte der HSV-Vorstand. „Die Jungs machen nicht ihre ersten Spiele. Es spielen viele Faktoren eine Rolle.“
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HSV: Wie geht es mit Walter weiter?
Diese Jungs seien „gewillt, die Fehler abzustellen“, ergänzt Walter, der zwar weiter an der Gegentorproblematik arbeiten wolle, seine teilweise zu riskante, offensive Spielweise aber nicht grundlegend ändern will. „Ich bin für beide Richtungen verantwortlich. Meine Intention ist es, dass wir besser verteidigen, aber genauso gut vorne weiterspielen.“ Die Frage ist nur: Welche Intention hat Boldt?