Hamburg. Die beiden Ex-Profis sprechen über ihre Karrieren, den HSV und St. Pauli und ihr neues Podcast-Projekt “Flatterball“.

Martin Harnik und Max Kruse waren 15 Jahre alt, als sie 2003 das erste Mal in der Jugend des SC Vier- und Marschlande zusammenspielten. Drei Jahre später gingen sie gemeinsam zu Werder Bremen, ehe sich dort die Wege trennten. Nun sind die beiden Ex-Nationalspieler, die ihre Profikarrieren beim HSV (Harnik, 2020) und beim SC Paderborn (Kruse, 2023) beendeten, in einem neuen Projekt wiedervereint. Am Donnerstag erscheint die zweite Folge ihres Podcasts „Flatterball“, den sie gemeinsam mit der Fußball-Podcastmarke MML produzieren. Im Abendblatt sprechen die beiden über ihre Idee, ihre Karrieren und ihre Ex-Clubs HSV (Harnik) und St. Pauli (Kruse).

Hamburger Abendblatt: Herr Harnik, Herr Kruse, im Intro Ihres neuen Projekts heißt es: „Jetzt machen die auch noch einen Podcast.“ Also, warum machen Sie das?

Max Kruse: Wir wollen aus unserem Fußballleben erzählen und den Hörern einen Einblick geben, wie der Fußball auf allen Ebenen funktioniert und wie er sich in den vergangenen 15 Jahren verändert hat. Martin und ich sind ganz unterschiedliche Typen. Wir wollen erzählen, dass man auf verschiedenen Wegen und verschiedenen Arten erfolgreich sein kann.

Martin Harnik: Max und ich haben ähnliche Dinge unterschiedlich verarbeitet. Wir wollen den Leuten ein Gefühl dafür geben, was der Beruf als Fußballer mit den Spielern, aber auch den Menschen macht. Wir wollen den Fußball greifbarer machen. Viele bekommen diesen Eindruck nur aus den Medien.

Um Medien geht es in Ihrer zweiten Folge. Sie galten beide nie als mundfaul. Haben Sie auch schlechte Erfahrungen gemacht?

Harnik: Wir wollen nicht zu viel vorwegnehmen, aber es geht darum, wie die Medien nicht nur uns, sondern auch unser direktes Umfeld beeinflussen und beeinträchtigen können.

In Folge eins haben Sie erzählt, wie die Geschichte mit Ihrem neuen Porsche wirklich ablief, mit dem Sie 2016 nach dem Abstieg mit dem VfB Stuttgart fotografiert wurden.

Harnik: Ich habe viele Nachrichten aus Stuttgart bekommen von Leuten, die mir gesagt haben, dass sie das aus dieser Perspektive noch nie betrachtet haben. Genau diese Perspektive des Fußballers wollen wir den Leuten bieten. Das ist jetzt natürlich einfacher, weil wir nicht mehr Angestellter eines Vereins sind. Gleichzeitig sind wir noch nicht so lange raus, die Einblicke sind also noch aktuell.

Kruse: Der Fußball hat sich stark gewandelt. Es ist heute schon aalglatt geworden. Typen wie Mario Basler wird es nicht mehr geben. Die Profis von heute wollen sich am liebsten aus den Medien raushalten und sich auf den Fußball konzentrieren. Viele können mit den Reaktionen auch nicht umgehen.

Sie sagen, dass der Profifußball keinen Spaß mehr gemacht hat. Was meinen Sie genau?

Kruse: Ich komme vom Bolzplatz und habe so auch in meiner Anfangszeit in Bremen gespielt. Das war unbekümmert. Schuhe an, zwei Runden laufen, dann warst du warm. So habe ich den Fußball kennengelernt. Heute musst du eineinhalb Stunden vorm Training da sein. Kraftraum. Dann auf die Waage. Bei Fenerbahce Istanbul wurde vor dem Training unser Fettwert gemessen. Die Spieler werden heute vollgepumpt mit Nahrungsergänzungsmitteln. Es wird alles vorgegeben. Das war nie mein Ding. Es hat mich einfach nur noch genervt. Der Fußball ist für mich mehr Arbeit als Spaß geworden.

Werder statt HSV: Harnik (l.) und Kruse wechselten 2006 vom SC Vier- und Marschlande nach Bremen.
Werder statt HSV: Harnik (l.) und Kruse wechselten 2006 vom SC Vier- und Marschlande nach Bremen. © Imago

Harnik: Der Fußball ist in den vergangenen Jahren sehr theoretisch und wissenschaftlich geworden. Wenn ich da nur an die GPS-Sender denke, die du mittlerweile sogar bei den Spielen tragen musst.

Kruse: Darüber habe ich mich bei meinen letzten zwei Vereinen auch mit den Fitnesstrainern gestritten. Ich habe gesagt, ich kann mich mit den Dingern nicht bewegen. Das engt mich ein.

Harnik: Das engt doch nur deine Brüste ein (lacht).

Kruse: Die Fitnesstrainer haben dann gesagt, sie brauchen alle Werte. Ich habe gesagt, ich ziehe die nicht an. Da hatte ich dann etwas Stress.

Harnik: Ich habe auch immer gedacht, dass diese Sender nicht gut sein können, wenn ich mal mit meinem gesamten Körpergewicht darauf lande.

Kruse: Aber angelegt mit den Trainern hast Du dich deswegen nicht.

Harnik: Ich heiße ja auch nicht Max Kruse (lacht). Viele Dinge haben ihre Berechtigung. Die Arbeit um den Fußball herum wird immer größer. Die Skills des Straßenfußballers und der Instinkt für die richtige Entscheidung im richtigen Moment rücken immer mehr in den Hintergrund.

Wären Sie im heutigen Fußball überhaupt noch Profi geworden?

Kruse: Fußballerisch hätte ich Chancen. Von den körperlichen Bedingungen her wahrscheinlich nicht. Bei den Tests würde ich durchfallen.

Harnik: Am Ende entscheiden nach wie vor Talent und Wille. Das war bei uns beiden immer vorhanden.

Wer von Ihnen war talentierter?

Harnik: Hmm. Also das fußballerische Talent…

Kruse: Nun sag es schon, Diggi.

Harnik: Ja, Du warst schon der bessere Fußballer. Wir waren aber auch als Spieler total unterschiedlich. Ich hatte andere Fähigkeiten. Ich war torgefährlicher. Und schneller und athletischer.

Kruse: Das ist beides nicht schwer (lacht). Du warst vom Gesamtpaket früher weiter.

2018 spielten Max Kruse (l.) und Martin Harnik noch einmal bei Werder Bremen zusammen.
2018 spielten Max Kruse (l.) und Martin Harnik noch einmal bei Werder Bremen zusammen. © Witters

Sie haben beide gesagt, dass Sie Ihr Karriereende nicht bereut haben. Ihren Abgang hätten Sie sich aber sicher anders ausgemalt als mit einem 1:5 mit dem HSV gegen Sandhausen und einem 1:3 mit Paderborn in Berlin.

Harnik: Natürlich wäre ich gerne mit dem HSV aufgestiegen, hätte noch ein Jahr Bundesliga gespielt und wäre dann als gefeierter Held gegangen. Aber das perfekte Ende war mir nie so wichtig. Ich habe auch nicht die Eitelkeit, dass ich noch ein Abschiedsspiel oder Ähnliches brauche.

Kruse: Ich wusste zu dem Zeitpunkt ja noch gar nicht, dass es mein letztes Spiel sein würde. Ob ich gewonnen oder verloren habe, interessiert jetzt schon keinen mehr. Ich habe es auch nicht gebraucht, dass für einen Tag noch mal alle Augen auf mich gerichtet sind. Wobei mich meine Frau jetzt blöd anguckt (lacht).

Wäre ein Karriereende zum Beispiel in Saudi-Arabien für Sie eine Option gewesen?

Kruse: Wenn ein lukratives Angebot reingekommen wäre, hätte ich das wahrscheinlich gemacht. Ich habe aber im Gegensatz zu Martin bis auf meine Frau niemanden, der mich hier in Deutschland hält.

Harnik: Ich bin froh, dass ich diese Entscheidung nicht treffen musste. Ähnlich wie das Angebot, dass ich mal aus China hatte, hätte man das aufgrund des Geldes nicht pauschal ablehnen können. Meine Priorität war aber immer meine Familie, mit der ich hier verwurzelt bin.

Gab es mal die Möglichkeit, zusammen für den HSV zu spielen?

Harnik: Als wir das erste Mal nach Bremen gegangen sind, haben wir auch mit dem HSV gesprochen. Da wurde uns aber nicht signalisiert, dass man uns unbedingt haben wollte. Später hat es sich nie ergeben. Für uns war es großartig, in Bremen nochmal in der Bundesliga zusammen zu spielen.

Kruse: Wir waren früher in der Jugend mit der Mannschaft oft im Volksparkstadion. Ich war aber auch häufig bei St. Pauli. Konkret mit dem HSV verhandelt habe ich später nie.

Sie kennen die Zweite Liga aktuell als TV-Experte und als Ex-Spieler. Steigen der HSV und St. Pauli in dieser Saison auf?

Kruse: St. Pauli spielt bislang eine überragende Saison. Seit Fabian Hürzeler Trainer ist, ist St. Pauli unantastbar die Nummer eins der Zweiten Liga. Sie werden aufsteigen. Der HSV dagegen muss aufsteigen. Auch wenn man das schon seit Jahren sagt. Ich würde es richtig geil finden, wenn beide aufsteigen. Hamburg braucht zwei Bundesligisten.

Martin Harnik machte 23 Zweitligaspiele für den HSV.
Martin Harnik machte 23 Zweitligaspiele für den HSV. © Witters

Harnik: Vom Selbstbewusstsein und dem Selbstverständnis her ist St. Pauli für mich aktuell das Leverkusen der Zweiten Liga. Das macht einfach Spaß zuzuschauen. Der HSV hat wie immer die große Bürde, aufsteigen zu müssen. Die hat St. Pauli nicht.

Sehen wir Sie nochmal zusammen auf dem Platz, zum Beispiel in Dassendorf?

Kruse: Hätte ich mich mit meiner Frau für Hamburg als Lebensmittelpunkt entschieden und nicht für Berlin, wäre es vielleicht infrage gekommen. Ich muss aber auch sagen: Nach meinem Karriereende habe ich sechs Wochen kein Sport gemacht und dann zwei Hallenturniere gespielt. Ich habe jetzt mehr Schmerzen als vorher. Der Profifußball hat einige Gebrauchsspuren hinterlassen.

Harnik: Wir werden sicher mal in den Traditionsmannschaften zusammenspielen. Oder auch in der Baller League, die Max jetzt begleitet. Vielleicht gründen wir in ein paar Jahren auch mal eine coole Altherrenmannschaft mit den Jungs von früher, wo der Spaß zu 100 Prozent im Vordergrund steht. Da könnte Max dann zumindest ein Teilzeitmitglied sein.

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